Foto: CoLab

CoLab: Scivival in Zeiten von Corona

Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen, selbst zu forschen, Wissenschaft durch eigene Versuche zu erleben – das möchte das Community Lab, kurz: CoLab. Im Gastbeitrag berichtet das Team aus Kassel von ihrem Weg von der Idee zum Aufbau des Projekts und wie Corona sie zum Umplanen zwang.

Alles begann mit einer Idee, die so wahnsinnig schien, dass sie lange Zeit auch nur Idee blieb: Eine Plattform zu schaffen, mit der Bürgerinnen und Bürger unabhängig jeglichen Hintergrunds Zugang zu wissenschaftlicher Forschung erhalten können.

Mit dieser Idee wandte sich Özge an Tobi, der bereits Erfahrungen im Bereich der außerschulischen, naturwissenschaftlichen Schulbildung hatte. Gemeinsam überlegten sie, was für sie selber bei einer solchen Plattform wichtig wäre. Für Özge war die Möglichkeit zum freien Experimentieren sehr wichtig, ebenso, dass Laborgeräte aus Alltagsgegenständen gebaut werden können. Denn selber etwas auszuprobieren und zu bauen bleibt einem als Erfahrung einfach länger im Gedächtnis!

Özge und Tobias von CoLab versuchen die Versuche natürlich auch selbst. Foto: CoLab

Für Tobi stand vor allem der Showeffekt im Vordergrund: Er wollte Bühnen bauen, auf denen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ihre Forschung vorstellen und ihre Freude daran vermitteln können. Aber dies nicht nur auf bereits bekannten Wegen, sondern auch durch neue innovative Formate und an vielleicht im ersten Moment verrückten und unpassend wirkenden Orten.

Es entstand schließlich die erste Skizze vom Communitylabor „CoLab“ mit zunächst zwei Säulen: dem freien Experimentieren und Events.

Doch da es sich mit leerem Magen nicht gut Forschen lässt, kam schnell die Idee für die dritte Säule von CoLab: Ein Gastronomiebereich, bei dem es natürlich nicht nur um Essen, sondern auch um Naturwissenschaft geht: Wie wäre es nach einem langen Labortag etwa mit einem Heisenberg-Cocktail an der Bar oder einer Petrischale schokolierter Insekten als kleinen Snack?

Partnersuche, Wettbewerbe, neue Teammitglieder

Natürlich wussten wir, dass wir nicht von Beginn an die finanziellen Mittel haben würden, die man zur Finanzierung eigener Räumlichkeiten bräuchte. Also entschieden wir uns, vor Ort nach einer Initiative zu suchen, deren Räumlichkeiten wir mitbenutzen könnten und die den Communitygedanken mit uns teilte. Einen wundervollen Partner konnten wir dann in der offenen Werkstatt „Hammertime“ finden, welche selbst als gemeinnütziges Projekt Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeit bietet, kleine Arbeiten in einer Werkstatt unter Aufsicht durchzuführen. Die Betreiberinnen und Betreiber von Hammertime waren von Beginn an begeistert von unserer Idee und unterstützen uns bis heute mit der Bereitstellung von Lagerplatz.

Wir wollten nun einen Schritt weitergehen und entschieden uns, am Gründerwettbewerb „Unikat“ der Universität Kassel teilzunehmen und fanden uns das erste Mal in der Situation wieder, unsere Idee ausformulieren zu müssen – auf begrenztem Platz und leicht verständlich. Am Ende umfasste unsere Projektskizze zum Wettbewerbsstart drei DIN A4-Seiten: Und das war eine ganze Zeit lang auch alles, was wir zu Papier brachten.

Parallel dazu starteten wir auch verschiedene Social-Media-Accounts, um dort vorab eine Community aufzubauen. Dies erwies sich mangels Content als äußerst schwierig, doch zu unserer großen Überraschung eröffneten sich auf diese Weise ganz andere Möglichkeiten: Über die Nachrichtenfunktion von Instagram hatten wir verschiedene Unternehmen, die Laborwaren herstellen oder diese vertreiben, mit unserer Idee angeschrieben. Das Feedback war überwältigend und wir bekamen viel Lob und auch erste Unterstützungen in Form von Sachspenden. Eine Firma unterstützte uns sogar mit zwei Paletten voller Verbrauchsmaterialien und Geräten. Und auch kam zu dieser Zeit unser erstes Teammitglied mit ins Boot – Nina.

Wettbewerbe, die Zweite

Leider konnten wir nicht in das Finale des „Unikat“ Ideenwettbewerbes einziehen, doch ergab sich die Chance, unser Konzept auf der Abschlussveranstaltung der „Communication School“ der Universität Kassel vorzustellen. Zusätzlich erhielten wir die Möglichkeit, einen Programmpunkt zu gestalten: Wir nutzten dies, um unser Konzept des Science Quiz zu erproben. Dabei wurden dem Publikum verschiedene Mythen der Wissenschaft vorgestellt. Interaktiv konnte es dann sein Wissen unter Beweis stellen und abstimmen, ob der jeweilige Mythos wahr oder falsch ist. An diesem Abend wurden wir auch von bekannten Wissenschaftskommunikatoren, wie Martin Moder, Sascha Vogel und Nicolas Wöhrl mit Videobotschaften unterstützt. Zu dieser Zeit stieß auch Gianna zum Team hinzu, der Organisatorin der Science Night.

Full house beim Science Quiz in Kassel. Foto: CoLab

Niedergeschlagen vom Ergebnis des Unikat-Ideenwettbewerbes entschieden wir uns, am Auswahlverfahren für den „Hochschulwettbewerb“ 2020/21 von „Wissenschaft im Dialog“ teilzunehmen. Von da an ging alles sehr schnell: Wir wurden als eines der 15 Gewinnerteams ausgewählt und erhielten eine Förderung in Höhe von 10.000 Euro. Kurz darauf nahmen wir am „Raiffeisen Ideenwettbewerb“ teil und gewannen den ersten Preis, welcher mit 3.000 Euro dotiert war.

Aus unserer verrückten Idee wuchs überraschend schnell ein vorzeigbares Projekt heran. Die Wettbewerbe haben uns wirklich vorangebracht.

Pläne, Pläne … und Corona

Wir hatten so viel für das Jahr 2020 geplant: Wir wollten Veranstaltungen organisieren, eine Eröffnungsfeier ausrichten und Kassel als neuen Standort für Wissenschaftskommunikationsevents etablieren – doch dann kam Corona. Wie in so vielen Bereichen hat die Pandemie und die damit einhergehenden Kontaktbeschränkungen auch unsere Pläne und Vorbereitungen über den Haufen geworfen. Allerdings hat die Pandemie auch gezeigt, wieso Wissenschaftskommunikation so wichtig ist (Stichwort: Christian Drosten). Aus diesem Grund haben wir nicht einfach aufgegeben, sondern nach einem Weg gesucht, Wissenschaft den Bürgerinnen und Bürgern direkt nach Hause zu kommunizieren und unsere Ideen trotz der gegebenen Situation umsetzen zu können – wenn auch nur teilweise: Wir entwickelten die Scivival-Kits. Das Wort Scivival setzt sich zusammen aus ,Science‘ und ,Survival‘ und soll verdeutlichen, dass mit Wissenschaft auch das physical distancing überlebbar ist. Man muss sich zu Hause nicht zu Tode langweilen, sondern kann die Zeit nutzen, um selbst wissenschaftliches Experimentieren auszuprobieren und sich weiterzubilden.

Die Scivival-Kits sind Experimentierboxen für zuhause. Sie konnten im Rahmen des Hochschulwettbewerbs kostenlos bestellt werden. Die erste Auflage umfasste alles, was man zum eigenen Experimentieren mit DIY-Bioplastik braucht. Ein Kit besteht aus 400g Speisestärke, 388ml Essigessenz, 150g Rindergelatine, 200g Glycerin, ein Stück Baumwollstoff, ein Messbecher mit 30ml, einer Flasche Lebensmittelfarbe, einer Anleitung als Booklet sowie Videoanleitungen auf unserem Youtube-Kanal.

Eines der begehrten Scivival-Kits. Foto: CoLab

Die Experimente ermöglichen es den Bürgerinnen und Bürgern drei verschiedene Sorten Bioplastik selbst herzustellen: eine Plastikfolie aus Stärke, ein marshmallowartiges Plastik aus Rindergelatine und ein Plastik, welches man in Formen gießen kann, aus Milchprotein. Durch die verschiedenen Varianten und die im Kit enthaltenen Materialien besteht die Möglichkeit, die Rezepturen zu verändern und so den Einfluss verschiedener Inhaltsstoffe auf das Endprodukt zu untersuchen.

Die Idee der Scivival-Kits ist es, das Verständnis für wissenschaftliches Arbeiten zu stärken, indem die Bürgerinnen und Bürger selbst tätig werden: Denn durch das Ausprobieren lernt man am besten.

Die 75 Kits waren innerhalb von zwei Tagen vergriffen und wurden deutschlandweit, aber auch nach Polen und Österreich, verschickt. Für den weiteren Projektverlauf ist eine zweite Auflage von 75 Kits zu einem weiteren bioökonomischen Thema geplant.

2021: Endlich vor Ort starten

Noch in diesem Jahr soll außerdem ein gemeinnütziger Verein gegründet werden, um CoLab auch außerhalb des Hochschulwettbewerbs starten zu können. Die Eröffnung des Communitylabors und erste Veranstaltungen wie Vorträge oder Experimentierworkshops sind für das kommende Jahr in Kassel geplant.

Auch heute noch ist uns sehr bewusst, dass viele weitere Schritte notwendig sein werden, um CoLab zu dem zu machen, was wir uns zu Beginn vorgestellt haben. Doch die Idee festigte sich über die Zeit und es hat sich gezeigt, dass sie einen Nerv trifft: Es gibt viele Bürgerinnen und Bürger, die großes Interesse an einem solchen Ort haben, an dem sie sich niederschwellig mit den wissenschaftlichen Themen auseinander setzten können, die sie selber interessieren. Und obwohl wir alle das Projekt nur in unserer Freizeit machen, finden alle Teammitglieder trotzdem noch Energie, die gemeinsame Vision eines Communitylabors weiter voranzutreiben und zu verwirklichen.

 

Aktuelle Informationen finden sich jederzeit auf unserer Homepage oder auf unseren Social-Media-Kanälen: Facebook, Twitter, Linkedin, Youtube

 


Projektsteckbrief

Da sich CoLab noch im Aufbau befindet, gehen wir im Projektsteckbrief auf die Scivival-Kits genauer ein.

Träger: Zurzeit besteht CoLab aus vier begeisterten jungen Menschen, die ihre Idee ausbauen möchten. Die Trägerschaft für die Projektteile während des Hochschulwettbewerbs hat die Abteilung Biochemie der Universität Kassel unter der Leitung von Prof. Dr. Herberg übernommen.

Budget/Finanzierung: Das Preisgeld des Hochschulwettbewerbs betrug 10.000 Euro. Für die erste Auflage der Scivival-Kits wurden ca. 1.750 Euro ausgegeben. Dadurch konnte die Bestellung der Scivival-Kits für die Bürgerinnen und Bürger kostenlos angeboten werden.

Ziele: Durch die Scivival-Kits soll den Bürgerinnen und Bürgern wissenschaftliches Arbeiten vermittelt werden. Wir hoffen, dass Experimente einen leichten Einstieg bieten und durch die Begleitung auf Social Media eine Anregung geschaffen wird, sich mit Fragen und den erzielten Ergebnissen bei uns zu melden, um in einen Dialog über die Experimente zu treten.

Zielgruppen: Die Zielgruppe schließt alle Bürgerinnen und Bürger ein, die sich mit wissenschaftlichem Arbeiten auf einem niederschwelligen Niveau beschäftigen möchten. Spaß an Neuem, am Experimentieren und an bioökonomischen Plastikalternativen waren Punkte, die mit dem ersten Kit angesprochen wurden.

Zahlen zur Zielerreichung: Die erste Auflage der Scivival-Kits betrug 75 Kits und sie war innerhalb von zwei Tagen vergriffen. Die Kits konnten online bestellt werden und wurden postalisch versendet.


 

Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der Redaktion wider.