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„Es ist wichtig, Frauen in der Wissenschaft mehr in den Fokus zu rücken“

Drei Forscherinnen stehen beim Wissensformat „Princess of Science” vor der Kamera, um Begeisterung für die Wissenschaft zu wecken und Vorbilder zu schaffen. Wie Johanna Baehr, Linh Nguyen und Patrizia Elinor Thoma dazu kamen, erklären sie im Interview.

Frau Thoma, Frau Nguyen, Frau Baehr, Sie sind alle Forscherinnen und moderieren gleichzeitig das Fernsehformat „Princess of Science“ im KiKA des ZDF, wie kamen Sie dazu?

Patrizia Elinor Thoma ist studierte Ingenieurin der Biotechnologie und Biochemikerin. Neben Ihrer Doktorarbeit im Bereich der Pflanzenwissenschaften moderiert sie das Wissensformat „Princess of Science“ mit. Foto: ZDF

Patrizia Elinor Thoma: Es war mehr oder weniger Zufall. Ich war Teil eines Uni-Verteilers und irgendwann ging bei mir eine E-Mail mit dem Aufruf der Produktionsfirma ein. Sie haben junge MINT-Wissenschaftler*innen für eine Fernsehserie gesucht und ich dachte: Wissenschaftlerin passt, jung joah. Da ich das Projekt super spannend fand, habe ich ein Video hingeschickt und wurde zum Casting eingeladen. Als ich eine der drei Princesses geworden bin, habe ich mich sehr gefreut.

Johanna Baehr: Das war bei mir genauso.

Linh Nguyen: Bei mir war es ein bisschen anders. Da beim Casting keine passende Physikerin gefunden wurde, ist die Produktionsfirma auf die Internetseite meines Lehrstuhls gelangt und hat es auch telefonisch bei uns im Büro versucht. Da war zufällig ich am Telefon. Als ich erfuhr, was für ein Projekt sie gestalten möchten, konnte ich mir das gut vorstellen und habe zugesagt.

Linh Nguyen ist Chemikerin und promoviert an der Ludwig-Maximilians-Universität München im Bereich Physik. Gleichzeitig ist sie als Moderatorin Teil des „Princess of Science“-Teams. Foto: ZDF

Ein Ziel des Formats „Princess of Science“ ist es, für Mädchen, weibliche Vorbilder in der Wissenschaft zu schaffen. Sehen Sie das auch so?

Baehr: In meiner Kindheit waren Wissenschaftler*innen im Fernsehen immer Männer. Ich finde es wichtig, dass auch Frauen eine solche Show moderieren und über Forschung berichten. Dabei reden wir nicht die ganze Zeit über Frauenthemen. Auch versuchen wir nicht girly rüberzukommen, um unsere Zielgruppe zu erreichen. Wir wollen schlicht wissenschaftliche Zusammenhänge verständlich erklären.

Thoma: Es gibt auch wissenschaftliche Belege dazu, wie Kinder Forschende wahrnehmen. Mit dem Ansatz „Draw a scientist“ wurden Kinder in den USA gebeten, Wissenschaftler*innen zu zeichnen. Hier zeigte sich, dass kleine Kinder meist ihr eigenes Geschlecht malen. Mädchen malen also Mädchen und Jungs malen Jungs. Wenn sie hingegen am Anfang der Pubertät dieselbe Frage gestellt bekommen, malen viele Mädchen auch eher Männer, weil sie durch ihr Umfeld beeinflusst wurden, unter anderem auch durch die Medien. Sie denken dann, Wissenschaftler*innen müssen männlich sein. Das ist ein echtes Defizit. Es ist wichtig, Frauen in der Wissenschaft mehr in den Fokus zu rücken. Forschung hat kein Geschlecht. Du brauchst die Leidenschaft und den Spaß, warum sollte das als Frau nicht gehen? Deshalb finde ich das Projekt super, weil es genau hier ansetzt.

Johanna Baehr ist Elektrotechnikerin und promoviert an der Technischen Universität München. Gemeinsam mit ihrem Kolleginnen moderiert sie die Fernsehsendung „Princess of Science“. Foto: ZDF

Baehr: Vor allem spiegelt die Sichtbarkeit der Forscherinnen in den Medien keinesfalls immer die Geschlechterverteilung in den Disziplinen wieder. Beispielsweise in der Chemie und Biologie sind längst nicht mehr so wenige Frauen vertreten. Trotzdem sind die Forschenden im Fernsehen oder Radio meistens Männer, möglicherweise ein auch schon älteres Kaliber.

Nguyen: In der Physik sind es immer noch deutlich mehr Männer als Frauen. Ich bin die einzige Frau in meiner Arbeitsgruppe. Je weiter man in der wissenschaftlichen Laufbahn kommt, desto weniger Frauen trifft man an.

Die Zielgruppe des Formats „Princess of Science“ sind vor allem Kinder. Wie bereiten Sie sich auf die richtige Kommunikation für diese Zielgruppe vor? 

Nguyen: Wir erhalten im Vorhinein gute Drehbücher, die von Wissenschaftsjournalist*innen explizit für die Zielgruppe verständlich geschrieben wurden. Das nimmt uns eine Menge Arbeit ab und hilft zu verstehen, was wir bei der Zielgruppe an Wissen voraussetzen können und wie wir wissenschaftliche Vorgänge erklären könnten. Wenn alle zusammenarbeiten, dann funktioniert es am Ende.

Baehr: Und wir haben unseren naturwissenschaftlichen Hintergrund und die Freiheit, Texte abzuändern, wenn etwas nicht ganz korrekt oder zu kompliziert ist. 

Thoma: Es ist gut, dass wir in einem Team zusammenarbeiten, dass ja auch schon lange Kinderfernsehen macht. Es kann trotzdem passieren, dass man sich nicht ganz so kindgerecht ausdrückt. Dabei hilft es, wenn ich mir vorstelle, es meinem siebenjährigen Neffen zu erklären. Etwas verständlich auszudrücken, lernt man viel zu wenig im Studium. Man kann einen Sachverhalt immer einfacher ausdrücken. Mir hilft es zu überlegen: Wie und wo kann ich ein Thema herunterbrechen, sodass die Quintessenz herauskommt und die Wissenschaft damit für jede*n verständlich ist.

Baehr: Auf der anderen Seite ist es wichtig, nicht zu sehr zu vereinfachen. Kinder verstehen mehr, als wir oft annehmen. Oft kann man relativ kompliziert über Themen sprechen und es wird dennoch verstanden.

„Etwas verständlich auszudrücken, lernt man viel zu wenig im Studium.“ Johanna Baehr

Wie war es für Sie, plötzlich und ohne Moderationserfahrung in diese Rolle zu schlüpfen?

Nguyen: Ich denke, jede von uns hatte eine Herausforderung, der sie sich stellen musste. Johanna hat zu schnell geredet, Patrizia hat zu viel herumgefuchtelt und ich sollte ernster sein jede bringt die eigenen Themen mit, an denen sie arbeiten muss.

Thomas: Man muss auch auf Knopfdruck performen können. Es ist Übungssache und etwas, das ich sonst als Forschende im Alltag nicht habe.

Baehr: Ich mache einiges in der Lehre und bin es gewohnt, von den Studierenden Feedback zu bekommen. Das ist am Set weniger der Fall. Außer bei unserem Kameramann, bei ihm sieht man es in den Augen, wenn es geklappt hat. 

Wie fielen die Reaktionen Ihres persönlichen Umfelds auf die neue Rolle als Moderatorin von „Princess of Science“ aus?

Baehr: Ich war in großen Meetings mit Partnern aus der Industrie und man hat mich darauf angesprochen: Übrigens, meine Tochter schaut eure Sendung, ist ein total großer Fan und möchte dich gerne kennenlernen. Das waren dann 50-jährige Herren, die während der Projektmeetings total begeistert waren und wissen wollten, wie es weitergeht.

Thoma: Bei mir war es auch durchweg positiv. Alle fanden es cool, sowohl Freunde mit, aber auch ohne Kindern, als auch Forschungskolleg*innen. Einmal kam unsere technische Assistentin aus unseren Laboren zu mir und meinte: „Ich schaue mir eure Sendung immer mit meinem Mann an.”

Nguyen: Menschen, die nicht so viel mit Fernsehen zu tun haben, wundern sich, wie ich dazu gekommen bin, es sei doch eigentlich nicht mein Beruf. Es freut mich sehr, wenn ich beispielsweise höre: „Meine Nichte oder meine Tochter schaut eure Sendung und ist totaler Princess of Science-Fan“. Das ist schon toll. Wir wurden sogar einmal nach Autogrammen gefragt.

Welche Tipps haben Sie für den Start in der Wissenschaftskommunikation?

Thoma: Ein guter Einstieg ist zum Beispiel Youtube, wenn man Lust hat zu erklären und zu zeigen, was man in der eigenen Forschung macht.

Nguyen: Die Hürde kann am Anfang die Reichweite sein. Wenn man anfängt, Youtube-Videos hochzuladen oder einen Podcast startet, weiß man nicht, wie es ankommt und ob sich überhaupt jemand dafür interessiert. Für uns ist „Princess of Science“ eine riesige Chance gewesen, eine Art Sprungbrett. Wir sind in dieses Projekt eingestiegen und hatten durch KIKA sofort Reichweite. Aber wenn ich das jetzt alleine machen müsste, wäre das schon schwer.

„Für mich ist das Wichtigste an der Wissenschaftskommunikation und auch an der Lehre, dass es mehr ist als Erklären.“ Johanna Baehr

Baehr: Für mich ist das Wichtigste an der Wissenschaftskommunikation und auch an der Lehre, dass es mehr ist als Erklären. Es sind nicht nur die harten Fakten, sondern ich muss auch erklären, warum etwas cool ist. Ich muss Enthusiasmus und Motivation mitbringen. Das Thema Reichweite ist ein Problem, aber wenn es mehr ist als ein Vortrag, ein Paper oder eine harte Erklärung ist, sondern Freude macht, dann kann es trotzdem gelingen. Man muss Begeisterung schaffen, dann bleiben die Leute auch dabei.

Forschen und gleichzeitig moderieren wie klappt beides und warum lohnt es sich für Sie?

Nguyen: Um „Princess of Science“ drehen zu können, nehmen wir uns von der eigentlichen Arbeit Urlaub. Alleine für die Drehzeiten fallen effektiv pro Staffel dreieinhalb Wochen an.

Baehr: Zu der Drehzeit kommen noch Vor- und Nachbereitung hinzu, also Skripte durchlesen und alles Mögliche organisieren. Wahrscheinlich sind es eher sechs bis sieben Wochen Arbeit. Wir haben Glück, dass wir bei unserer eigentlichen Arbeit relativ flexibel sind. Wir haben die Möglichkeiten und auch Chefs, die uns unterstützen. Man tritt trotzdem selbst etwas zurück, aber es macht auch Spaß. Andere Leute gehen joggen in ihrer Freizeit, ich gehe auf einen Dreh.

Thoma: Ja, es ist anstrengend, aber man bekommt auch viel zurück. Es motiviert und pusht mich in meiner eigenen Forschung. Es ist schön, die Freude und die Leidenschaft unmittelbar weitergeben zu können.

Princess of Science

In der Fernsehsendung „Princess of Science“ des KIKA/ZDF treffen junge Mädchen auf die Moderatorinnen Patrizia Elinor Thoma (Biochemikerin), Linh Nguyen (Chemikerin und Physikerin) und Johanna Baehr (Elektro- und Informationstechnikerin) und wollen wissen, wie viel Wissenschaft in ihrem Alltag steckt.