Grafik: Prof. Dr. Fuchs

Instagram für schlaue Füchse

Mithilfe des Instagram-Kanals Prof. Dr. Fuchs sollen Jugendliche häppchenweise mit wissenschaftlichen Fakten in Berührung kommen. Peter Limacher betreut den Account im Rahmen des Projekts „WuDu!“ und veranschaulicht im Gastbeitrag, wie sich mit steigender Erfahrung der Kanal gewandelt hat.

Wo ist die Zielgruppe und was interessiert sie?

Das Projekt „WuDu!“ der Schweizer Stiftung Science et Cité hat das Ziel, Lernende1 mittels digitaler Formate in Kontakt mit Wissenschaft und Forschung zu bringen. Anhand einer modellhaft definierten Zielgruppe sollte beobachtet werden, wo sie sich im Netz herumtreiben und was sie interessiert. Ersteres ist einfach: Man bediene sich etwa der JAMES-Studie2 und sieht, dass 87 % aller Jugendlichen in der Schweiz auf Instagram aktiv sind. Dieser Kanal war also naheliegend.

Bei den Interessen der Zielgruppe wurde es dann schon schwieriger. In qualitativen Interviews und einer Umfrage stellte sich heraus, dass die „Verpackung“ des Inhalts das Interesse der Zielgruppe stark beeinflusst. Der zweite wichtige Punkt ist die Zugänglichkeit des Inhaltes – und das in doppelter Hinsicht: Einerseits gehört dazu dessen Verständlichkeit und „Verdaubarkeit“, andererseits aber auch, dass der Inhalt gelegentlich im Feed oder in den Stories erscheint. Viele der Jugendlichen nutzen zwar das Internet zu Recherchezwecken, häufig aber für nicht ganz freiwillige Schularbeiten. Also, dachten wir uns, versuchen wir doch, Interesse zu wecken und Wissen in Portionen zu verpacken, die gut verdaulich sind und gleichzeitig den „Appetit“ auf weitere Beiträge anregen können.

Prof. Dr. Fuchs

Mit all diesen Gedanken im Kopf formten wir einen Charakter, den wir Prof. Dr. Fuchs nannten. Der Fuchs war dabei angelehnt an den damals aktiven Youtube-Kanal „Für d’Füchs“; ein Wortspiel, dass Wissen etwas für schlaue Füchse ist, zu denen die Lernenden selbstverständlich zählen, aber mit einer ironischen Brechung.

Wie aber kommuniziert man mit jungen Erwachsenen, ohne lächerlich zu erscheinen? Uns dem Slang der Zielgruppe anzupassen, erschien uns unnatürlich, denn weder der „Professor“ noch wir beherrschen diese Sprache. Ein wichtiger Hinweis bot uns bei den Interviews der Einblick in diverse Handys der Jugendlichen. Und das ist ein Tipp, der sich richtig lohnt: Schauen Sie der Zielgruppe einfach einmal wortwörtlich über die Schulter und lassen Sie sich davon inspirieren, wie sie interagiert. Oft wurden Inhalte auf Schweizerdeutsch geliket und oft wurden uns als Lieblingsinfluencerinnen und -influencer solche angegeben, die ihren Inhalt auf Schweizerdeutsch präsentieren. So bewirtschafteten wir den Account von Anfang an in unserem Schweizer Dialekt.

Zwanghaft lustig vs. Wow-Effekte und Corporate Design

Hinsichtlich der Inhalte orientierten wir uns zuerst an den englischsprachigen Webportalen, die versuchen, mit Wissenschaftswitzen und Anspielungen auf die Populärkultur lustigen Content zu produzieren. Wir übersetzten oftmals diese Posts und suchten entsprechendes Stockfotomaterial.

Frühere Beiträge des Instagramkanals („Biologie: Das, wo du nach dem Teilen mehr hast!“ / „Oh, da ist doch Liebe in der Luft!“ – „Alter…das ist vor allem Stickstoff und Sauerstoff…“). Grafiken: Prof. Dr. Fuchs

Im Nachhinein ist klar, dass die Posts etwas an der Zielgruppe vorbei gingen. Oftmals waren ihnen die Anspielungen auf die Populärkultur kaum bekannt. Und warum eigentlich sollten es Lernende lustig finden, wie sich etwas „nerdige“ Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler über ihre und andere Fachgebiete lustig machen?

„Dein Herzschlag passt sich der Musik an.“ Grafik: Prof. Dr. Fuchs

Wir gingen also nochmals über die Bücher – besser gesagt: über unsere Interviews, die wir geführt hatten. So kam die Idee, die bereits auf der Hand lag: Wir brauchen faszinierende Inhalte, die schnell zu verarbeiten sind und dazu ein einheitliches Design. Also formulierten wir kleine für uns faszinierende Fakten auf möglichst einem Bild. Das sah dann etwa so aus.

Diese Posts kamen bei der Zielgruppe bereits wesentlich besser an. Beim Bereitstellen der Fakten merkten wir aber zunehmend, dass es sehr schwierig und eigentlich eine verpasste Chance ist, die Bilder losgelöst von jeglicher Erklärung zu präsentieren. Wir entwickelten also unser Format weiter und begannen, zu den Fakten Erklärungen zu liefern. Zudem schien es uns wichtig, gerade bei längeren Fakten, Stichworte optisch hervorzuheben.

https://www.instagram.com/p/B4mi7DMFQ5u/

An den Zahlen zeigte sich sehr gut, dass die Inhalte so noch besser gesehen und mehr geliket wurden. Nach einer Sitzung des Beirats und einer kleinen Umfrage mit unseren Nutzerinnen und Nutzern entschieden wir uns aber nochmals für einen Designwechsel. Der antiquierte alte Professor wurde durch eine junge Füchsin ersetzt – was ein ganz anderes Bild auf Forschung wirft. Ebenfalls bestand ein Bedürfnis, die Inhalte mit Bildern zu untermauern.

Das aktuelle Design des Kanals („Wärst du ohne Anzug im Weltraum, würde dein Blut anfangen zu kochen“). Grafiken: Prof. Dr. Fuchs

Der Erfolg des neuen Designs zeigte sich nicht von Anfang an, im Nachhinein lässt sich aber statistisch zeigen, dass die Reichweite dieser Posts wesentlich größer wurde. Beim Bewerben der Posts zeigten sich so aber neue Probleme. Etwa konnte der oben gezeigte Beitrag nicht beworben werden, weil der Astronaut in der Zeichnung nackt ist – und damit gegen die Richtlinien von Instagram verstößt.

Auswertungen

Wichtig beim Betreiben des Accounts waren für uns immer zwei Dinge: Erstens wollten wir sichergehen, dass die  aus unserer Zielgruppe stammen. Das Problem: Viele Jugendliche haben private Accounts. Das bedeutet, dass man keine Informationen über sie bekommt. Um dem entgegen zu wirken, sind wir konsequent allen Followerinnen und Followern zurückgefolgt. Anhand der Profile konnten wir – in Handarbeit – feststellen, dass der allergrösste Teil wirklich unsere Zielgruppe ausmachte. Das konsequente Zurückfolgen hat auch den Vorteil, dass man mit den Followerinnen und Followern in Kontakt treten kann. Zwischenzeitlich wurden wir von Instagram blockiert, weil wir zu viel Aktivität aufwiesen. Inzwischen hat sich das Problem aber wie von allein geklärt. Auch das ist eine Erkenntnis: Hinter die Mechanismen von Instagram zu sehen, ist nicht immer möglich.

Als Zweites war es uns wichtig, dass wir einzelne Posts im Kontext zu den anderen auswerten konnten. Dazu arbeiteten wir nicht mit einer teuren Lösung à la Hootsuite, sondern klassisch mit Excel-Tabellen. Die Zahlen werden von Hand eingefügt und die Posts mit Schlagwörtern versehen – Farbe, Länge, Thema. So können wir Reichweiten und Interaktionsraten nach diesen Begriffen Filtern und auswerten. Natürlich ist eine solche Auswertung mit viel Aufwand verbunden und es sind längst nicht alle Statistiken am Ende handlungsanweisend. Einzig die gelben Posts erscheinen deutlich mehr Interaktionen zu generieren. Deswegen aber alle Posts nur noch gelb zu färben, kommt aus ästhetischen Gesichtpunkten nicht in Frage – besonders mit Blick auf die Profilansicht.

Anders sieht es bei den Themen aus. Hier zeigt sich, was wir durch das Beobachten nicht feststellen konnten: Gender-, Weltraum-, Umweltthemen regen unsere Zielgruppe am meisten zur Interaktion an.

Das bedeutet für uns zweierlei: Einerseits, dass primär zu den Themen gepostet wird, die interessieren. Andererseits zwingt es uns auch zum Nachdenken, ob wir eventuell die schlecht laufenden Themen anders vermitteln sollten. Solche Fragen besprechen wir im Team und versuchen immer wieder, mit neuen Ideen den negativen Trends entgegenzuwirken.

Unser erstes Urteil

Den Instagram-Account für unsere Zielgruppe zu erstellen, war sicher eine richtige Entscheidung. Wichtig ist es, in den Konzepten nicht eingeschränkt, sondern ergebnisoffen und anpassungsfähig zu sein, so dass sich der Account nicht nach den eigenen Vorstellungen richtet, sondern Inhalte für die Zielgruppe erstellt werden. Ein Tool, das uns sehr half, war der Redaktionsplan. So konnten wir jeweils im Voraus wissen, was genau wann gepostet wird. Auch dass man sich immer wieder zusammen Gedanken macht und die kreative Energie der Gruppe nutzt, kann kaum unterschätzt werden. Als einzelne Person ist man viel schneller ausgelaugt und die Ideen und Themen sprießen gemeinsam einfach besser. Klar war uns auch, dass wir nicht einfach einen Instagram-Account nebenbei betreiben wollen. Content braucht Zeit. Mit drei Posts pro Woche, verschiedenen Story-Formaten, Auswertungen und Strategiearbeit bedeutet das bei uns mindestens zehn Stunden Aufwand in der Woche. Daher auch mein Tipp: Nehmen Sie sich die Zeit!


Zum Projekt „WuDu!“

Es gibt in der Schweiz eine große Gruppe an gut ausgebildeten Menschen, die weder über ihre Ausbildung noch über ihren Job mit Wissenschaft in Berührung kommt. Auch für die Kommunikationsabteilungen der Hochschulen und Universitäten ist diese Gruppe nicht wirklich spannend, da sie meist keine Matura3 und somit keinen direkten Zugang zu einem universitären Studium besitzt. Die Rede ist in diesem Fall von Menschen, die eine Berufsausbildung machen oder bereits absolviert haben. Rund die Hälfte aller Schweizer Jugendlichen beginnt nach der obligatorischen Schulzeit eine Lehre.4 So entschied sich Science et Cité, diese Lernenden zur Zielgruppe eines Projekts zu machen und sie mittels digitaler Interaktion in Kontakt mit Wissenschaft und Forschung zu bringen.

Zum jetzigen Zeitpunkt umfasst das Projekt mehrere Formate, die zusammen mit Vertreterinnen und Vertretern der Zielgruppe entwickelt wurden: Von Filmhackathons, bei denen Lernende zusammen mit Forschenden Filme zu aktuellen wissenschaftlichen Fragestellungen drehen, über das „Wetterregelquiz“, bei dem wir mit den Lernenden sogenannte Bauernregeln wissenschaftlich prüfen, bis zum Content Hub, auf dem wir unsere und andere zielgruppengerechte Beiträge rund um Wissenschaft und Forschung teilen werden.

Das Projekt wird von der Schweizer Stiftung Gebert Rüf mit 300’000 Franken über zwei Jahre anschubfinanziert. Ebenfalls wird das Projekt vom Schweizerischen Nationalfonds, den Akademien der Wissenschaften Schweiz und einem Eigenanteil von Science et Cité getragen.

Weitere Informationen: https://www.science-et-cite.ch/de/wudu-wissenschaft-und-du

 

Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.