Screenshot: Video zu Plastik aus der Max-Planck-Youtube-Reihe „Wissen Was“ mit Doktor Whatson

„Hardcore-Grundlagenthemen sind auch mit Influencer*innen schwer zu kommunizieren“

Um den eigenen Youtube-Kanal bekannter zu machen, produziert die Max-Planck-Gesellschaft seit Anfang 2020 gemeinsam mit Influencern Wissenschaftsvideos. Pressesprecherin Christina Beck berichtet von den Ergebnissen der Evaluation und erklärt, warum ein kritischer, wissenschaftlicher Blick auf die Praxis der Wissenschaftskommunikation wichtig ist. 

Frau Beck, wie sind Sie auf die Idee gekommen, mit Influencern zusammenzuarbeiten?

Dr. Christina Beck leitet die Abteilung Kommunikation der Max-Planck-Gesellschaft. Die promovierte Biologin hat gemeinsam mit Dominik Donhauser, Multimedia-Redakteur in der Abteilung Kommunikation, eine Studie zur Evaluation des Anfang 2020 gestarteten Influencer-Projekts für den Max-Planck-Youtube-Kanal veröffentlicht. Foto: NaWik

Den Youtube-Kanal der Max-Planck-Gesellschaft haben wir 2010 gestartet. Damals hatten wir überlegt, dass es gut wäre, an unsere Biomax-, Geomax- und Techmax-Hefte, die an Schulen verteilt werden, mit Videos anzuschließen. Auch, weil Schüler*innen Youtube mehr und mehr als Ausgangspunkt zum Lernen verwenden. Die dann entwickelte Education-Serie besteht immer aus zwei Teilen: einem Einführungsvideo, das einen Einblick in die Forschung gibt, und einer 3-D-Animation, die nicht sichtbare Abläufe visualisiert und – das ist kein Geheimnis – aufwendiger und teurer ist. Zwischen 2011 und 2015 sind an die 30 solcher Videopärchen entstanden, die wir auch als DVD an die Schulen geschickt haben. Dann haben wir uns gefragt, wie es weitergehen kann. Uns ist nicht entgangen, dass in den vergangenen Jahren auf Youtube eine deutsche Influencer*innen-Szene entstanden ist. Von den Subscriptions und Klickzahlen, die beispielsweise MrWissen2go erreicht, sind wir weit entfernt, obwohl unsere 3-D-Animationen sehr gut geklickt werden.

Sie haben mit Mirko Drotschmann alias „MrWissen2go“ und Cedric Engels, alias „Doktor Whatson, die Youtube-Reihe „Wissen was gestartet und das Projekt auch umfassend evaluiert. Haben Sie die wissenschaftliche Evaluation von Anfang an mitgedacht? 

Ein Vierteljahr nach Start war klar, dass wir evaluieren. In der Fachzeitschrift „Frontiers in Communication“ sollte es eine Reihe zu Youtube-Videos und Wissenschaftskommunikation geben. Da wollten wir gerne dabei sein. Wir hätten im Normalfall eine etwas längere Datenerhebungsphase abgewartet. Normalerweise unterziehen wir im Abstand von vier, fünf Jahren unsere Formate einer wissenschaftlich gestützten, kritischen Prüfung. Begleitend machen wir immer ein Monitoring und schauen beispielsweise, wie sich die Zugriffszahlen entwickeln.

Wie funktioniert „Wissen was

Anders als bei den Lernvideos haben wir aktuellere Themen aufgegriffen, über die gerade diskutiert wird. Das war mit Beginn der Pandemie zum Beispiel das Thema Zoonosen, also Infektionskrankheiten, die zwischen Mensch und Tier übertragen werden können. Wir haben auch ein Video zu den Waldbränden am Amazonas gemacht oder zu den Themen Feinstaub und Plastik. Dabei starten wir immer mit einem Treatment mit den wissenschaftlichen Fakten und Ansprechpartner*innen. Die Redaktionen der beiden Influencer arbeiten das dann aus und setzen es so um, wie sie es normalerweise auf den eigenen Kanälen machen. In zwei Fällen haben wir zu einem Thema auch jeweils zwei unterschiedliche Videos produziert: eines für unseren Kanal und eines für den Influencer-eigenen Kanal, in dem dann aber explizit auf unseren verwiesen wird.

Ein Ziel war, die Zahl der Abonnements auf Ihrem Youtube-Kanal zu erhöhen. Hat das funktioniert? 

“Wir sehen: Um eine Community aufzubauen, müssen Sie eine Serie etablieren, die in der Machart dem Geschmack des jungen Publikums entspricht.”
Die Influencer-Videos führen bei den Zuschauer*innen ganz klar viel eher dazu, zu sagen: Der Serie will ich folgen. Das ist ein völlig anderes Verhalten als bei unseren Lernvideos. Auf die werde ich als Schüler*in aufmerksam, wenn ich nach guten Erklärfilmen und Animationen suche. Das ist dann aber nicht unbedingt ein Grund, den Kanal zu abonnieren.

Was bedeutet das für Ihren Kanal? 

Wir sehen: Um eine Community aufzubauen, müssen Sie eine Serie etablieren, die in der Machart dem Geschmack des jungen Publikums entspricht. Dabei sind Influencer*innen das Salz in der Suppe. Das sind Personen, an die man sich bindet. Wir haben es geschafft, zwischen Januar 2020 und Januar 2021 die Zahl der Abonnent*innen um 50 Prozent zu erhöhen. Gerade in der Altersgruppe zwischen 18 und 24 haben wir viele neue Follower*innen gewonnen. Ich glaube nichtsdestotrotz, dass das Projekt limitiert ist. Wie lange man so eine Kooperation fortführen kann? Das wissen wir noch nicht. Die Hardcore-Grundlagenthemen sind auch mit Influencer*innen schwer zu kommunizieren. Wir machen aber erst einmal weiter, weil wir das Projekt gut finden. Grundsätzlich können wir nicht so unterhaltsam sein wie die Influencer*innen auf ihren eigenen Kanälen. Da sind einem Corporate-Kanal Grenzen gesetzt. Das ist nicht anders als auf Twitter. Dort sind individuelle Kanäle in der Regel auch attraktiver, einfach weil sie authentischer sein können.

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Besteht auch die Gefahr, falsche Schlüsse aus so einer Evaluation zu ziehen?

Unsere Erfahrungen decken sich mit der Gesamtanalyse der Kollegen von der Universität Trier, die in einer Studie herausgefunden haben, dass Präsentationsvideos und Animationen auf Youtube am besten angenommen werden. Filme, in denen Wissenschaftler*innen bloß reden, laufen leider nicht so gut. Ich sage „leider“, weil wir eigentlich gerne einen Einblick ins Labor geben wollen. Da stellt sich die Frage: Gibt es möglicherweise eine andere Zielgruppe, für die das interessant ist? Wir haben auch eine Scientific Community, also Personen, die bei uns forschen oder zukünftig gerne forschen möchten, die wir nicht ganz vernachlässigen dürfen. In dem Moment, wo wir aber eine Zielgruppe spezifisch adressieren, schließen wir eine andere aus. Als Zwischenstand würde ich sagen: Es gibt nicht die eine Lösung. Die Fragmentierung von Zielgruppen stellt uns alle vor enorme Herausforderungen.

Welche Bedenken gibt es bei der Zusammenarbeit mit Influencer*innen – auf beiden Seiten?

„Für uns ist ganz wichtig: Es dürfen keine wissenschaftlichen Fehler passieren. Das kann sich eine Marke wie Max-Planck nicht leisten.“ Christina Beck
Für uns ist ganz wichtig: Es dürfen keine wissenschaftlichen Fehler passieren. Das kann sich eine Marke wie Max-Planck nicht leisten. Für die Influencer*innen ist sicherlich wichtig: Es darf keine einseitige Meinungsmache sein. Das würde ihnen schaden, weil sie nicht vereinnahmt werden wollen. Ich glaube aber, dass die Zusammenarbeit mit Influencer*innen im Wissenschaftsbereich viel unkritischer ist, als im Businessbereich, wo man wirklich überlegen muss: Mit welcher Marke mache ich mich gemein? Die Science-Influencer*innen kommen aus einem wissenschaftlichen Umfeld. Ihre Motivation ist die Begeisterung für Wissenschaft und nicht das finanzielle Interesse, das viele andere Influencer*innen haben, die klassisches Product-Placement machen. Uns eint das Ziel, wissenschaftliche Fakten verfügbar zu machen und für junge Menschen attraktiv aufzubereiten.

Warum sind Ihnen regelmäßige Evaluationen wichtig?

Sie können viel Geld in Kommunikation stecken und unendlich viel machen, sofern Sie hinreichend Manpower haben. Nun sind bei uns allen die Mittel limitiert. Deshalb muss man schon kritisch prüfen, wofür man sie einsetzt. Parallel müssen wir überlegen: Wo wollen wir präsent sein? Welche Zielgruppen sind für uns besonders wichtig? Denn inzwischen sind die Kanäle und Zielgruppen so stark fragmentiert, dass Sie irgendwo einen Schwerpunkt setzen müssen. Es gibt nicht mehr dieses „one-size-fits-all“ wie in der 70er- oder 80er-Jahren. Unsere Kolleg*innen haben damals Pressemitteilungen verschickt und die Journalist*innen haben das verarbeitet. Heute können wir über Instagram, Youtube, Printmagazine oder Ausstellungen einen riesigen Blumenstrauß an Formaten zusammenstellen. In dieser Hinsicht sind wir manchmal auch Getriebene. Häufig werden von politischer Seite noch mehr Anstrengungen gefordert. Um solche Forderungen kritisch zu hinterfragen, brauchen wir fundierte Daten. So können wir zeigen, mit welchen Formaten wir spezifische Zielgruppen tatsächlich nachhaltig und in entsprechender Zahl erreichen. 

Denken Sie, dass in der Wissenschaftskommunikation ausreichend evaluiert wird?

„Bei Themen wie der Entdeckung der Gravitationswellen wählen Sie andere Wege, als wenn Sie zu einem in der Öffentlichkeit heiß diskutierten Thema wie Migration forschen.“ Christina Beck
Nein, definitiv nicht. In den vergangenen 20 Jahren – seit Unterzeichnung des PUSH-Memorandums – ist schon viel passiert. Aber gerade bei der Weiterentwicklung der Wissenschaftskommunikation braucht man eine belastbare Basis zu Fragen wie: Was hat gut funktioniert? Was funktioniert weniger gut? Was funktioniert für wen? Es bedarf einer spezifisch zugeschnittenen Strategie auf die jeweiligen Inhalte. Bei Themen wie der Entdeckung der Gravitationswellen wählen Sie andere Wege, als wenn Sie zu einem in der Öffentlichkeit heiß diskutierten Thema wie Migration forschen. Bei Youtube gibt es eine weitere Herausforderung: Aufgrund des Algorithmus ist es sehr unterschiedlich, wem an welcher Stelle bestimmte Videos vorgeschlagen werden. Das finde ich unglaublich wichtig mit Blick auf die Frage: Wie können wir unsere Zielgruppen erreichen? Und wohin führt es, wenn Leute in ihren eigenen Medienblasen hängenbleiben? Deshalb braucht es meiner Meinung viel mehr innovative Forschung zu dem Thema. Die haben wir hier in Deutschland noch nicht hinreichend.

Was bräuchte es, damit mehr Evaluation stattfindet?

Einiges können Sie mit Bordmitteln selbst manchen. Aber wenn Sie zum Beispiel mit Lehrer*innen den Erfolg von Lernvideos evaluieren wollen, dann brauchen Sie Kooperationspartner, wie wir mit der Universität Würzburg. An dieser Stelle möchte ich auch auf die Sackler-Kolloquien in den USA verweisen, die ich in ihrer Konzeption sehr gelungen finde. Das fehlt uns hier in Deutschland. Dort hat man Kommunikator*innen, Wissenschaftler*innen und Kommunikationsforscher*innen zum Thema Wissenschaftskommunikation zusammengebracht. So entsteht ein Dialog über die Grenzen der Disziplinen und Rollen hinweg. Denn meine Sicht als Kommunikator*in ist eine andere als die der kommunizierenden Wissenschaftler*innen, die sich als Personen ganz anders exponieren. Und die kommunikationswissenschaftlichen Beiträge berücksichtigten sozialwissenschaftliche, psychologische wie auch politische Aspekte. Ich nenne mal ein schlichtes Beispiel für die Praxis: Wir haben lange diskutiert, ob wir mit dem Ziel nach mehr Dialog Kommentare unter unseren Artikeln zulassen. Dann brachte vor ein paar Jahren Dietram A. Scheufele, der in den USA forscht, eine Studie heraus, in der er untersucht hat, wie Negativ-Kommentare unter Beiträgen beispielsweise zu neuen Technologien Polarisierung verstärken (Nasty Effect) und damit das eigentliche Ziel eines partizipativen Diskurses unterlaufen. Man braucht wissenschaftlichen Input für die Kommunikationspraxis. Und Sie brauchen Expertise, um eine Evaluation wissenschaftlich fundiert durchzuführen. Man muss nicht immer alles „überakademisieren“. Aber die Frage „Was machen wir warum – und wie erfolgreich?“ sollte man sich beim Einsatz aller Kanäle stellen.

Beck, C.; Donhauser, D. (2021): Pushing the Max Planck YouTube Channel With the Help of Influencers. Frontiers in Communication. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fcomm.2020.601168/full