Foto: Dominik Elsässer

Im Profil: Carolin Liefke

Es war der Einschlag des Kometen Shoemaker-Levi 9 auf den Jupiter, der Carolin Liefke zur Astronomie brachte. Die promovierte Physikerin mit einer Leidenschaft für Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit ist inzwischen am Haus der Astronomie in Heidelberg für die Ausbildung von Lehramtsstudierenden, Schulprojekte und die Teleskope zuständig.

Karriereleiter, Karrieresprungbrett oder Karrierekarussell – Wie war Ihr Weg in die Wissenschaftskommunikation?

Klassisch, wenn man so will – als Wissenschaftlerin, die schon immer ein Faible für die Bildungs- und Öffentlichkeitsarbeit hatte. Ich habe mich schon als Jugendliche für die Astronomie interessiert und zum Beispiel auch öffentliche Vorträge an der Volkssternwarte in meinem Geburtsort Lübeck gehalten. Wie vermutlich so ziemlich jeder Studienanfänger in der Physik, habe ich das Fach erstmal mit dem festen Willen studiert, selber Wissenschaftlerin zu werden und in die Forschung zu gehen. Wenn es damals schon ein entsprechendes Angebot gegeben hätte, hätte ich Wissenschaftskommunikation aber gerne als Nebenfach belegt. Zum Ende meines Studiums und während der Promotion an der Hamburger Sternwarte, habe ich angefangen nebenbei Schulklassen und andere Besuchergruppen, die zu uns ans Institut kamen, zu betreuen. Zusätzlich habe ich mich damit beschäftigt, wie man systematisch an Dinge wie Bildungsarbeit herangeht und es mir autodidaktisch angeeignet. Dabei habe ich festgestellt, dass mir Wissensvermittlung mindestens genauso viel Spaß macht wie die Wissenschaft selber, wenn nicht sogar mehr. Als dann schließlich Freunde zu der Stellenausschreibung für den Job am Haus der Astronomie zu mir gesagt haben: „Das bist du!“, waren die Würfel endgültig gefallen.

Was sind die größten Herausforderungen in Ihrem Job und warum lohnt es sich trotzdem jeden Tag?

Normalerweise arbeite ich an mehreren vollkommen unterschiedlichen Projekten gleichzeitig. Da will zum Beispiel unmittelbar im Anschluss an den Besuch eines Schülerteams, das Unterstützung bei seinem Jugend-Forscht-Projekt benötigt, eine öffentliche Veranstaltung mit mehreren 100 Besuchern organisiert werden. Das bedeutet ständiges Umdenken und auch ein wenig Jonglieren mit meiner Zeit.

Am schönsten ist es zu sehen, wenn das was man geschafft hat, auch nachhaltig etwas bewirkt. Wenn zum Beispiel ehemalige Lehramtsstudentinnen und -studenten, sich wieder bei mir melden, um nach neuen Unterrichtsmaterialien oder Möglichkeiten für Schulprojekte zu fragen. Oder wenn der ehemalige Schülerpraktikant – damals noch schüchterner Realschüler – um ein Empfehlungsschreiben für seine Uni-Bewerbung bittet, nachdem er das Abitur problemlos geschafft hat.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft der Wissenschaftskommunikation?

Es wäre schön, wenn wir alle, die wir in diesem Bereich tätig sind, uns vermehrt dem einfachen Menschen auf der Straße zuwenden würden, der statt Wissenschaftsmagazinen oder dem Feuilleton lieber Boulevard liest – wenn er denn überhaupt noch liest. Das ist die schwierigste aller Zielgruppen, und vermutlich wird sie deshalb gerne vernachlässigt. Es gibt mittlerweile so viele Angebote für Menschen mit höherem Bildungsniveau, die ohnehin schon interessiert sind oder Vorwissen mitbringen, und natürlich ist es wünschenswert, diesen Wissenschaftsaffinen etwas zu bieten. Aber letztlich ist es Eulen nach Athen tragen, wenn sich große Teile der Bevölkerung davon nicht angesprochen fühlen oder womöglich sogar abgeschreckt sind, weil sie es als zu speziell oder zu kompliziert empfinden. Das bedeutet zum Beispiel, Schulprogramme nicht nur auf Gymnasiasten auszurichten, weil das ja die zukünftigen Studenten werden, sondern für alle Schulformen zu gestalten. Oder ganz allgemein, einen Gang herunterzuschalten und Wissenschaftskommunikation auch für Menschen zu machen, die wir momentan noch nicht erreichen, weil sie sich unter Wissenschaft nicht viel vorstellen können, und denen man dementsprechend auf einer ganz anderen Ebene begegnen muss.

Welche Zielgruppe sprechen Sie am liebsten an? Und warum?

Schwer zu sagen – da habe ich eigentlich keine Vorlieben. Kinder sind normalerweise eine äußerst dankbare Zielgruppe, deren Interesse man leicht wecken kann – gerade mit Astronomie. Jugendliche sind schon deutlich schwieriger zu erreichen, besonders Mädchen. Als wäre es nicht schon schlimm genug, dass ab der Pubertät Naturwissenschaft und Technik generell als „uncool“ gelten, schlägt dann auch noch die Rosa-Hellblau-Falle gnadenlos zu, deren Fundamente bereits im Kindesalter gelegt wurden. Hier gilt es, einem meiner Meinung nach unschönen gesellschaftlichen Trend zu begegnen: Ich habe das Gefühl, dass Eltern – besonders die Mütter – ihren Töchtern heutzutage stärker als früher, als ich selber im Kindes- und Teenageralter war, dazu erziehen, ihre Weiblichkeit zu betonen. Daran wäre per se erstmal nichts verkehrt, würden damit nicht – bewusst oder unbewusst – alte, längst beerdigt geglaubte Rollenbilder wieder hervorgeholt und neu zementiert werden. Wo es früher nur unisex gab, tun heute außerdem geschlechtsspezifisches Spielzeug und andere, entsprechend gestaltete Alltagsgegenstände das ihre, um wieder vermehrt Mädchen in zurückhaltende Prinzessinnen und Jungs in abenteuerlustige Superhelden zu verwandeln.  Der Rest ist dann ein Automatismus: Wo Spaß am Basteln, Forschergeist und Technikaffinität nicht ausreichend gefördert werden, fehlen zukünftigen Naturwissenschaftlerinnen und Ingenieurinnen die entscheidenden Grundlagen. Da muss dringend gegengesteuert werden und es gilt, Eltern, Erzieher und Lehrer dafür zu sensibilisieren und gezielt gegenzusteuern.


Foto: Dominik Elsässer

 

Carolin Liefke ist promovierte Physikerin und arbeitet im Haus der Astronomie in Heidelberg. Sie engagiert sich im Vorstand der Vereinigung der Sternfreunde e.V. und ist Moderatorin im Astrotreff, einem der größten deutschsprachigen Astronomieforen.