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Das war der Schwerpunkt Wissenschaftskommunikation International

Braucht es ein globales Zentrum für Wissenschaftskommunikation? Welche Perspektiven gibt es im Globalen Süden auf das Feld – und welche Hürden zu überwinden? Ein Überblick über die Themen, die im Schwerpunkt Wissenschaftskommunikation International wichtig waren.

In den vergangenen Wochen haben wir einen Blick über den Tellerrand der deutschsprachigen Wissenschaftskommunikation gewagt: Die Reise ging von Irland über Australien, Afrika und die Türkei bis nach Lateinamerika. Aber auch weit darüber hinaus wurden in Gastbeiträgen und Interviews Methoden, Initiativen und Projekte der Wissenschaftskommunikation aus aller Welt vorgestellt. Dabei wurde sichtbar, mit welchen politischen und sprachlichen Hürden Forscher*innen und Kommunikator*innen weltweit konfrontiert sind – Barrieren, die im europäischen Raum seltener auftreten. Die Beiträge zeigen aber auch, wie produktiv der Austausch über nationale Grenzen hinweg sein kann und die internationale Zusammenarbeit stärkt. 

Globale Vielfalt und Diversität 

Der Schwerpunkt Wissenschaftskommunikation International ist von Diversität geprägt. Foto: Clem Onojeghuo

Ein zentrales Element des Schwerpunktes sind die verschiedenen Perspektiven, Themen und Debatten im Feld der Wissenschaftskommunikation, die abhängig vom jeweiligen regionalen Kontext sehr unterschiedlich ausfallen können. Neue Blickwinkel auf die Wissenschaftskommunikation aus anderen Ländern und Kulturen einzunehmen, kann zu einem besseren gegenseitigen Verständnis beitragen. Darüber hinaus kann der Austausch auf internationaler Ebene den Weg zu fruchtbaren Kooperationen und neuen Impulsen für die eigene Forschung ebnen.

Eine dieser Perspektiven hat Elizabeth Rasekoala geteilt. Demnach sei die afrikanische Sichtweise in der Wissenschaftskommunikation global stark unterrepräsentiert und die Dominanz westlicher, weißer Forschung noch immer deutlich spürbar. Die Präsidentin des Netzwerks „African Gong – The Pan African Network for the Popularization of Science & Technology and Science Communication” erläutert im Interview, welche Schritte der kolonialen Emanzipation in den Ländern des Globalen Südens noch notwendig sind. 

„Bislang lenke die bisherige Auferlegung von externem Wissen von dem ab, was in Nigeria bereits an Kompetenz für Wissenschaftskommunikation vorhanden sei.“
Die Bedeutung nationaler Kultur und indigener Werte bekräftigen auch Temilade Sesan und Ayodele Ibiyemi im Interview. Sie sehen vor allem die Notwendigkeit darin, eine eigenständige Agenda der Wissenschaftskommunikation für Nigeria zu entwickeln, die das indigene Wissen des Landes berücksichtigt. Denn bislang lenke die bisherige Auferlegung von externem Wissen von dem ab, was in Nigeria bereits an Kompetenz für Wissenschaftskommunikation vorhanden sei.

Regionale Bezüge stehen ebenfalls bei den „Native Scientists” im Vordergrund. Das Nonprofit-Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, zumindest Sprachbarrieren abzubauen. Die Mitgründerin Joana Moscoso spricht im Interview über die Kommunikation in der Muttersprache und darüber, wie das Netzwerk mittlerweile europaweit Kinder mit Wissenschaftler*innen zusammenbringt. 

Die Herausforderungen, die sich für die Wissenschaftskommunikation aufgrund der Vielzahl an gesprochenen Sprachen in Indien ergeben, verdeutlicht Sarah Iqbal. Das Projekt „Superheroes Against Superbugs” hat es sich zur Aufgabe gemacht, über die wachsende antimikrobielle Resistenz in der Bevölkerung aufzuklären. Welche Rolle dabei Comics für eine junge Zielgruppe spielen, verrät sie im Interview. 

Auch Claudia Aguirre Ríos und Sergio de Régules machen in ihrem Gastbeitrag auf die Rolle von historischer Pluralität aufmerksam. Lateinamerika sei ein Schmelztiegel vergangener Begegnungen unterschiedlicher Kulturen, die in der Wissenschaftskommunikation mehr Beachtung finden sollten: „Showcasing the scientific heritage […] could help kindle in our audiences a sense of pride and of confidence in their people’s scientific creativity”.

Zwischen Zensur, Flucht und akademischer Freiheit

Nicht überall kann Wissenschaftskommunikation ohne Einschränkungen ausgeführt werden. Foto: Guillaume Bourdages

Die freie Kommunikation von Forschung ist ein hohes Gut, das oft als selbstverständlich angesehen wird. Doch in vielen Teilen der Welt ist die akademische Freiheit bedroht. Unruhen, Kriege und Naturkatastrophen behindern Wissenschaftler*innen und Kommunizierende bei der Arbeit.

Im Interview gibt Robert Quinn, der Gründer des Scholars at Risk Netzwerks, Einblicke in eine Initiative, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, bedrohte Forscher*innen zu unterstützen. Das Netzwerk arbeitet weltweit mit Universitäten zusammen, um Wissenschaftler*innen kurzfristige Forschungsaufenthalte zu vermitteln. 

Dass sich die Möglichkeiten zum freien Forschen und Kommunizieren von Land zu Land unterscheiden, hat auch Gülay Türkmen in ihrer akademischen Laufbahn erfahren. Die Soziologin forschte unter anderem in der Türkei, den USA und Deutschland und lernte dabei unterschiedliche akademische Kulturen kennen. Im Interview berichtet sie von ihren Erfahrungen mit Zensur und Hass im Netz

Gerade in der arabischen Welt ist die wissenschaftliche Arbeit von politischen Unruhen geprägt. Warum Mohamed Elsonbaty Ramadan dennoch positiv in die Zukunft blickt und welche Rolle die islamische Religion dabei spielt, erklärt er im Interview. Der Mitbegründer des „Arab Forum for Science Media and Communication” spricht von einem besonders günstigen Zeitpunkt, um die Wissenschaftskommunikation in der arabischen Welt zu fördern.

Globales Netzwerken

Globales Netzwerken – der Austausch und Vorhaben über nationale Ländergrenzen hinweg – ist ein eindeutiger Trend. Foto: Josiah Poyugao

Gemeinsame Initiativen und innovative Unterfangen – überall entstehen vielfältige Vorhaben zur Zusammenarbeit in der Wissenschaftskommunikation. Sie alle verbindet die Kooperation für gemeinsames Forschen, Publizieren und Kommunizieren über Ländergrenzen hinweg.  

Kooperation spielt aber nicht nur im nationalen und kontinentalen Raum eine wichtige Rolle: Jenni Metcalfe und Toss Gascoigne sprechen sich im Interview für die Notwendigkeit eines globalen Zentrums für Wissenschaftskommunikation aus. Angesichts der Vielfalt der Forschungskulturen argumentieren sie, dass die Berücksichtigung nicht-westlicher Perspektiven aktiver gefördert werden müsse. 

„Jenni Metcalfe und Toss Gascoigne sprechen sich im Interview für die Notwendigkeit eines globalen Zentrums für Wissenschaftskommunikation aus. “
Jason Pridmore stellt einen dieser großen Verbünde vor: Das COALESCE-Projekt hat es sich zur Aufgabe gemacht, ein europäisches Zentrum für Wissenschaftskommunikation aufzubauen. Ziel ist es unter anderem, ein Kompetenzzentrum für Ausbildung und Vernetzung zu schaffen und eine Ressourcenbibliothek zur Verfügung zu stellen. Warum dieses Projekt vom Aufeinandertreffen unterschiedlicher Erfahrungen profitiert, erklärt er im Interview. 

Auch in den Niederlanden soll der Austausch zwischen der Wissenschaft und der Bevölkerung gefestigt werden. Im vergangenen Jahr wurde der Grundstein für die Planung eines nationalen Zentrums für Wissenschaft und Gesellschaft gelegt. Ionica Smeets teilt Erkenntnisse zur Einstellung der niederländischen Bevölkerung über die Wissenschaft. Was die nächsten Schritte bis zur Eröffnung Anfang 2024 sind, erklärt die Forschungsgruppenleiterin im Beitrag.

Unser Schwerpunkt hat die Vielfalt und große Bandbreite des Bereichs offenbart. Die Perspektiven unterschiedlicher Länder und Kulturen tragen dazu bei, Innovation in der Wissenschaftskommunikation voranzutreiben und den weltweiten Austausch zu stärken. Sie zeigen die Bedeutung einer globalen Zusammenarbeit und die Chancen, die sich durch den interkulturellen Dialog ergeben. 

Haben Sie Vorschläge für weitere internationale Themen oder Feedback zum Schwerpunkt? Lassen Sie es uns gern wissen unter redaktion@wissenschaftskommunikation.de oder als Kommentar unter diesem Beitrag.


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