Foto: science-slam.com / Niko Neithardt

„Es muss auch meine Großmutter verstehen können“

Der neue deutsche Science-Slam-Meister heißt seit diesem Samstag: Aniruddha Dutta. Ein Gespräch über Kekse und die Eigenheiten des Publikums.

Herr Dutta, herzlichen Glückwunsch zum Gewinn der deutschen Science-Slam-Meisterschaft! Wie groß ist der Rummel, den so ein Sieg mit sich bringt?

In Deutschland sind Science-Slams ja recht bekannt, daher interessiert das schon ein paar Leute. Von meinen Kolleginnen und Kollegen weiß ich, dass es auch einige Berichte in deutschsprachigen Zeitungen gab. Im Wesentlichen galt für mich am Montag aber: zurück zur normalen Arbeit eines Doktoranden.

Aniruddha Dutta bei Siegerehrung
Aniruddha Dutta kam 2012 von Bangalore (Indien) nach Deutschland, um an der RWTH Aachen seinen Master zu machen. Seit 2016 arbeitet er am Max-Planck-Institut für Eisenforschung in Düsseldorf und promoviert dort über die Struktur leichter und hochfester Stahlsorten. Am 24.11. gewann er das Finale der deutschen Science-Slam-Meisterschaft 2018 – mit dem einzigen englischsprachigen Vortrag des Abends. Foto: science-slam.com / Niko Neithardt

Zum Finale der Meisterschaft kamen laut Veranstalter rund 4600 Zuschauerinnen und Zuschauer nach Wiesbaden. Wie ist das, vor so einem großen Publikum zu slammen?

Als das Team ein paar Tage vorher per Mail schrieb, dass so viele Tickets verkauft wurden, war ich ganz schön schockiert. Und auf der Bühne setzte sich das Gefühl dann fort. Ich versuche eigentlich, auf der Bühne immer so mit den Leuten zu sprechen, wie ich mich auch mit Freunden in der Küche unterhalten würde. Das ist bei etwas kleineren und persönlicheren Veranstaltungen einfacher. Ich habe denselben Slam unter anderem mal in Aachen vorgetragen und wusste, da sitzen viele Ingenieurinnen und Ingenieure im Raum. Da kann man auch mal einen etwas fachlicheren Witz machen. Aber bei einem so großen Event wie in Wiesbaden sind alle möglichen Leute da: Studierende, Rentnerinnen und Rentner, Familien mit Kindern. Das macht es natürlich schwieriger, sich auf das Publikum einzustellen.

Seit wann slammen Sie schon?

Im Jahr 2015 hat mich ein Freund auf das „FameLab“ aufmerksam gemacht. Ich habe das einfach mal ausprobiert und diese Art, über Forschung zu sprechen, gefiel mir gleich gut. Dort hat man sogar nur drei Minuten Zeit, um sein Thema zu präsentieren. Meinen ersten zehnminütigen Science-Slam in Aachen habe ich dann gleich gewonnen. Das hat mich sehr motiviert, weiterzumachen.

Im Sieger-Slam erklären Sie Ihre Arbeit an leichtem und zugleich widerstandsfähigem Stahl mit Hilfe eines Kekses. Wie kamen Sie auf diese Idee?

In meiner Forschung untersuche ich mikroskopisch kleine Materialstrukturen. Das ist sehr abstrakt. Also brauchte ich einen Vergleich aus dem echten Leben, mit dem die Leute etwas anfangen können. Es muss auch meine Großmutter verstehen können. Die Keks-Metapher hat sich dabei bewährt. Allerdings funktioniert es nicht mit jeder Kekssorte gleich gut, wie ich feststellen musste!

Warum?

Ich habe es mal mit einer anderen Marke probiert, deren Kekse nur aus zwei Teilen bestehen. Aber die Variante mit zwei Waffeln und Cremefüllung scheint einfach am besten anzukommen. Ich weiß auch nicht genau, warum.

 

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Was genau machen Sie in Ihrer Forschung?

Ich arbeite am Max-Planck-Institut für Eisenforschung an der Frage, wie sich moderne Stahlsorten, sogenannte „Advanced High Strength Steels“, noch dehnbarer und zugleich widerstandsfähiger machen lassen. Das spart Materialkosten, da man weniger von diesem Stahl braucht, um die erwünschten Eigenschaften zu erhalten. Auch das Gewicht sinkt dadurch. Das ist besonders für die Automobilindustrie interessant, da sich aus leichterem Material noch effizienter zu betreibende Fahrzeuge bauen ließen. Ich mache allerdings nur Grundlagenforschung, die dabei helfen soll, die physikalischen Phänomene dahinter besser zu verstehen.

Der letztjährige Sieger, Martin Werz, ist ebenfalls Materialwissenschaftler. Ist das nur Zufall – oder eignet sich das Thema besonders gut zur Veranschaulichung?

Früher hätte ich nie gedacht, dass dieses Thema gut für Science-Slams geeignet ist. Fächer wie Biologie erscheinen mir eigentlich intuitiv einfacher zu vermitteln. Aber letztlich zählt wohl eine griffige Metapher, mit der man das eigene Thema rüberbringen kann – so war es auch bei Martin. Er hat einen bestimmten Schweißprozess mit Hilfe von Schokoladentafeln verdeutlicht.

Kommunizieren Sie Ihre Forschung noch auf andere Arten, zum Beispiel bei anderen Events oder auf Twitter?

Dafür fehlt mir leider neben der Promotion im Moment die Zeit. Ich selbst lese aber gern englischsprachige Wissenschaftsblogs und höre wissenschaftliche Podcasts.

Was planen Sie für die Zukunft?

Ich würde Science-Slams gerne nach Indien bringen. Das Format ist ja eine deutsche Erfindung, doch es gewinnt mittlerweile auch im Vereinigten Königreich und den USA an Verbreitung. In Indien ist es noch fast unbekannt. Es ist einfach eine großartige Gelegenheit, um die Öffentlichkeit darüber aufzuklären, was Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den ganzen Tag so machen. Außerdem hilft es dabei, das Klischee über vermeintlich humorlose Forschende abzubauen.