Foto: Projekt Globukalypse / INH

„Die Zeit der Homöopathie im Gesundheitswesen ist schlicht abgelaufen”

Im September 2022 wurde das neue Projekt des Informationsnetzwerk Homöopathie (INH) „#Globukalypse“ gelauncht. Im Interview spricht Udo Endruscheit über den Enstehungsprozess der Website, seit wann er sich mit Homöopathiekritik befasst und wie er den öffentlichen Diskurs in den letzten Jahren erlebt hat.


Herr Endruscheit, wie sind Sie dazu gekommen, sich mit der Aufklärung über Homöopathie zu beschäftigen?

Im Alter von 14 oder 15 Jahren bin ich zum ersten Mal mit dem Gedankengut der Homöopathie in Berührung gekommen. Schon damals habe ich mir gedacht, dass das ja alles eher eine Absurdität zu sein schien, habe mich dann aber nicht besonders intensiv mit dem Thema beschäftigt. Mein wirklich aktives Engagement fing an, als meine Frau an Krebs erkrankte. Ich habe erlebt, dass man nicht in einer Krebsklinik sein kann, ohne mit dem Thema in irgendeiner Form in Berührung zu kommen. Und da mir damals durchaus schon hinreichend klar war, dass und warum nichts davon als medizinische Methode zu halten ist, habe ich angefangen, mich zu engagieren. Seit 2016 engagiere ich mich im Informationsnetzwerk Homöopathie (INH), dem ich kurz nach seiner Gründung beigetreten bin. Seit 2020 bin ich einer der Sprecher des Netzwerks.

Udo Endruscheit ist seit 2020 einer der Sprecher des Informationsnetzwerks Homöopathie, bei dem er seit 2016 Mitglied ist. Foto: Markus Endruscheit

Im September letzten Jahres wurde die neue Website #Globukalypse gelauncht. Laut der Website steht der Hashtag Globukalypse „für ehrliche Patient*innenkommunikation und wirkliche Patient*innenautonomie”. Aber was steckt genau hinter dem Begriff?

„Globukalypse“ ist ein Begriff, der schon recht früh, ich glaube, 2017 von Christian Lübbers geprägt worden ist. Mit dem Begriff wollte er auf Twitter diejenigen zu einer Art „Fangemeinde“ zusammenbringen, die sich mit den Zielen der wissenschaftlichen Homöopathiekritik, wie sie das INH betreibt, identifizieren konnten. So entstanden auch seine berühmten Armbändchen mit dem Slogan #TeamGlobukalypse. Die waren ein Riesenerfolg unter den Unterstützer*innen. Es gab Bilder aus dem Bundestag, sogar von Abgeordneten, die diese Armbändchen im Bundestag getragen haben. Inzwischen steht die „Globukalypse“ für das Anliegen, die konkreten Handlungsbedarfe gezielt zu kommunizieren. Und damit hat der Begriff gegenüber dem ursprünglichen primären Ziel des INH, vor allem Verbraucher- und Patientenaufklärung zu betreiben, eine gewisse Eigenständigkeit bekommen. Wir sehen das Wort “Globukalypse” als Symbolwort dafür, dass die Zeit der Homöopathie im Gesundheitswesen schlicht abgelaufen ist.

Was ist der Unterschied zwischen der Tätigkeit des INH und der #Globukalypse-Website? Wie war ihr Entstehungsprozess?

„Die Globukalypse zielt ganz konkret auf Veränderungen im politischen, gesellschaftlichen, wissenschaftlichen, medizinfachlichen und ärztlichen Bereich ab.“ Udo Endruscheit
Die „Globukalypse“ ist sozusagen ein Projekt des INH mit einer besonderen, nach und nach in den Fokus gerückten Zielsetzung. Nach Jahren der – nicht erfolglosen – Aufklärung über die Fakten hinter der Homöopathie ist das Anstoßen realer Veränderungen ein weiteres Ziel, das wir jetzt mit der Globukalypse intensiver als bislang verfolgen. Die Globukalypse zielt ganz konkret auf Veränderungen im politischen, gesellschaftlichen, wissenschaftlichen, medizin-fachlichen und ärztlichen Bereich ab. Vor diesem Hintergrund hat das INH – als Personen Christian Lübbers und ich selbst – dieses Projekt gestartet. Die Konzeption gab es schon seit gut zwei Jahren. Unser Ausgangsproblem war, dass wir auf unseren Seiten des INH und des Familienprojekts “Susannchen braucht keine Globuli” schon umfangreiche Informationen für Menschen zusammengestellt hatten, die sich intensiver mit dem Homöopathie-Thema auseinandersetzen wollen. Einen klaren, gut kommunizierbaren Fokus auf die Handlungsbedarfe gab es dort nur im Hintergrund. Daraus wuchs der Gedanke, zu diesem Thema zusätzlich etwas zu schaffen, was kurz und knapp auch für Entscheidungsträger*innen in Politik und Gesundheitswesen schnell aufzunehmen ist. Die Entscheidung fiel zu Gunsten einer neuen Website. Die Hauptarbeit bestand darin, die notwendige Kürze und Prägnanz der Thesen und Begründungen herauszuarbeiten. In der Tat beschränkt sich die Globukalypse-Website auf lediglich eine Hauptseite und eine Unterseite, wo die Hintergründe des Themas nochmals aufgefächert werden, ergänzt um eine Timeline zum Thema Homöopathie-Kritik- Alles mit dem Ziel, konzentriert, auf den Punkt und in klaren Worten den Stand der Dinge und das, was wir für erforderlich halten, zu kommunizieren.

Forderungen der #Globukalypse

1. Keine Ausnahmen mehr im Arzneimittelgesetz, die es Homöopathika ermöglichen, den Arzneimittelstatus ohne wissenschaftlich fundierte Wirksamkeitsnachweise zu erlangen und damit den falschen Eindruck wirksamer Medizin in der Allgemeinheit zu erzeugen.
2. Gewährleistung von Beratung in Apotheken nach dem Stand der Wissenschaft und Wegfall der irreführenden Apothekenpflicht für Homöopathika.
3. Keine falschen Signale mehr durch eine Erstattung für Homöopathie durch gesetzliche Krankenkassen, gleich ob als Regel- oder als Satzungsleistung oder über Sondervereinbarungen für Therapieleistungen.
4. Öffentliche gesundheitliche Aufklärung zu Mitteln und Methoden ohne wissenschaftliche Evidenz als Teil eines insgesamt besseren Verbraucherschutzes im Bereich von Medizin und Gesundheit.

Zu ihrer Zielgruppe gehören verschiedene Interessenvertreter*innen. Zum einen sind da die Patient*innen, zum anderen auch Entscheidungsträger*innen in der Politik. Welche Kommunikationskanäle nutzen Sie, um diese zu erreichen?

Unsere Websites sind der Kern unseres Gesamtprojektes. Wir sind aber natürlich auch auf den sozialen Medien aktiv, zum Beispiel bei Facebook. Dort haben wir alleine für unsere Familienseite über 12.000 Follower*innen.
Die Zahl der Zugriffe auf die Website, wenn ich unsere alte Website, die von 2016 bis 2019 lief, noch mit dazurechne, geht schon auf die zwei Millionen. Bei unserer Susannchen Website, die viel später gestartet ist, liegen wir auch schon bei gut einer halben Millionen Zugriffen.
Zusätzlich kommunizieren wir auch viel über Mail. Wir kriegen ständig interessante Anfragen, zu denen wir im Rahmen unserer Kompetenz gern Stellung nehmen, aber selbstverständlich auch Kritik. Es gibt natürlich auch Leute, die gar nicht mit unseren Aktivitäten einverstanden sind, aber genau die wollen wir ja auch erreichen. Wir haben uns deshalb seinerzeit sehr bewusst entschieden, unsere Vereinigung nicht “Kritisches Netzwerk Homöopathie” oder ähnlich zu nennen, sondern einfach Informationsnetzwerk Homöopathie. Schließlich ging es uns nicht um die Installation einer Filterblase mit bereits Überzeugten, die schon mit ihrem Namen von vornherein Anhänger der Homöopathie abschreckt. Wir wollen ja durchaus Menschen erreichen, die der Homöopathie positiv gegenüberstehen und auf der Suche nach Informationen zum Thema sind. Wir haben uns 2019 beim Relaunch der Seite zusätzlich dazu entschieden, die Seite ergänzend komplett in englischer Sprache abzubilden. Das hat uns eine gewisse internationale Reichweite und auch einen entsprechenden Bekanntheitsgrad z.B. in den USA, verschafft.

Es gab letztes Jahr viel öffentliche Diskussion zum Thema. Unter anderem hat Mai Thi Nyugen-Kim das Thema mit der Entwicklung ihres HomöopaTEAs aufgegriffen. Wie haben Sie persönlich den öffentlichen Diskurs in den letzten Jahren erlebt? Was wurde schon erreicht und was muss ihrer Meinung nach noch erreicht werden?

„Wir stehen gerade an einer Schwelle, die wir aus eigener Kraft auch mit Aufklärungsarbeit und dergleichen nicht überwinden können.“ Udo Endruscheit
Von dem “HomöopaTea” habe ich sogar noch eine Flasche hier stehen. Aber um auf die Frage zurückzukommen: Wir stehen gerade an einer Schwelle, die wir aus eigener Kraft auch mit Aufklärungsarbeit und dergleichen nicht überwinden können. Wenn wir den Gesetzgeber und die großen Player im Gesundheitswesen nicht auf unsere Seite bekommen, dann dringen wir nicht zum eigentlichen Problem durch. Nämlich zur gesetzlichen Verankerung von Esoterik und Aberglauben in Form der Privilegierung von Homöopathie im Gesetz. Diese Privilegierung war 1976 mit der Verabschiedung des Arzneimittelgesetzes, das dann 1978 in Kraft trat, sicherlich eine Fehlentscheidung, die auf intensiven Lobbyismus und letztlich Unklarheit und Unwissen zurückzuführen ist. Wir müssen die Gesetzgeber*innen und Entscheidungsträger*innen hier deutlich motivieren, auch im Hinblick auf das bislang nie wirklich gesehene Schadenpotenzial von Scheintherapien, auf das wir auf der Globukalypse-Website ja auch ausdrücklich eingehen. Das geschieht durchaus auch schon. Immerhin haben wir den amtierenden Gesundheitsminister, Herrn Lauterbach, explizit auf unserer Seite.
Im vorherigen Jahr gab es insofern eine Art Durchbruch für unser Anliegen, als dass die Bundesärztekammer endlich die Muster Weiterbildungsordnung, also die Empfehlungen an die Landesärztekammern für die ärztliche Weiterbildung, berichtigt hat. Nachdem schon 2018 bei ihrer letzten Tagung ein Versuch zu entsprechender Intervention noch ins Leere gelaufen war, begannen 2019 die Landesärztekammern von sich aus, die Homöopathie aus ihren Weiterbildungsordnungen zu streichen. 2021 geschah das auch in Bayern, was durch die starke Verankerung der Homöopathie im süddeutschen Raum nicht unbedingt zu erwarten war. Jetzt ist sie nur noch vereinzelt in den Weiterbildungsordnungen vertreten, zum Beispiel trotz entsprechenden Beschlusses der Ärztekammer in Baden-Württemberg, wo die politische Auseinandersetzung darüber momentan aus unserer Sicht noch eine riesige Baustelle darstellt. Schließlich hat im Mai 2022 die Bundesärztekammer auf Initiative der Bremer Landesärzteschaft mit großer Mehrheit den Beschluss gefasst, die Homöopathie aus der Muster-Weiterbildungsordnung zu kippen. Dies geschah mit der Begründung, dass es für eine Präsenz von Homöopathie in der ärztlichen Weiterbildung keine wissenschaftliche Basis gibt. Das ist ein klares Statement der organisierten Ärzteschaft, ein Meilenstein, führt man sich die Situation noch vor wenigen Jahren vor Augen. Man muss natürlich dazu sagen, dass Homöopathie. nicht verschwinden wird. Das muss sie ja auch gar nicht, aber sie hat im Gesundheitssystem und im Arzneimittelrecht nichts zu suchen. Auf dieses Ziel fokussieren wir uns – vor allem mit dem Projekt Globukalypse.
„Man muss natürlich dazu sagen, dass Homöopathie nicht verschwinden wird. Das muss sie ja auch gar nicht, aber sie hat im Gesundheitssystem und im Arzneimittelrecht nichts zu suchen.“ Udo Endruscheit

Natürlich schreiben wir uns (dem INH) nicht zu, die alleinige Ursache für diese Entwicklungen in den letzten Jahren zu sein. Wir zweifeln aber nicht daran, dass wir mit unserer bisherigen Kommunikationsstrategie „in die Breite“ hierzu einen Beitrag geleistet zu haben. Zukünftig sehen wir natürlich weiterhin unsere Aufgabe in der klassischen Kommunikation: dem Erklären, dem Verdeutlichen, dem Anbieten von Informationen. Hinzu ist nun noch das Projekt #Globukalypse mit der neuen Website getreten, die als eine Art kommunikative „Speerspitze“ fungieren soll.