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„Auf YouTube können sich alle einigen”

Ist YouTube die ideale Plattform für Wissenschaftskommunikation? Seit Juli 2021 bespielt die TU Dresden zwei neue YouTube Kanäle mit unterschiedlichen Formaten. Ein Gespräch mit dem Kommunikationsmanager Karl Jeremias Donath über den Inhalt der Kanäle, zukünftige Themen und persönliche Lieblingsmomente des letzten Jahres.

Herr Donath, Sie sind als Kommunikationsmanager Teil des Presseteams der TU Dresden. Zu ihrem Arbeitsalltag gehört unter anderem auch die Co-Moderation des YouTube-Kanals „TU Dresden entdecken“. Was steckt dahinter?

Karl Jeremias Donath ist Kommunikationsmanager. Seit 2020 ist er an der Technischen Universität Dresden im Bereich Social Media, Bewegtbildproduktion und Social-Media-Evaluation tätig. Bereits während seines Studiums der Angewandten Medienforschung war er als Studentische Hilfskraft an der Pressestelle der TU Dresden beschäftigt. Foto: Philipp Schulze

Wir haben uns als Universität schon immer Gedanken darüber gemacht, wie wir Videocontent nutzen können, um Wissenschaftskommunikation zu betreiben und dadurch möglichst viele verschiedene Zielgruppen zu erreichen. Wir haben festgestellt, dass das, was wir bisher auf unserem ursprünglichen YouTube-Kanal „TU Dresden“ gemacht haben, nicht wirklich zielgerichtet war. Deswegen haben wir uns ein neues Konzept überlegt. Zwei Kanäle, „TU Dresden entdecken“, für eine ältere Zielgruppe,  und „TU Dresden probieren“, für eine jüngere Zielgruppe wie etwa Studierende und Studieninteressierte. Beide Kanäle bespielen wir mit wiederkehrenden Formaten.

Wir sind im Sommer 2020 in die Konzeption dieser Kanäle eingestiegen. Anfangs wurde überlegt, was unsere unterschiedlichen Zielgruppen sind, wen wir potentiell wie erreichen und welche Videoformate interessant sein könnten. So sind drei der Formate des „TU Dresden entdecken“-Kanals entstanden: die „Sitzgelegenheit“, die „Gute Frage“ und das Format „Auf Arbeit mit …“.

Was charakterisiert diese unterschiedlichen Formate?

Die „Gute Frage“ ist unser Wissenschaftskommunikationsformat, das sich an eine an Wissenschaft interessierte, breitere Öffentlichkeit – im Grunde das MaiLab-Publikum – richtet. In Form einer rund 20-minütigen Reportage, die ich im Wechsel mit einer Kollegin moderiere, wollen wir ein wissenschaftliches Thema aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchten. Die „Sitzgelegenheit“ ist als ein lockeres Interviewformat gestaltet. Das ist ein bisschen an „Dumm gefragt“ von 1LIVE angelehnt. Bei „Auf Arbeit mit“ geht es primär darum, zum Beispiel interessierten Dresdener*innen oder Angehörigen der Universität die Möglichkeit zu bieten, mal in den Arbeitsalltag ihrer Kolleg*innen aus anderen Bereichen reinzuschnuppern. Da begleiten wir einen Tag lang eine Person bei ihrer Arbeit.

Wie gut wird das Projekt angenommen? Was für Feedback gab es bisher?

Das erste Video wurde im Juli 2021 veröffentlicht. Seitdem haben wir über 100.000 Aufrufe und 800 Abonnent*innen gesammelt. Wahrscheinlich hätten wir uns gewünscht, dass es noch ein bisschen schneller geht. Auf der einen Seite merken wir, dass es Videos gibt, die super gut funktionieren und die auch wesentlich mehr Personen erreichen als uns abonniert haben. Auf der anderen Seite gibt es auch wieder Videos, wo wir feststellen, dass das scheinbar nicht die Zielgruppe gefunden hat, die wir uns gewünscht haben. Grundsätzlich sind wir aber sehr zufrieden und wir bekommen auch viel positives Feedback zu unseren Kanälen. Zusammenfassend hat sich herausgestellt, dass YouTube uns eine tolle Möglichkeit bietet, Storytelling in der Wissenschaftskommunikation zu betreiben.

Storytelling

Der Begriff des „Storytelling“ beschreibt das Erzählen von Geschichten. Dieser wird in den Kommunikationswissenschaften in unterschiedlichen Zusammenhängen genutzt, von journalistischen bis zu transmedialen, narrativen Kontexten. Im journalistischen Kontext dient Storytelling vor allem zur besseren Vermittlung komplexer Sachverhalte. So hat beispielsweise eine Reihe von Experimenten der Universität Stanford gezeigt, dass wir uns Fakten, die über Storys vermittelt werden, deutlich besser merken können als trockene Fakten.

Gibt es ein Format, welches besonders gut zu funktionieren scheint, oder ein bestimmtes Video, welches sehr gut angenommen wurde?

Es gibt da ein gutes Beispiel bei dem Format der „Guten Frage“. Die „Gute Frage“ hat immer das Ziel, ein Thema zu adressieren, was gesellschaftliche Relevanz hat und auch ein bisschen zukunftsgerichtet ist. Wir haben ein Video zum Thema Atomenergie aus einer sehr wissenschaftlichen Perspektive, welches während der Debatte über Atomenergie im Frühjahr veröffentlicht wurde. Inhaltlich geht es darum, was wir über Reaktorsicherheit wissen und wie weit wir beim Thema Endlagersuche sind. Unter diesem Video gab es dann extrem viel Diskussion. Größtenteils sachlich.

Diese Diskussionsbereitschaft freut uns grundsätzlich immer und wir moderieren das dann auch manchmal, um zu gucken, in welche Bahnen man die Debatte lenken kann. Diese Art der Diskussion passiert im Regelfall öfter bei der „Guten Frage“ als bei den anderen Formaten.

„YouTube hat ein großes Potential, weil es eine der wenigen Social Media Plattformen ist, die scheinbar nicht out werden.“ Karl Jeremias Donath

Audiovisuelle Formate sind ein spezifischer Typ von Wissenschaftskommunikation. Warum haben Sie sich für YouTube als zentrale Plattform entschieden?

YouTube hat ein großes Potential, weil es eine der wenigen Social Media Plattformen ist, die scheinbar nicht out werden. Dort finden sich alle Zielgruppen wieder, während zum Beispiel bei anderen Kanälen, u.a. Facebook, bestimmte Zielgruppen gar nicht mehr erreicht werden, weil sie einfach nicht mehr dort unterwegs sind. Ich glaube, auf YouTube können sich alle einigen.

Zu den Videos gehört ja auch immer viel Planungsarbeit. Wie sieht der grobe Vorbereitungs-/ Planungsablauf eines dieser Videos aus?

Wir veröffentlichen ungefähr alle zehn Wochen eine „Gute Frage“. Das ist mit Abstand unser aufwendigstes Format. Es geht natürlich erstmal damit los, dass wir ungefähr ein halbes Jahr vorher wissen, welche Themen wir bespielen wollen. Wir sind ein Team aus zwei festangestellten Personen und ergänzend dazu haben wir eine relativ große Gruppe an Studierenden, die uns unterstützen. Manche kümmern sich nur um „TU Dresden probieren“, also den jüngeren Kanal. Und dann haben wir auch ein paar, die mich insbesondere bei der „Guten Frage“ unterstützen. Mit denen setzen wir uns zusammen, überlegen uns, welche Themen wir bespielen wollen. Was finden wir interessant? Welche Unterthemen gibt es?

Wir wollen möglichst die „Gute Frage“ aus verschiedenen wissenschaftlichen Perspektiven beleuchten. Sodass wir beispielsweise etwas aus den Geistes- und Sozialwissenschaften dabei haben, aber gleichzeitig auch aus den Ingenieurwissenschaften. Oft funktioniert das ganz gut, dass jedes Thema dadurch unterschiedliche Facetten bekommt. Nach der Fragenwahl überlegen wir uns, wer ein*e gute*r Expert*in sein könnte. Und dann geht es darum, diese Person zu kontaktieren, zu fragen, ob sie sich vorstellen könnten, mitzumachen. Es folgen das Schreiben der Moderation, der Dreh und die Postproduktion. Da liegt also eine ganze Menge Zeit zwischen der ersten Idee bis zum veröffentlichten Video.

Das Projekt läuft jetzt schon etwas über ein Jahr. Hatten Sie in dieser Zeit persönlich schon Lieblingsthemen oder Interviews, die Ihnen besonders im Gedächtnis geblieben sind?

Das Schöne an meiner Arbeit ist, dass man an einer Universität viel Abwechslung finden kann. An einer Universität wie der TU Dresden, die in allen Bereichen forscht und Wissenschaftler*innen in so vielen Feldern hat, gibt es immer etwas Neues zu lernen und sehen.

Meine Lieblingsmomente entstehen beim Format „Sitzgelegenheit“. Zuletzt haben wir eine Folge mit Philosoph*innen unserer Uni gedreht und da waren tolle Antworten zur Definition von Wahrheit oder zu ihrer Meinung über Richard David Precht dabei. Jede Folge der „Sitzgelegenheit“ macht mir persönlich einfach total Spaß. Ich stehe hinter der Kamera, stelle die Fragen und höre mir an was die Personen zu sagen haben. Und das ist meistens so vielfältig und unterschiedlich. Das ist mein heimliches Lieblingsformat unseres Kanals.