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„Man muss beim Podcasten die eigene Stimme finden“

Im Podcast „Science S*heroes“ sollen Frauen und nicht-binäre Forschende ihre Wissenschaft sichtbar machen können. Wie die Moderatorinnen Christiane Attig und Rebecca Moltmann ihre Podcast-Gesprächspartner*innen gewinnen und warum es wichtig ist, den Fokus auf marginalisierte Personen in der Wissenschaft zu richten, erklären sie im Interview.

Frau Attig, Frau Moltmann, wie sind Sie auf die Idee gekommen, den Podcast „Science S*heroes“ zu starten?

Christiane Attig ist wissenschaftliche Mitarbeiterin im Team der Professur für Angewandte Gerontopsychologie und Kognition an der TU Chemnitz. Gleichzeitig ist sie Wissenschaftskommunikatorin als Podcast-Moderatorin von „Science S*heroes“, „Brainflicks“, „Vielzimmerwohnung“ und als Dozierende am NaWik*.

Christiane Attig: Die Idee, einen reinen Wissenschaftskommunikations-Podcast zu gestalten, ging mir bereits länger durch den Kopf. Zuvor hatte ich schon den Podcast „Brainflicks“ gestartet, der sich mit Filmanalysen aus psychologischer Perspektive beschäftigt. Dabei haben mein Podcast-Kollege Julius Herold und ich auch Wissenschaft kommuniziert. Darüber hinaus wollte ich aber ein weiteres Format gestalten, das sich allein der Wissenschaftskommunikation widmet. Das Thema Frauen und marginalisierte Personen in der Wissenschaft beschäftigt mich aus persönlichen Gründen. Darum dachte ich: Das Thema liegt doch auf der Hand. Zusätzlich war es mir ein Anliegen, in dem Format Personen aus der Wissenschaft zu interviewen. Der Podcast „Praktisch theoretisch“ war für mich dabei eine Orientierung. Ich schätze sehr, was Rebecca mit Stephan Fasold zusammen auf die Beine gestellt hat. Als wir gemeinsam einen Workshop zum Thema „Podcasting“ gegeben haben, beschloss ich, Rebecca zu fragen, ob sie Lust hat, ein neues Podcast-Projekt mit mir zu starten.

Rebecca Moltmann ist Referentin für Wissenschaftskommunikation am Zentrum für interdisziplinäre Forschung an der Universität Bielefeld. Sie produziert als Podcast-Moderatorin außerdem die Wissenschaftspodcasts „Praktisch Theoretisch“ und „Science S*heroes“.

Rebecca Moltmann: Ich habe mich erst mal sehr gefreut und wollte sofort mitmachen. Wir haben recherchiert, ob ein ähnliches Format schon existiert. Aber nein, wir hatten eine Nische gefunden, die gefüllt werden wollte.

Und wie sind Sie auf den Namen „Science S*heroes“ gekommen?

Moltmann: Ich bin durch den feministischen Essay „Sheroes. Neue Held*innen braucht das Land“ von Jagoda Marinić auf den Begriff Sheroes gekommen. Wir wollten nicht-binäre Personen mit einbeziehen, deshalb ist bei uns das Sternchen dazu gekommen. Mit dem Namen „Science S*heroes” können potentielle Hörer*innen schnell erfassen, worum es geht, das war uns wichtig. 

Attig: Ich finde die Alliteration auch schön griffig und zufällig gab es noch keinen Podcast mit dem Namen. So war die Entscheidung schnell getroffen.

Wir wollen die Probleme und Herausforderungen aufzeigen, die wir als Frauen oder auch nicht-binäre Personen in der Wissenschaft erleben. Christiane Attig

Was sind die zentralen Themenschwerpunkte des Podcasts?

Attig: Uns liegen bei „Science S*heroes“ besonders zwei Dinge am Herzen. Einmal die Forschung der Gesprächspartner*innen sichtbar zu machen. Egal, welcher Bereich, ob Physik, Biologie oder Psychologie – hier sind Frauen und Personen nicht-binären Geschlechts tätig. Wir zeigen ihre Themen. Zum anderen wollen wir die Lebenswege der Personen präsentieren. Wir wollen die Probleme und Herausforderungen aufzeigen, die wir als Frauen oder auch nicht-binäre Personen in der Wissenschaft erleben. So sind unsere Folgen auch strukturiert. Nach einer kurzen Einführung geht es zunächst um die Forschung der Gesprächspartner*in und anschließend um die Biographie, sowie Themen der Geschlechtergerechtigkeit.

Moltmann: Wir fassen in dem Bereich Lebenswelt auch viel zusammen. Beispielsweise haben wir schon das Thema Rassismus im Wissenschaftssystem im Podcast diskutiert. Wir thematisieren auch Vorurteile, die Personen wegen ihrer sexuellen Orientierung als Forschende entgegengebracht werden. Eigentlich sollte die Wissenschaft ein sehr reflektierter Raum sein und trotzdem gibt es immer wieder Anekdoten von Forscher*innen, bei denen man sich denkt: Was ist denn hier passiert?

Warum haben Sie sich für ein Podcast-Format entschieden?

Attig: Wir haben bereits vor „Science S*heroes“ viele positive Erfahrungen mit Podcasts gesammelt. Wir finden, das Format eignet sich perfekt, um in einem geschützten Rahmen Wissenschaftskommunikation zu betreiben. In einem Youtube-Video hätte man beispielsweise, was die Inhalte oder die zeitliche Gestaltung betrifft, viel Freiheit. Dennoch ist ein Video eine andere Hürde. Man ist darin mit dem Gesicht zu sehen und macht sich angreifbarer – gerade als Frau oder nicht-binäre Person. Bei Podcasts erhalten wir beispielsweise seltener angreifende Kommentare. Uns ist gleichzeitig wichtig, dass unsere Gesprächspartner*innen nicht gesichtslos sind. Wir veröffentlichen und bewerben unsere Folgen auf Twitter immer mit dem Bild der Gesprächspartner*in, damit die Person hinter der Stimme ein Gesicht bekommt.

Moltmann: Insbesondere in Bezug auf die Resonanz von Gesprächspartner*innen ist das Podcast-Format unserer Erfahrung nach sehr dankbar. Die meisten Personen, die wir angefragt haben, haben schnell und gerne zugesagt. Daran zeigt sich, dass der Bereich zurzeit beliebt ist und sogar immer noch weiter wächst.

Wie finden Sie Ihre Gesprächspartner*innen?

Attig: Das ist ganz unterschiedlich. Die Psychologin und Begabungsforscherin Tanja Gabriele Baudson kannte ich vorher schon persönlich als offenen Menschen und wusste, dass sie Wissenschaftskommunikation macht. Ansonsten finden wir viele Gesprächspartner*innen über Twitter oder tatsächlich einfach über Google.

Moltmann: Wir bekommen auch immer wieder Empfehlungen, sowohl von Gesprächspartner*innen als auch beispielsweise einmal von Almut Schwanke, die Sound-Designerin, die unser Intro komponiert hat. Von der Historikerin und Juniorprofessorin Rebecca Brückmann wurde mir in einem ganz anderen wissenschaftlichen Kontext berichtet, in dem es allgemein um aktive Wissenschaftskommunikator*innen ging.

Man muss beim Podcasten die eigene Stimme finden. Rebecca Moltmann

Wie waren Ihre Erfahrungen beim Podcasten und was haben Sie daraus gelernt?

Attig: Zu vermitteln, dass im Nachhinein alles geschnitten werden kann, ist bei Formaten mit Gesprächspartner*innen wichtig. Das nimmt sehr viel Nervosität. In der Postproduktion hat man die Macht‘, die Unterhaltung noch etwas glatter zu ziehen und professioneller aufzusetzen. 

Moltmann: Man muss beim Podcasten die eigene Stimme finden. Bei „Praktisch Theoretisch“ habe ich, nach anfänglichen Bedenken bezüglich meiner Stimme, sehr positive Erfahrungen gemacht. Das Moderieren eines Podcasts kann einem so zusätzliches Selbstvertrauen geben. Gleichzeitig ist es auch eine Herausforderung. Man muss erst mal lernen, Menschen zuzuhören und dabei gleichzeitig weiterzudenken, die eigenen Fragen im Hinterkopf zu behalten. Das braucht Zeit – also nicht verzweifeln, wenn bei den Probeaufnahmen noch nicht alles perfekt sitzt. Wichtig ist, herauszufinden, was die eigenen Vorlieben beim Podcasten sind. Mein Co-Moderator bei „Praktisch Theoretisch“ kann etwa auch geskriptete Texte gut sprechen. Bei mir funktioniert das nicht so gut – ich spreche lieber frei. Das muss man ausprobieren. Wenn man Lust auf einen Podcast hat, dann einfach mal ausprobieren!

Attig: Das Thema Vorbereitung ist ein guter Punkt. Dabei treffen zwei Philosophien aufeinander. Die einen schätzen eine knappere Vorbereitung, um möglichst unvoreingenommen Fragen stellen zu können. Die anderen finden, man solle über die Person und das Thema Bescheid wissen, um mehr in die Tiefe zu fragen.

Ich kann beide Punkte nachvollziehen. Deshalb haben wir uns für einen Mittelweg entschieden. Eine von uns bereitet sich ganz spezifisch auf die Gesprächspartner*in vor und überlegt sich die fachlichen Fragen. Die andere ist dann etwas naiver und kann dadurch nachhaken, wenn das Gespräch zu fachlich wird.

„Das ist einer der größten Vorteile, dass das Podcast-Format etwas Niedrigschwelliges ist - oder sein kann.“ Rebecca Moltmann

Welche Tipps können Sie Personen geben, die selbst gerne einen Podcast starten möchten?

Moltmann: Jede*r Podcaster*in muss den eigenen Weg finden. Es ist nicht schlimm, wenn man im Laufe der Zeit merkt: „Ich muss etwas ändern und das Konzept anpassen.“ Ich denke, wenn man zu viele Tipps gibt, nimmt man den Leuten den Raum, sich selbst heranzutasten. Das ist einer der größten Vorteile, dass das Podcast-Format etwas Niedrigschwelliges ist – oder sein kann.

„Aber das Schöne ist die Freiheit beim Format Podcast, die viele unterschiedliche Konzepte ermöglicht.“ Christiane Attig

Attig: Gleichzeitig ist es wichtig, zu wissen, wo man Unterstützung bekommen kann. Wenn man mit dem Gedanken spielt, einen Podcast zu starten, finden sich im Podcastforum „Sendegate“ oder bei dem Portal „Wissenschaftspodcasts.de“ gute Ansprechpartner*innen. Die Zielgruppe im Kopf zu behalten ist außerdem ganz wichtig. Das gibt schon viel von der Struktur und der Ansprache vor. Wichtig ist auch, sich Gedanken zum Konzept zu machen, denn es gibt mittlerweile sehr viele Podcasts. Aber das Schöne ist die Freiheit beim Format Podcast, die viele unterschiedliche Konzepte ermöglicht.

*Das Nationale Institut für Wissenschaftskommunikation ist einer der drei Träger des Portals Wissenschaftskommunikation.de.