Grafik: Wissenschaft im Dialog

„Das Vertrauen ist hart verdient“

Wie sehr vertrauen Bürger*innen in Deutschland in Wissenschaft und Forschung? Wie stehen sie zu wissenschaftsbasierter Politikberatung? Zahlen dazu liefert das aktuelle Wissenschaftsbarometer, das heute erschienen ist. Wir haben Politiker*innen des Bundestags um Ihre Einschätzung zu den Ergebnissen gebeten.

Die Ergebnisse des Wissenschaftsbarometers 2021 von Wissenschaft im Dialog* gibt es hier.

 

Oliver Kaczmarek ist seit 2009 Mitglied im Deutschen Bundestag und der bildungs- und forschungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion.

Foto: Photothec

Das gewachsene Vertrauen in die Wissenschaft während der Pandemie ist unverzichtbarer Teil eines stabilen Fundaments für eine funktionierende Demokratie. Wissenschaft hilft uns, die großen Herausforderungen unserer Zeit zu bewältigen. Die Fähigkeit komplizierte Sachverhalte so darzustellen, dass sie in weiten Teilen der Bevölkerung verstanden werden, ist für den Erfolg von Wissenschaft genauso wichtig wie die Forschung selbst.

„Die Fähigkeit komplizierte Sachverhalte so darzustellen, dass sie in weiten Teilen der Bevölkerung verstanden werden, ist für den Erfolg von Wissenschaft genauso wichtig wie die Forschung selbst.“ Oliver Kaczmarek
Deshalb ist für die SPD-Fraktion die Stärkung der Wissenschaftskommunikation der richtige Weg. Wir wollen, dass Forschungsergebnisse zum Wohle der Menschen in der Gesellschaft ankommen. Hierzu müssen Wissenschaft und Forschung ihren Beitrag entlang klarer Ziele und Missionen leisten.

 

 

 


Stephan Albani, CDU ist seit 2013 Mitglied im Deutschen Bundestag und Mitglied im Ausschuss für Bildung Forschung und Technikfolgenabschätzung.

Foto: Deutscher Bundestag

Das Wissenschaftsbarometer zeigt, dass durch die Corona-Pandemie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verstärkt ins Rampenlicht gerückt sind und dass das Vertrauen der Gesellschaft in sie gestiegen ist. Dieser Trend setzt sich – etwas abgeschwächt – fort. Erfreulich ist aus meiner Sicht, dass vor allem die 14 bis 39-Jährigen ein besonders hohes Vertrauen in die Wissenschaft zeigen. Von einer Wissenschaftsfeindlichkeit ist in dieser Generation nichts zu spüren.

Ebenso erfreulich ist die große Akzeptanz einer Unterstützung für Wissenschaft und Innovation durch öffentliche Gelder. Selbst bei der Notwendigkeit genereller Sparmaßnahmen ist die Mehrheit dafür, nicht bei Wissenschaft und Forschung zu kürzen. Klimawandel, Energiewende, medizinischer Fortschritt, Verkehrswende sowie nachhaltige Lebensmittelversorgung: Wissenschaft, Forschung und Innovation können die Lösung für die drängenden Probleme unserer Zeit schaffen.

„Als Forschungspolitiker schmerzt mich der Vertrauensverlust in die Aussagen der Politik sehr.“ Stephan Albani
Kein Politikfeld verzeichnet seit 2005 einen höheren Mittelzuwachs. Der Wissenschaftsstandort Deutschland ist in der globalisierten Welt, in der Wissen als einer der wichtigsten „Rohstoffe“ gilt, gut aufgestellt. Dies wird auch von der Mehrheit der Befragten anerkannt.
Als Forschungspolitiker schmerzt mich der Vertrauensverlust in die Aussagen der Politik sehr. Hier zeigt sich, dass der wissenschaftliche Diskurs über die Interpretation von Erkenntnissen nicht 1:1 in eine politische Auseinandersetzung münden darf. Hier ist mehr Klarheit anzumahnen. Daraus ergibt sich eine gewaltige Aufgabe für die Politik, dieses verlorene Vertrauen wieder gut zu machen.

 


Anna Christmann ist seit 2017 Mitglied im Deutschen Bundestag und war dort in der 19. Wahlperiode Sprecherin für Innovationen & Technologie der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Foto: Deutscher Bundestag/Inga Haar

Eine deutliche Mehrheit der Deutschen vertraut der Wissenschaft, denn sie wissen um den Wert unabhängiger und glaubwürdiger Forschung. Das macht Mut, denn die
großen Krisen unserer Zeit werden wir nur mit den klugen Innovationen aus der Wissenschaft lösen können.
Eine verlässlich finanzierte Wissenschaft bildet dafür die Grundlage. Es ist eine wichtige Unterstützung aus der Gesellschaft, dass sich eine klare Mehrheit der Bevölkerung wünscht, dass die Mittel für die Wissenschaft hoch bleiben.

„Gute Wissenschaftskommunikation braucht aber auch bessere Rahmenbedingungen für die Forschenden, diese Aufgabe zu stemmen.“ Anna Christmann
Wissenschaftspolitik steht nicht immer auf der ersten Seite der Zeitung, umso höher ist die positive Stimmung für einen starken Forschungsstandort einzuschätzen. Viele Menschen wünschen sich zugleich mehr öffentliche Kommunikation durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Wir müssen weiter daran arbeiten, dass sich die gesamte Gesellschaft von der Begeisterung über neue Forschungserkenntnisse anstecken lassen kann und die Arbeitsweise der Wissenschaft noch transparenter wird. Gute  Wissenschaftskommunikation braucht aber auch bessere Rahmenbedingungen für die Forschenden, diese Aufgabe zu stemmen. Nach vier Jahren Analyse, steht jetzt endlich die Zeit der Umsetzung an.

 


Foto: Thomas Sattelberger

Thomas Sattelberger ist Fraktionssprecher der FDP für Innovation, Bildung und Forschung im Bundestag.

Das Thema Wissenschaftskommunikation gewinnt spürbar an Bedeutung; nicht erst seit Corona und nicht nur in bildungsbürgerlichen Zirkeln. Sondern auch für all jene, die Wissenschaft aus den verschiedensten Gründen apathisch oder avers gegenüberstehen. Kontroversen über (alternative) Fakten verdeutlichen: es trägt zur Stabilität einer Demokratie bei, wenn möglichst viele ihrer Bürgerinnen und Bürger Forschungsergebnisse einordnen können. Wissenschaftler sollten das Pandemie-Momentum jetzt nutzen, um ihre Arbeit zu erklären und darzustellen.

„Corona wird nicht die letzte Krise gewesen sein. Damit Wissenschaft auch künftig mit Autorität auftreten kann, muss sie jetzt Initiative ergreifen.“ Thomas Sattelberger
Immer wichtiger werden dabei neben klassischer Pressearbeit Social-Media-Kanäle. Auch hier muss es gelingen, neue Erkenntnisse allgemeinverständlich auf den Punkt zu bringen und Neugier auf eine Wissenschaft zu wecken, deren Erkenntnisgewinn nie absolut ist und nie endet. Gerade dass Forschung immer wieder zu Überraschungen und temporären Widersprüchen führt, macht sie glaubhaft. Erst recht in Zeiten, in denen kritische Nachfragen nicht nur von seriöser Seite kommen, sondern in denen Verschwörungsideologen auf völlig unsachlicher Grundlage Zweifel anmelden: wir müssen jetzt alles daran setzen, den Austausch zwischen Laien und Experten, Interessierten und Desinteressierten, Jungen und Alten als Grundpfeiler unserer pluralistischen Demokratie mit neuem Leben zu füllen. Corona wird nicht die letzte Krise gewesen sein. Damit Wissenschaft auch künftig mit Autorität auftreten kann, muss sie jetzt Initiative ergreifen.

 


Foto: DBT/Achim Melde

Marc Jongen, AfD,  ist seit 2017 Mitglied des Deutschen Bundestages und war in der 19. Wahlperiode Ordentliches Mitglied des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.

Das Wissenschaftsbarometer 2021 zeigt, dass das Internet dem Fernsehen den Rang als am häufigsten genutztes Medium für Informationen über Wissenschaft und Forschung abgelaufen hat. Dieser Befund verdeutlicht die Wichtigkeit, einen breiten und offenen Diskurs zu wissenschaftlichen Fragestellungen auch und gerade im Internet zu ermöglichen. Löschungen von Meinungsäußerungen, wie unlängst im Fall der Künstleraktion #allesaufdentisch durch YouTube, verengen die gesellschaftliche Debatte und können Fehlentscheidungen herbeiführen. Damit ein freier Informationsfluss tatsächlich gelingen kann, muss die Politik stärker gegen große Plattformbetreiber vorgehen, die ihre Monopolstellung für fragwürdige Zensurmaßnahmen nutzen. Im Moment werden sie von der Regierung dazu sogar noch ermuntert.

„Die Mehrheit der Befragten im Wissenschaftsbarometer hat zudem nur eine vage Vorstellung vom Einfluss wissenschaftlicher Politikberatung auf politische Entscheidungen.“ Marc Jongen
Die Mehrheit der Befragten im Wissenschaftsbarometer hat zudem nur eine vage Vorstellung vom Einfluss wissenschaftlicher Politikberatung auf politische Entscheidungen. Das bestätigt unsere Kritik an der Rolle und der Auswahl wissenschaftlicher Politikberater in der Corona-Politik der Bundesregierung. Intransparente Auswahlprozesse statteten wenige Personen beinahe mit Unfehlbarkeitsstatus aus, abweichende Argumente wurden nicht mehr gehört. Der deutliche Rückgang des Vertrauens der Befragten in die Aussagen von Politikern und Behördenvertretern zum Corona-Infektionsgeschehen kann daher kaum überraschen. Das muss sich dringend ändern zugunsten von transparenter Information über ein breites wissenschaftliches Meinungsspektrum.

 


Foto: Petra Sitte/Wikimedia Commons

Petra Sitte ist stellvertretende Fraktionsvorsitzende DIE LINKE und seit 2005 Mitglied des Deutschen Bundestages.  In der 19. Wahlperiode war sie Ordentliches Mitglied des Ausschusses für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung.

Wissenschaftler:innen genießen das Vertrauen der Mehrheit der Menschen in unserem Land. Dieses Vertrauen ist hart verdient, gerade im Verlauf der Covid-Pandemie. Wissenschaft lebt vom Disput, vom Entdecken und Überprüfen und immer wieder vom Verwerfen neuer Erkenntnisse. Diese Offenheit der Forschung fällt manchen Menschen schwer zu ertragen.Wir alle sind gefordert zu erklären und konkret zu zeigen, dass die Arbeit, die Methoden und die Institutionen der Wissenschaft allen Auseinandersetzungen zum Trotz vertrauenswürdig sind. Dem weit verbreiteten Wunsch, dass politische Entscheidungen sich an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren mögen, sollten sich Parlament und Regierung zu eigen machen.

„Wir müssen weiter daran arbeiten, auch jenes Drittel, das sich unentschieden oder gleichgültig gegenüber dem Wahrheitsgehalt von Wissenschaft zeigt, für seriöse (...) Wissenschaft zu begeistern.“ Petra Sitte
In der Pandemie haben Epidemiolog:innen und Ärzt:innen großes Engagement gezeigt und leider sogar Mut aufbringen müssen, um gegen Falschinformationen, Verdächtigungen und Drohungen ihre Einsichten und Empfehlungen öffentlich zu äußern. Dafür gebührt ihnen unser Dank. Wir müssen weiter daran arbeiten, auch jenes Drittel, das sich unentschieden oder gleichgültig gegenüber dem Wahrheitsgehalt von Wissenschaft zeigt, für seriöse, durch Peer-Review gesicherte Wissenschaft zu begeistern und ihre Filterblasen zu öffnen.
Dafür ist wichtig, den Hauptgrund anzugehen, warum Wissenschaft nicht mehr vertraut wird: die oft berechtigten Zweifel, ob sie dem Gemeinwohl dient oder Partikularinteressen. Wissenschaft gedeiht, wo Forschung frei von Vorgaben und Finanzierungszwängen an Fragen und Lösungen arbeiten kann, die dem Gemeinwesen insgesamt zugutekommen.

 


Wir haben für diesen Beitrag Statements bei allen im Bundestag vertretenen Parteien angefragt.

*Wissenschaft im Dialog ist einer der drei Träger des Portals Wissenschaftskommunikation.de.

 


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