Wie Wissenschaftskommunikation zukunftsfest werden kann, diskutierte die Community auf der Convention ‘25. Die Veranstaltung markierte nicht nur den Abschluss der zweiten Edition, sondern setzte auch den Startpunkt für eine neue Etappe der Factory Wisskomm.
#FactoryWisskomm: Was die Convention ’25 der Community mitgibt
Am 16. Mai 2025 kamen rund 130 Gäste aus Wissenschaft, Politik, Medien und Zivilgesellschaft zur Convention ‘25 der Denkfabrik Factory Wisskomm im Bundesministerium für Forschung, Technologie und Raumfahrt (BMFTR) zusammen. Die Veranstaltung bot nicht nur einen Rückblick auf die Ergebnisse der bisherigen Taskforces, sondern stellte auch die Weichen für die Zukunft. Diskutiert wurde unter anderem in mehreren Fishbowl-Runden mit den Sprecher*innen der Taskforces. Der neue parlamentarische Staatssekretär Marcus Pleyer begrüßte die Teilnehmenden mit einem deutlichen Bekenntnis zur Bedeutung von Wissenschaftskommunikation in demokratischen Gesellschaften. In den Diskussionen wurde jedoch auch deutlich: Zwischen Anspruch und Wirklichkeit klafft noch immer eine Lücke. Wissenschaftskommunikation sollte, so die Diskutierenden, vielfältig gedacht werden – lokal verankert und dennoch international vernetzt, niederschwellig und strategisch, institutionell gestützt und individuell getragen.
Kompetenzaufbau im Spannungsfeld zwischen individuellen und institutionellen Bedürfnissen
Im Zentrum der ersten Fishbowl-Diskussion zum Thema „Forschende befähigen und unterstützen“ stand die Frage, wie Kompetenzen in der Wissenschaftskommunikation aufgebaut werden können, insbesondere im Spannungsfeld zwischen institutionellen Strategien, individuellen Bedürfnissen und neuen technologischen Entwicklungen. Katja Knuth-Herzig, Referentin für Weiterbildung und Beratung am Zentrum für Wissenschaftsmanagement in Speyer, schilderte die Arbeit der Taskforce Kompetenzaufbau, die zentrale Stellschrauben identifiziert hat. Es brauche niedrigschwellige, zugleich aber qualitativ hochwertige Angebote für den Kompetenzaufbau. Ob diese Angebote greifen können, hänge dabei von zwei Bedingungen ab: der internen Unterstützung durch die eigene Institution und der Verfügbarkeit sinnvoller externer Formate.
Querschnittsthema oder Profilelement?
Ulrike Tippe, Vizepräsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, verwies auf strukturelle Zielkonflikte, die gerade aus der Perspektive von Hochschulleitungen spürbar seien. Wissenschaftskommunikation stünde für viele Beschäftigte in Lehre und Forschung noch in Konkurrenz zu weiteren Aufgaben, die sich unter anderem aus Querschnittsthemen wie Nachhaltigkeit oder Digitalisierung ergeben. Das auszugleichen, sei dann eine Frage der Ressourcen und der Priorisierung. An dieser Stelle widersprach Julia Wandt, Beraterin für Wissenschaftskommunikation, deutlich. Sie plädierte dafür, Wissenschaftskommunikation nicht als beliebiges Querschnittsthema zu behandeln, sondern als übergeordnetes Profilelement von Hochschulen, das in alle anderen Querschnittsthemen und Kernaufgaben reinspielt.
Die Taskforce Künstliche Intelligenz warnt vor ‘Schatten-KI’
Ein zweiter Schwerpunkt der Diskussion lag auf dem verantwortungsvollen Einsatz von generativer Künstlicher Intelligenz in der Wissenschaftskommunikation. Matthias Begenat, Leiter der Wissenschaftskommunikation am Center for Advanced Internet Studies (CAIS) in Bochum, skizzierte dazu mehrere Handlungsebenen. Auf der Ebene der Kommunikator*innen und Forschenden gehe es vor allem um Fehlerprävention und Qualitätssicherung, aber auch um einen kreativen KI-Einsatz entlang der unterschiedlichen Planungsdimensionen, wie etwa der Aufbereitung der Inhalte, der Zielgruppenansprache oder auch der Evaluation. Gleichzeitig warnte er vor der Gefahr einer „Schatten-KI“, die oft halb-privat im Hintergrund genutzt werde, ohne dass dies in den Kommunikationsteams offen thematisiert werde. Institutionen, so Begenat, seien gefordert, Zugänge für KI-Anwendungen und Ressourcen für den gezielten Kompetenzaufbau im Umgang mit KI bereitzustellen. Auf einer übergeordneten Ebene brauche es Allianzen, etwa zwischen den großen Forschungseinrichtungen, den Universitäten und Hochschulen sowie der Wissenschaftspolitik, um gemeinsam Standards zu entwickeln, zum Beispiel zur Kennzeichnung des KI-Einsatzes.
Vision einer „Hochschule der Wissenschaftskommunikation“
In der zweiten Fishbowl „Wissenschaftliche Einrichtungen sensibilisieren und Strukturen ausbauen“ ergänzten Benedikt Fecher, Julia Wandt und Andreas Scheu die Runde. Das Thema war nun, wie Wissenschaftskommunikation als strategisches Element in wissenschaftlichen Einrichtungen verankert werden kann. Im Zentrum standen Fragen der Profilbildung, des Impacts sowie dem Verhältnis von Forschung und Praxis. Julia Wandts Vision, analog zur „Nachhaltigen Hochschule”, ist eine „Hochschule der Wissenschaftskommunikation“. Robert Schlögl, Präsident der Alexander von Humboldt-Stiftung, brachte eine kritische Perspektive in die Runde. Er warnte vor einem allzu positiven Bild. Auch in den Leitungsebenen gebe es noch erhebliche Widerstände gegenüber der Wissenschaftskommunikation. Schlögl betonte: „Es ist extrem wichtig, dass es eine gleichmäßige Anerkennung der Wisskomm in Deutschland gibt.“ Dafür müsse noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden.
Keine zentralistischen Leitlinien für gute Wisskomm
Benedikt Fecher, Geschäftsführer von Wissenschaft im Dialog*, rückte Qualität und Wirkung von Wissenschaftskommunikation in den Fokus. Diese seien eng mit Profil- und Kompetenzbildung verknüpft. Es mangele nicht an Ansprüchen, sagte er. „Nicht mehr, sondern besser“ sei das Leitmotiv, das die Dynamik öffentlicher Erwartungen ernst nehmen müsse. Fecher sprach sich gegen einheitliche Vorgaben aus: „Die Handlungsempfehlungen der Factory sind keine zentralistischen Leitlinien für gute Wisskomm.“ Es gebe bereits bestehende Empfehlungen aus unterschiedlichen Perspektiven, die alle ihre Berechtigung hätten.
Mehr Begegnungsräume und transdisziplinäre Ausschreibungen
Andreas Scheu, Professor für Wissenschaftskommunikation und Wissenschaftsjournalismus am Institute for Comparative Media and Communication Studies der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und der Universität Klagenfurt, richtete den Blick auf das Verhältnis von Forschung und Praxis. Um Wissenschaftskommunikation zukunftsfest zu machen, sei ein engerer Austausch zwischen beiden Bereichen nötig. Scheu berichtete von einem Positionspapier seiner Taskforce mit drei zentralen Forderungen: Erstens brauche es Begegnungsräume, in denen sich Praxis und Forschung öffnen und regelmäßig austauschen können. Zweitens fehle häufig das Wissen darüber, was in anderen Communities geschieht – ein kontinuierliches Monitoring sei hier notwendig. Drittens müsse gezielte Förderung die unterschiedlichen Logiken berücksichtigen, etwa durch transdisziplinäre Ausschreibungen.
Ein gemeinsames europäisches Verständnis
In der dritten Fishbowl diskutierten die Runde nun auch mit Philipp Schrögel, Gian-Andri Casutt und Julia Hahn darüber, wie Communities gestärkt und Synergien geschaffen werden können – auf internationaler und regionaler Ebene. Dabei standen die Notwendigkeit eines gemeinsamen Verständnisses von Wissenschaftskommunikation, die Rolle von Science Diplomacy und der Zugang zu diversen Zielgruppen im Mittelpunkt.
Gian Casutt, Leiter der Kommunikation des ETH-Rats, hob hervor, dass die internationale Vernetzung entscheidend sei, um voneinander zu lernen und gute Praxis zu teilen. Dabei sei ein gemeinsames europäisches Verständnis von Wissenschaftskommunikation notwendig, insbesondere mit Blick auf geopolitische Entwicklungen. Deutschland bewege sich auf hohem Niveau, allerdings bleibe der kulturelle Rahmen oft national begrenzt.

Unkonventionelle Formate schaffen Austausch
Die Taskforce Diversität beschäftigte sich unter anderem mit der Frage, wie vielfältige Zielgruppen erreicht werden können. Schrögel betonte, dass es notwendig sei, die gesellschaftliche Komplexität anzuerkennen. Gleichzeitig plädierte er für Offenheit gegenüber unkonventionellen Formaten wie etwa dem ‘Heimspiel Wissenschaft’. Julia Hahn, Wissenschaftlerin am Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse Karlsruhe, verwies im Gespräch auf die Wichtigkeit, ein deutsches Netzwerk für Policy Engagement aufzubauen. Ziel sei es, den Austausch zwischen Politik, Verwaltung und Wissenschaft zu verbessern und systematisch und zielgerichtet innovative Formate und Methoden der Wissenschaftskommunikation einzusetzen und ihre Wirksamkeit zu analysieren.
Verankerung, Governance, Zukunftsfähigkeit
In der Abschlussrunde wurde ein Blick in die Zukunft der Factory Wisskomm geworfen. Für Harald Franzen vom BMFTR ist die Factory ein „einzigartiges Format“. Dieses solle zukünftig durch zwei Gremien neu strukturiert werden, während die Taskforces, die auch als „Fühler in der Community“ fungierten, erhalten bleiben. Matthias Mayer, Leiter des Bereichs Wissenschaft der Körber-Stiftung Hamburg, reflektierte auch die Ambivalenzen der Factory-Erfahrung. Die Identität der Factory bleibe nach fünf Jahren vage: ein „Bootcamp“, eine „Denkwerkstatt“, ein „Höhentrainingslager“ oder ein „Brutgebiet für neue Ideen“. Diese Unschärfe sei zugleich Herausforderung und Potenzial. Der Vorschlag einer „Wisskomm-Schutzgebieteverordnung“, die das entstandene Biotop unter Schutz stellt, sorgte für Heiterkeit und Zustimmung. Gleichzeitig betonte Mayer: Es gebe noch viele offene Baustellen, „die Ziele aus dem ersten Ordner sind noch nicht bewältigt“, und die Daueraufgaben blieben bestehen.
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Das Ergebnispapier: #FactoryWisskomm Edition 2 – Umsetzung, Ergebnisse und neue Perspektiven
* Wissenschaft im Dialog (WiD) ist einer der drei Träger des Portals Wissenschaftskommunikation.de.