Foto: Sharon McCutcheon

Im Fokus des Populismus

Warum greifen rechte Populisten vor allem Felder wie Klima- oder Genderforschung an? Das untersucht der Kommunikationswissenschaftler Benjamin Krämer. Im Interview spricht er über die Mechanismen, die dahinter stecken und die Rolle der Medien.

Herr Krämer, Sie haben in dem Sammelband „Perspectives on Populism and the Media“ einen Artikel veröffentlicht. Worum geht es darin genau?

Zusammen mit meiner Co-Autorin Magdalena Klingler habe ich für diesen Beitrag untersucht, ob der Populismus auch Implikationen für die Wissenschaftskommunikation hat. Wir gehen darauf ein, ob es eine spezifische rechtspopulistische Wissenschaftsfeindlichkeit gibt und vergleichen dafür die Genderforschung und die Klimaforschung. Sie haben zwar ansonsten wenig gemeinsam, aber es sind beides Felder, die sich Angriffen aus dem Rechtspopulismus ausgesetzt sehen. Im Artikel gehen wir zunächst auf die unterschiedlichen Elemente des Rechtspopulismus ein und erklären, was zu dieser Ideologie gehört. Basierend auf dieser Analyse versuchen wir dann zu verdeutlichen, warum Menschen mit diesem Weltbild diese beiden Forschungsfelder besonders angreifen und kritisieren.

Und weshalb ist dies der Fall?

Benjamin Krämer ist Privatdozent am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er forscht zum Verhältnis von (Rechts-)Populismus, Verschwörungstheorien und Medien sowie zu Mediennutzung allgemein und zur Frage, wie Digitalisierung und das „Handeln“ technischer Systeme die Gesellschaft verändern. Foto: privat

Der Rechtspopulismus lässt sich in verschiedene Bestandteile aufteilen. Da ist zum einen eine Form der Feindlichkeit oder Kritik gegenüber Eliten. Diesen wird eine linke Ideologie nachgesagt und der Vorwurf gemacht, dass sie das „normale Volk“ nicht mehr repräsentieren. Zum anderen geht diese Kritik einher mit einem stark konservativen Gesellschaftsbild. In Bezug auf die Wissenschaft bedeutet dies, dass bestimmte Teile der Forschungslandschaft – wie eben die Genderforschung – als diesen Eliten zugehörig betrachtet werden. Diesen Forschungsfeldern wird dann vorgeworfen, sie würden gar keine echte Forschung betreiben. Stattdessen würden sie einer Ideologie und einer linken politischen Agenda folgen, die sie der Bevölkerung aufzwingen wollen. Diese Art der Kritik macht die rechtspopulistische Wissenschaftsfeindlichkeit aus. Populismus ist weit mehr ist als eine politische Strategie zur Gewinnung von Wählerinnen und Wählern. Er schießt sich zum Beispiel auf spezifische Teile der Wissenschaft ein und attackiert diese dann gezielt. Allerdings gibt es, wenn man genauer hinschaut, in dieser Wissenschaftskritik auch Bruchstellen.

Welche sind das?

Der größte Widerspruch ist, dass Teile dieser Kritik zwar sehr antiintellektualistisch auftreten, aber große Teile Wissenschaft an und für sich nicht verdammen. So wird zwar bestimmten Teilen der Forschung abgesprochen, „echte“ Forschung zu sein. Dabei beruft man sich auf eine Vorstellung von „reinen“ und „harten“ Naturwissenschaften, die man als einzig wahre und nicht von Ideologie geleitete Wissenschaft deklariert. Wir sprechen häufig von einer wachsenden allgemeinen Wissenschaftsskepsis. Eine solche lässt sich aber eher nicht belegen.

Man hört immer wieder, dass Populismus und Wissenschaftsskepsis oder -kritik in der Gesellschaft zunehmen. Kann man das so sagen?

„Was wir eher beobachten, ist ein stärkeres Auseinanderdriften der beiden Enden des Spektrums.“ Benjamin Krämer
So pauschal natürlich nicht und man muss auch beachten, dass so etwas nicht aus dem Nichts entsteht. Um sich das Narrativ rechtspopulistischer Wissensskeptikerinnen und -skeptiker zu eigen zu machen, muss man dafür bereits offen sein. Einen allgemeinen Vertrauensverlust gibt es wohl nicht. Was wir eher beobachten, ist ein stärkeres Auseinanderdriften der beiden Enden des Spektrums, also derjenigen mit hohem und niedrigem Vertrauen. Da gibt es Studien, die dies belegen.

Was ist die Rolle der Medien in dem Prozess?

„Auch klassische und etablierte Medien bedienen diese Narrative vielfach.“ Benjamin Krämer
Die Masse an Informationen, die online und in den Sozialen Medien verfügbar sind, führen natürlich dazu, dass jede und jeder sich genau die Informationen besorgen kann, die zur eigenen Weltanschauung passen. Allerdings sollte man auf keinen Fall so tun, als gäbe es Verschwörungsideologien und -mythen nur im Internet. Auch klassische und etablierte Medien bedienen diese Narrative vielfach. Ein Beispiel ist die Kritik an der Genderforschung, wo die Berichterstattung schon stark politisch geprägt ist. Die Verbreitung ist also keinesfalls ein reines Online-Phänomen.

Mit der Corona-Pandemie haben wir nun ein weiteres stark ideologisch geprägtes Thema. Sehen Sie hier Parallelen?

Auf jeden Fall. Auch hier gibt es die Vorstellung, dass die Wissenschaft lieber Politik als harte Forschung betreibt und auch hier wird Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern unterstellt, der Politik Dinge einzuflüstern und der Bevölkerung etwas aufzwingen zu wollen.

Was bedeuten diese Erkenntnisse für den praktischen Umgang mit solchen Skeptikerinnen und Skeptikern?

„Generell gilt es, offener über die politischen Implikationen von Forschung zu sprechen.“ Benjamin Krämer
Ein tieferes Verständnis für die unterschiedlichen Ideologien und Ausprägungen der Kritik zu erlangen, wäre ein erster und wichtiger Schritt. Wir brauchen genauere Analysen und präzisere Begrifflichkeiten, um ein klares Bild der Bewegung zu erhalten. Die zweite große Frage richtet sich dann an die Wissenschaftskommunikation. Diese lautet: Kann man diese Zielgruppen erreichen und wie viel Energie will man da hineinstecken? Oder sollte man nicht lieber vor allem auf die Gruppe eingehen, die auf der Kippe steht und sich unsicher ist, ob sie der Wissenschaft vertraut? Generell gilt es, offener über die politischen Implikationen von Forschung zu sprechen und das Verhältnis von Wissenschaft und Politik besser zu erklären. Ein stärkeres Verständnis innerhalb der Bevölkerung für dieses Zusammenspiel wäre aus meiner Sicht ein wichtiges Kommunikationsziel. Und schließlich wäre es wünschenswert, wenn diejenigen, die von rechtspopulistischer Seite angegriffen werden, auch öffentliche Solidarität erfahren würden.