Foto: Greg Rakozy

„Eine Heimat für Wissenschafts- und Forschungsthemen“

Der Forschungskosmos der ZEIT bietet Wissenschaftseinrichtungen eine Bühne, um sich und ihre Forschung zu präsentieren. Im Interview spricht Hanna Proner über den Kampf um Aufmerksamkeit, multimediale Formate und gute Wissenschafts-PR.

Frau Proner, der Forschungskosmos möchte der Wissenschaft eine Bühne bieten. Wie gelingt es, Einblicke in die Forschung zu geben?

Hanna Proner studierte Politikwissenschaft, Publizistik und Germanistik in Mainz. Schon während der Promotion und der anschließenden Juniorprofessur begeisterte sie sich für verschiedene Formate der Wissenschaftskommunikation. Seit 2012 ist sie beim ZEIT Verlag in Hamburg und berät als Direktorin Universities & Research, Public & Education Hochschulen und Forschungseinrichtungen zu Wissenschaftskommunikation, Forschungsmarketing und Rekrutierung wissenschaftlichen Personals. Foto: privat

Der Forschungskosmos ist eine Bühne für Wissenschafts-PR und soll eine Heimat für Wissenschafts- und Forschungsthemen sein. Wir wollen damit unsere Nutzer*innen bei ZEIT Online, von denen wir wissen, dass sie wissenschaftsinteressiert sind, mit einer breiteren Auswahl an Themen abholen. Dabei muss man immer dazusagen, was der Forschungskosmos ist und was nicht: nämlich Wissenschafts-PR und kein journalistisches Format. Er bietet Wissenschaftseinrichtungen eine Möglichkeit für selbstgesteuerte PR und zwar multimedial mit Bildern, Bildergalerien, Videos, Audioformaten wie Podcasts und einer Kombination dieser Formate bis hin zu der Einbindung von Social-Media-Streams oder Textformaten im Magazin-Stil oder als Interview. All das können wir mittlerweile im Forschungskosmos abbilden. Je nach Wunsch der Einrichtungen können nur die Reichweite – also die Platzierung – und das technische Producing auf unserer Seite gezahlt werden, oder zusätzlich auch die Kreation – also die Erstellung der Inhalte über unsere interne Kreativeinheit Studio ZX.

Wie wird für die Leser*innen sichtbar, dass es sich dabei um ein PR-Format und nicht um ein journalistisches Format handelt?

Die Beiträge sind am Anfang jeder Seite ganz klar als Anzeige gekennzeichnet. Das ist aus unserer Perspektive sehr wichtig, um die Absender*innen klar zu machen. Und auch das kommunizieren wir immer, indem wir sagen, das ist ein Beitrag dieser Universität oder jenes Forschungsinstituts. Wir bekommen aus unserer Leser*innenschaft viel positives Feedback. Sie sagen, dass sie wissen, dass darin Leitlinien und Konzepte einfließen, dass wir darauf achten, einen Quercheck zu machen, damit keine offensichtlichen Fehler in den Beiträgen sind. Obwohl es Anzeigenformate sind, lassen wir einen Qualitätscheck darüber laufen. 

Das Angebot wird also redaktionell betreut und es gibt Kriterien für die Qualitätssicherung?

„Dabei muss man immer dazusagen, was der Forschungskosmos ist und was nicht: nämlich Wissenschafts-PR und kein journalistisches Format.“ Hanna Proner
Genau, wir haben mit Tempus Corporate vom ZEIT Verlag eine eigene Serviceredaktion, die zum einen den Rahmen vorgibt. Wir sind meistens thematisch oder regional im Forschungskosmos unterwegs, wir setzen Themen wie beispielsweise im Moment Digitalisierung als großes Thema und dieses wird dann journalistisch von der Serviceredaktion – klar getrennt von der journalistischen Redaktion – aufbereitet. Da gibt es auch einen Qualitätscheck nach den Kriterien guter Wissenschaftskommunikation.

Was ist dabei der größte Unterschied zur journalistischen Berichterstattung in der ZEIT?

Die journalistische Berichterstattung ist sehr stark entlang journalistischer Auswahlkriterien gesteuert. Im Kampf um Aufmerksamkeit, dem Medien unterliegen, gibt es eine sehr hohe Priorisierung von Themen. Wenn man sich die letzten zwei Jahre ansieht, hat sich unsere Wissensredaktion sowohl in Print als auch Online zu einem großen Teil mit der Coronapandemie beschäftigt. Wenn ich jetzt ein Thema beispielsweise aus dem Bereich der Geschichtswissenschaften kommunizieren möchte, ist es ziemlich schwierig, da durchzukommen. Nichtsdestotrotz gibt es in der Leser*innenschaft Menschen, die sich genau für diese Themen interessieren. Mit dem Forschungskosmos wollen wir den Einrichtungen die Möglichkeit bieten, Themen selber zu setzen.

An wen richtet sich das Angebot?

Auf Seite der Nutzer*innen ist es die typische ZEIT-Online-Nutzer*innenschaft: wissenschaftsaffin, alle Altersgruppen von Schüler*innen, die beispielsweise über den Studieninteressenstest zum Forschungskosmos kommen, bis zu klassischen News-Leser*innen, die über bestimmte Themen zu uns kommen. 

Die Beiträge kommen hauptsächlich von Wissenschaftseinrichtungen, also Universitäten, Hochschulen und außeruniversitären Forschungseinrichtungen, sehr viel seltener von Forschungseinrichtungen, die an Unternehmen angedockt sind, oder Ausgründungen. Es ist hauptsächlich institutionelle Wissenschaftskommunikation. 

Das kosten Beiträge im Forschungskosmos

Beim Forschungskosmos handelt es sich um ein Bezahlangebot des ZEIT Verlags für die Wissenschafts-PR. Die Kosten setzen sich aus der Produktion der Artikel und deren Reichweite zusammen. Die reine Produktion eines Artikels liegt bei 1.400 Euro im kleinsten Format. Die Reichweite von 100.000 Werbeeinblendungen, die auf den Artikel verweisen, kostet etwa 2.500 Euro. Video- oder Podcastproduktion oder ähnliche Elemente können hinzugefügt und Angebote des digitalen Forschungskosmos mit Formaten in der Printausgabe der ZEIT kombiniert werden. Für institutionelle Wissenschaftskommunikator*innen bietet der Forschungskosmos individualisierte Pakete für die Jahreskommunikation der Einrichtung an. 

Können Sie Zahlen nennen: Seit wann gibt es den Forschungskosmos, wie häufig wird er geklickt, wie hoch sind die Kosten für diejenigen, die ihn nutzen möchten?

Den ersten Forschungskosmos haben wir 2014 digital aus bestehenden Print-Anzeigenformaten entwickelt. Am Anfang war das ein reines Abbild der Printversionen. Dann haben wir angefangen zu experimentieren, wie man Wissenschaft durch multimediale Elemente noch besser kommunizieren kann. 2018 haben wir Online-only-Formate entwickelt. Manche Geschichten lassen sich digital einfach besser erzählen. In diesem Jahr gab es dann den Relaunch mit modernerem Design und besserer Strukturierung.

Wir haben relativ hohe Verweildauern von drei bis fünf Minuten Lesezeit, was im Digitalen eine lange Lesedauer für Artikel ist. Die Leser*innen springen also nicht rein und gleich wieder ab. Was wir auch sehen: Die Klickzahlen auf den einzelnen Artikeln variieren sehr stark, je nach Qualität der Inhalte der Einrichtungen. Je spannender die Geschichten erzählt werden, je multimedialer und aktueller sie sind, desto mehr Klicks erhalten die Artikel.

Sie haben angesprochen, dass im Forschungskosmos Geschichten erzählt werden sollen? Wie gelingt es, Wissenschaft und Forschung zu erzählen?

Ich finde es im Zusammenhang mit Storytelling – einem Buzzword, das ja auch immer wieder durch die Community geht – wichtig, immer wieder darauf hinzuweisen, dass es eine Form ist, Wissenschaft zu kommunizieren. Es ersetzt keine anderen Formate wie eine klare Ergebniskommunikation in Fachjournals. Aber Storytelling aus meiner Perspektive funktioniert immer dann gut, wenn Prozesskommunikation stattfindet. Wenn ich erkläre, wie Forscher*innen zu einem bestimmten Thema gekommen sind, was sie gemacht haben und was erste Erkenntnisse oder Rückschläge sind oder was man noch nicht an bestimmten Stellen weiß und dabei Forscher*innen, Themen oder Gegenstände in den Mittelpunkt einer Geschichte setze, dann funktioniert Wissenschaftskommunikation gut in Form von Geschichten.

Können Sie dafür ein Beispiel aus dem Forschungskosmos nennen, bei dem das besonders gut gelungen ist?

Wenn ich (...) Forscher*innen, Themen oder Gegenstände in den Mittelpunkt einer Geschichte setze, dann funktioniert Wissenschaftskommunikation gut in Form von Geschichten. Hanna Proner
Das Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt schafft es, über die Gesichter von Nachwuchswissenschaftler*innen, die an einem bestimmten Thema forschen, Geschichten zu erzählen. Auch, dass das DLR mehr als Luft- und Raumfahrtechnik macht, wofür es natürlich steht. Aber die Wissenschaftler*innen dort forschen auch im Bereich der Nachhaltigkeit oder in den Sozialwissenschaften. Das erzählen sie über Geschichten und man lernt die Forscher*innen dabei kennen. Alles ist mit Videoformaten unterlegt und man sieht, wie sie an ihren Forschungsgegenständen arbeiten. Was weniger gut funktioniert – ohne Bashing betreiben zu wollen – ist, wenn ein*e Leiter*in einer Einrichtung sich präsentieren möchte und sich mit einem Foto am Schreibtisch und einem klassischen PR-Text inszeniert. Das trifft häufig nicht den Ton der Leser*innen.

Auch verschiedene Social-Media-Kanäle sind Teil des Forschungskosmos. Bei Instagram gibt es einen gebrandeten Kanal, bei Twitter einen personenbezogenen Account. Warum haben Sie sich für diese Aufteilung entschieden?

Wir haben eine Social-Media-Verantwortliche und sie betreut einen personenbezogenen Twitter-Account. Der ist klar gekennzeichnet. Sie hat daneben auch noch einen privaten Account. Bei Twitter haben wir uns dafür entschieden, weil wir festgestellt haben, dass der Forschungskosmos als Marke noch nicht so stark ist. Der ZEIT-Account ist ein rein journalistischer und , weil wir die Trennung zwischen Redaktion und Vertragsprodukten sehr ernst nehmen, schließen wir die Vermarktung von Verlagsumfeldern über die Redaktionskanäle aus, die komplett unabhängig sind. Twitter zielt stark in Richtung Politik und Journalismus ab und für diese Zielgruppe wollten wir eine Person in den Vordergrund stellen, die dann auch angesprochen werden kann. Bei Instagram ist es anders, da wollten wir bewusst den Forschungskosmos als Marke in den Vordergrund stellen und langfristig als Umfeld positionieren.

„Wenn ich die öffentliche Kommunikation mit meiner Persönlichkeit verbinde, muss ich mit allem, was einströmt, umgehen können.“ Hanna Proner
Und das sind auch Entscheidungen, vor denen Wissenschaftler*innen stehen: Will ich meinen Account mit meinem Namen verknüpfen und persönlich kommunizieren oder ist es eher ein institutioneller Account, wo meine Wissenschaftskommunikation passiert? Oder ist es eine Mischform, bei der man zwar auch einen personalisierten Account hat, aber im Namen der Einrichtung spricht? In diesem Fall sollten persönliche Meinungen keine Rolle spielen. Wenn doch Meinungen geäußert werden, dann ist es zumindest institutionell abgestimmt. Das ist der Weg, den wir für uns gefunden haben.

Die Debatte, ob Wissenschaftler*innen aktiv in den sozialen Medien kommunizieren sollten, haben wir auch erst zuletzt mit unserer Community geführt. Was denken Sie?

Das finde ich spannend. Und gerade auch an einem aktuellen Fall ist zu sehen, wie es idealerweise funktioniert: Christian Drosten hat sich dafür entschieden, unter seinem Namen zu kommunizieren, aber mit dem vollen Back-up der Institution. Er sagt selbst, er hätte es nicht machen können, wenn er nicht den Rückhalt der Presseabteilung gehabt hätte. Die Pressesprecherin der Charité, Manuela Zingl, ist jetzt daher auch ganz zurecht nominiert als Forschungssprecher*in des Jahres 2021. Wissenschaftler*innen mit bestehenden persönlichen Accounts würde ich empfehlen, mit einem neuen Account zu starten, um Themen wie Privatleben und Familie außen vor zu lassen. Und es kommt immer die Frage auf, ob man mit den Reaktionen umgehen kann. Wenn ich die öffentliche Kommunikation mit meiner Persönlichkeit verbinde, muss ich mit allem, was einströmt, umgehen können. Beim Forum Wissenschaftskommunikation hatte ich ein Panel mit Robert Hoffie. Er forscht an gentechnisch veränderten Getreidepflanzen. Und er hat erzählt, was da alles geschrieben wird, das reicht bis hin zu Hassbotschaften. Gentechnik ist natürlich ein polarisiertes Thema. Aber welches Thema ist heute nicht polarisiert?