Grafik: Denisa Herman

„Es macht einfach Spaß, Geschichten aus der Wissenschaft zu teilen“

Anna Henschel promoviert und kommuniziert über soziale Robotik und kann sich gut vorstellen, bald die Wissenschaftskommunikation zum Beruf zu machen. Im Interview spricht sie über ihren Start bei FameLab und Twitter und warum sie sich wünscht, dass Wissenschaftskommunikation auch in der Berufsorientierung an Universitäten eine größere Rolle spielt.

Frau Henschel, weshalb finden Sie es wichtig, Ihre Forschung zu kommunizieren?

Weil in der Wissenschaft so viele spannende Geschichten stecken und es Spaß macht, auch die menschliche Seite der Wissenschaft zu zeigen. Außerdem finde ich, dass die Bevölkerung ein Recht darauf hat, zu erfahren, was mit ihren Steuergeldern erforscht wird.

Wie sind Sie neben Ihrem Master und der Promotion zur Wissenschaftskommunikation gekommen?

Anna Henschel promoviert an der University of Glasgow zum Thema Mensch-Roboter-Interaktion. Nach einem Psychologiestudium an der Universität Konstanz und einem Master in Neuropsychologie an der Vrije Universiteit Amsterdam untersucht sie jetzt, wie wir mit sozialen Robotern interagieren und welche Aspekte des menschlichen Sozialverhaltens in diesem Kontext eine Rolle spielen. Neben ihrer Forschung schreibt und editiert sie Texte für diverse Blogs und Onlinemagazine und gibt regelmäßig öffentliche Vorträge zum Thema Robotik, Wissenschaftskommunikation und Open Science. Foto: Will Johnston

Ich hatte bei einem Praktikum am niederländischen Institut für Neurowissenschaften eine tolle Betreuerin, die neben ihrer Forschung auch in der Wissenschaftskommunikation aktiv war. Die hat mich darin bestärkt, das Format FameLab auszuprobieren, das zu der Zeit in Amsterdam stattfand. Für meine Masterarbeit habe ich mich zu dem Zeitpunkt damit beschäftigt, wie das Spiegelneuronensystem im Gehirn Empathie beeinflusst. Das in drei Minuten allgemeinverständlich zu erklären, war eine tolle Herausforderung und hat viel Spaß gemacht. So habe ich die Wissenschaftskommunikation für mich entdeckt und das während der Promotion weiter ausgebaut.

Was ist Ihr Lieblingskanal?

Ich kommuniziere vor allem über Twitter. Darauf habe ich mich konzentriert, weil mir eine Freundin erzählt hat, dass dort viel über Wissenschaft diskutiert wird. Sie hat mir auch erste Tipps gegeben, zum Beispiel, erst mal einen Informationskreis aufzubauen. Also bin ich erst Forschenden, Organisationen und Förderstellen gefolgt und habe mir nützliche Hashtags gesucht, um die für mich passenden Communities zu finden. Das funktioniert recht einfach und schnell, was ein großer Vorteil von Twitter ist. Ziemlich bald hat mich das Administrationsteam von Real Scientists Deutschland angesprochen, ob ich den Account für eine Woche übernehmen möchte. Das habe ich gemacht und habe mir dadurch eine viel größere Community erschlossen.

Was haben Sie aus der Woche bei den Real Scientists mitgenommen?

Dass es eine ziemliche Herausforderung ist, einen großen Twitteraccount zu betreuen. Man führt viele Diskussionen gleichzeitig und muss dabei den Überblick behalten. Diese Community konnte ich aber auch direkt fragen, was sie an meinem Forschungsschwerpunkt, der sozialen Robotik, am meisten interessiert. Das war ein wertvolles Feedback. Ich habe auch gemerkt, dass visueller Content gut funktioniert und dass man auf Twitter in Threads gut in die Tiefe gehen kann. Außerdem habe ich mich zum ersten Mal mit Trollen auseinandersetzen müssen und gelernt, dass manche Themen doch kontroverser sind, als ich zunächst gedacht hätte. Neben meiner Forschung twittere ich auch über das Thema Gleichstellung in der Wissenschaft und da gibt es immer wieder negatives Feedback. Dabei habe ich aber tollen Support von den Administratorinnen und Administratoren des Accounts bekommen. Das hat mich bestärkt, weiterzumachen.

Wie begegnen Sie negativen Kommentaren auf Twitter?

Zuerst hat mich das sehr mitgenommen. Ich habe aber schnell eine Strategie entwickelt, damit umzugehen. Wenn es Trolle sind, die gar kein echtes Gespräch suchen, sondern nur kritisieren wollen, schalte ich sie stumm. Manchmal ist es aber auch schwierig, die Absichten einzuordnen. Da hilft es, in sachlich-freundlichem Tonfall das Gespräch zu suchen. Damit kommt man oft schon weiter.

Was sind Ihre Pläne für die Zukunft im Bereich Wissenschaftskommunikation?

Ich finde es spannend, neue Medien auszuprobieren. Neben Twitter habe ich begonnen, für Blogs und Online-Wissenschaftsmagazine zu schreiben und habe Video– und Podcastformate ausprobiert. Außerdem möchte ich gerne noch Instagram als Plattform ausprobieren, um zu schauen, was man mit Storys machen kann, oder vielleicht Youtube. Karrieretechnisch kann ich mir auch vorstellen, ganz in die Wissenschaftskommunikation zu wechseln.

Haben Sie Vorbilder oder Unterstützung bei Ihren Schritten in die Wissenschaftskommunikation?

Ich schaue gerne „Kurzgesagt“ oder „MaiLab“ auf Youtube, folge Wissenschaftskanälen wie dem Wissenschaftsjahr und dem Alan Turing Institute auf Twitter oder höre Podcasts – am liebsten Ologies, Flash Forward oder Story Collider. Von dort hole ich mir Inspiration. Insgesamt würde ich mir aber schon mehr Ansprechpersonen wünschen, an die man sich mit Fragen wenden kann, die Feedback oder technische Tipps geben. Das Thema wird in der akademischen Ausbildung noch viel zu wenig behandelt. Ich habe zwar einen Workshop zu Social Media für Promovierende besucht, dabei ging es aber eher um Vernetzung als um Wissensvermittlung. Auch als Karriereoption wird es im Studium oder während der Promotion kaum erwähnt. Um mich über andere Karriereoptionen zu informieren, habe ich darum viele „Informational Interviews“ geführt. Über das Format hatte ich auf LinkedIn gelesen und habe das einfach ausprobiert.

Wie funktionieren Informational Interviews?

Über Empfehlungen meiner Kolleginnen und Kollegen oder Professorinnen und Professoren habe ich mich nach ehemaligen Promovierenden in meinem Gebiet umgeschaut, die Jobs machen, die für mich spannend klangen. Die habe ich dann gefragt, ob sie sich mit mir über ihre Arbeit unterhalten würden. Einige haben das gemacht und mir mehr über ihre Aufgaben und ihren Berufsweg erzählt. Dazu gehörten Datenjournalismus, wissenschaftliches Schreiben oder eben Wissenschaftskommunikation. Das ist ein tolles Format, aber auch sehr aufwendig. Darum wünsche ich mir eine viel breitere Berufsorientierung der Hochschulen, zum Beispiel, dass sie die Vernetzung zu Alumni in nichtakademischen Berufen fördern.