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Wissen schmeckt – Kochshow mit Forschenden

Bei Wissen schmeckt kocht Moderator Argang Ghadiri mit Gästen aus der Wissenschaft. Im Interview erzählt er, wie man Digitalisierung oder Sportökonomie in einer Kochsendung auf Youtube erklären kann.

Herr Ghadiri, was passiert bei Wissen schmeckt?

Als Moderator empfange ich in jeder der Youtube-Sendungen einen Gast aus der Wissenschaft, um gemeinsam zu kochen und ins Gespräch zu kommen. Es geht um die Darstellung von Wissenschaft in einem anderen Umfeld, dem gewohnten Ort der Küche, wo man über Wissenschaft vielleicht auf einer anderen Ebene sprechen kann. Hier sind die Gäste eben nicht die Professorin oder der Professor im Hörsaal, sondern einfach ein Mensch beim Kochen. Denn in der Küche sind am Ende alle gleich und Forschende kochen eben auch nur mit Wasser. Beim Essen redet man darüber hinaus natürlich über alles Mögliche und gerade nicht über das Essen selbst. Man könnte sagen, in der Küche kommt alles Soziale zusammen. Das kennt man vielleicht von Partys: Die coolsten finden ja bekanntermaßen in den Küchen statt …

Wie kam es dazu?

Argang Ghadiri studierte Betriebswirtschaftslehre und ist als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hochschule Bonn-Rhein-Sieg tätig. Als externer Doktorand am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre an der Universität Duisburg-Essen forscht er in den Bereichen Betriebliches Gesundheitsmanagement und Neuroökonomie. 2016 startete er das Projekt Wissen schmeckt und verbindet damit seither seine Leidenschaft für das Kochen mit jener für die Wissenschaften. Foto: Argang Ghadiri / Wissen schmeckt

Ich selbst habe mich schon immer für Wissenschaft interessiert und liebte Fernsehsendungen wie etwa die Hobbythek, die Knoff-Hoff-Show oder auch Alfredissimo. Später habe ich solche Sendungen und vor allem unterhaltsame Kochsendungen sehr vermisst. Mittlerweile forsche ich selbst in den Wirtschaftswissenschaften und habe schon mit allen möglichen anderen Disziplinen zu tun gehabt. Das ist immer unglaublich spannend. Also dachte ich mir: Das interessiert doch sicherlich nicht nur mich allein. Wie also könnte man diese beiden Leidenschaften miteinander kombinieren? Wie könnten Felder wie Geschäftsprozessmanagement oder Digitalisierung beim und mit dem Kochen erklärt werden? Das Ganze war erst mal eher eine Schnapsidee, am Ende aber habe ich sie weiterverfolgt und bin das Projekt mit Hilfe von Freunden einfach angefangen.

Wie hat sich das Projekt dann entwickelt?

Das Wichtigste war und ist Leidenschaft. Tatsächlich haben wir keinem Mitwirkendem etwas anderes zu bieten, als dabei zu sein und Spaß zu haben. Ich habe für das Projekt auch erst mal in meine eigenen Taschen greifen müssen und habe etwa mein Wohnzimmer geräumt und dort meine Showküche eingerichtet. Nach und nach habe ich mich dann getraut, Partner anzusprechen: Ob nun wegen benötigter Utensilien, für die Autorenakquise, die Produktion … Und so konnten wir auch die neue Staffel realisieren. Die erste Staffel haben wir noch mit zwei Handys und einer Kamera aufgenommen. Doch am Ende hatten wir dann dennoch etwas zum Vorzeigen und konnten so schließlich den Springer-Verlag, ein Produktionsteam und auch einige Produktsponsoren für Wissen schmeckt begeistern.

Wie arbeiten Sie mit dem Springer-Verlag zusammen?

Ich hatte bei Springer schon mehrere Bücher publiziert und bei einem Gespräch erwähnte ich ganz am Rande auch dieses Projekt. Die Lektorin hat sich unsere Seite angesehen und fand das spannend. Sie hat dann im Pool der bei Springer publizierenden Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nach Schlagwörtern und Titeln recherchiert und geschaut, wer als Gast passen könnte. Gemeinsam haben wir uns dann je den Brückenschlag zwischen Wissenschaft und Kochen überlegt. Dabei sind mir mitunter schon mögliche Rezepte eingefallen. Letztlich entsteht eine Sendung also – vom Gast bis zum Rezept – im Dialog mit Springer und dem jeweiligen Gast.

Wie verbinden Sie dann die wissenschaftlichen Themen mit dem Kochen?

Wenn der Gast etwa ein Buch mit dem Titel „Faszinierende Chemie“ geschrieben hat, dann überlegen wir uns ein passendes kulinarisches Thema. In dem Fall kamen wir auf eingelegte Gurken oder rote Beete, bei deren Herstellung chemische Prozesse wie Fermentation und Gärung eine Rolle spielen. Schließlich hatte dann die Autorin selbst die Idee, Labskaus mit roter Beete zu kochen, weil sie aus dem Norden Deutschlands kommt. Das passte am Ende einfach alles gut zusammen.

Beim Thema Digitalisierung hatte der Gast selbst vorgeschlagen, das Rezept bzw. das Kochen um eine digitale Multifunktions-Küchenmaschine herum zu gestalten. Diese Geräte benutzt er auch gerne als Beispiel für Digitalisierung bzw. digitales Marketing in seinen Vorträgen. Tatsächlich kann man daran sehr viele Ebenen aufzeigen: die Kombination aus Offline und Online, die Rolle der Community und die weiteren Geschäftsmodelle dahinter. Zum Beispiel, wenn im Einzelhandel direkt anhand des Rezeptes die Zutaten bestellt werden können. Da ich mir ein solches Küchengerät natürlich nicht leisten kann, habe ich schließlich beim Hersteller nach einer Leihgabe gefragt.

Wie kocht es sich denn so mit den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern?

Es ist natürlich immer die Frage, wie kochaffin der jeweilige Gast ist: Manche haben schon Rezepte im Kopf, andere freuen sich auch, wenn wir ein Rezept vorschlagen. Niemand möchte sich natürlich vor der Kamera blamieren. Es gab auch schon zwei, drei Gäste, die Bedenken hatten, vor der Kamera zu kochen. Wir sind dann alles noch einmal genau durchgegangen und haben geschaut, wer welche Arbeitsschritte übernimmt und haben einige Handgriffe noch einmal gemeinsam geübt. Generell sind Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler natürlich sehr genau und möchten auch in der Küche ein tolles Ergebnis vorlegen können. Es freut mich immer sehr, mit welcher Euphorie sie oft an die Sache herangehen, und mit wie viel Enthusiasmus das entsprechende Gericht vorgestellt wird. Ein Gast hatte sein Gericht sogar als Vorbereitung schon so oft gekocht, dass er dann am Ende vor der Kamera einfach keinen Löffel mehr davon essen konnte.

Was sollen die Zuschauenden aus den Sendungen mitnehmen?

Wir möchten eine Art Vorspeise sein und auf ein Forschungsthema einstimmen, die Barrieren ein Stück weit auflösen. Wir möchten Lust darauf machen, sich mit einem Thema näher auseinanderzusetzen, ins Buch hineinzublättern oder vielleicht tatsächlich auch mal die Fachliteratur zu wälzen.

Wenn man sich die Konzepte für Wissenschaftskommunikationsprojekte so anschaut, dann wird recht häufig ein bereits bestehendes Interesse für Wissenschaft vorausgesetzt. Wir sollten aber auch einen Schritt davor einsetzen und nach den Menschen schauen, die vielleicht noch kein Interesse haben, weil es vielleicht noch gar nicht geweckt wurde. Es stellt sich die Frage: Wie erreiche ich diese Menschen? Daraus entstand letztlich auch die Idee, ein Lifestylethema als Aufhänger zu nehmen. Wenn man mal in den sozialen Medien schaut, dann posten dort viele Menschen auch über ihr Essen. Das ist keine kleine Community. Deswegen schien es mir passend, auch dort nach Leuten zu suchen, die sich vielleicht neben dem Essen auch für wissenschaftliche Themen interessieren könnten. Man hat dort die Chance, eine große Zielgruppe zu erreichen: Aber eben nicht die, die sich sowieso schon für Wissenschaft interessiert, sondern die, die erst einmal ohne große Erwartungen da reingehen und im besten Falle hinterher denken: „Oh, ja, das war ja doch nicht so trocken, wie ich dachte.“

Wie geht es jetzt weiter?

Wir würden natürlich gerne im nächsten Jahr unsere dritte Staffel aufnehmen und senden. Dabei wäre es interessant zu schauen, ob es möglicherweise auch Hochschulen, Forschungsinstitutionen oder andere Unterstützer gibt, die sich vorstellen könnten, uns finanziell zu fördern. Es wäre denkbar, die dritte Staffel also zusammen mit einem Forschungsinstitut zu produzieren und die dortige Forschung mit diesem Format schmackhaft zu machen. Natürlich kann man etliche Euro für eigene Kampagnen ausgegeben, für Social Media, Imagevideos und so weiter. Aber warum nicht einfach mal mit einer Kochsendung die Institution sympathisch darstellen? Es wäre sicherlich eine wünschenswerte Situation für uns, wenn wir auf diese Weise kooperieren könnten und gefördert würden, das wäre ein toller Schritt.

Argang Ghadiri hält seinen Workshop „Wissenschaft als Kochshow? Kreative Konzepte der Wissenschaftskommunikation am Beispiel von »Wissen schmeckt«“ am 7. November auf dem Forum Wissenschaftskommunikation ab 10.30 Uhr.

Das Forum Wissenschaftskommunikation wird von Wissenschaft im Dialog (WiD) organisiert, einem der drei Träger des Portals Wissenschaftskommunikation.de.