Foto: Elias Holzknecht

Das Anthropozän vor Augen

Die Klimakrise und ihre Folgen sichtbar machen: Dieser Herausforderung stellten sich zwei Fotografen. Für ihre Arbeiten werden sie mit dem Journalistenpreis PUNKT ausgezeichnet. Welchen Beitrag visuelle Wissenschaftskommunikation zu guter Klimakommunikation leisten kann, beschreiben Annika Eßmann und Britta Stammeier von acatech im Gastbeitrag.

In einigen Skigebieten werden am Ende der Saison große Schneemengen zusammengeschoben und isoliert. Dieser wird zu Beginn der nächsten Saison auf den grünen Hängen verteilt. Foto: Elias Holzknecht

Den Klimawandel und seine Folgen fassbar machen: Das ist eine Herausforderung für die Wissenschaftskommunikation, weil die Erderwärmung oft als geografisch und zeitlich weit entfernt wahrgenommen wird. Detailreiche Texte und aussagekräftige Bilder können dieser Herausforderung gerecht werden. Insbesondere Fotos zeigen den Menschen unmittelbar Waldbrände, das Korallensterben oder den inzwischen berühmten Eisbären auf der Eisscholle. Bilder lösen Emotionen aus, und das ist wichtig für eine effektive Klimakommunikation, wie die kalifornische Geografin Susanne Moser in einem umfassenden Artikel erläutert. Zwei solcher Fotoprojekte, die den Einfluss des Menschen auf die Erde und seine Anpassungsbemühungen an den Klimawandel offenlegen, prämiert die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften mit dem Journalistenpreis PUNKT. Bei der digitalen Preisverleihung am 23. November werden die Fotoprojekte gewürdigt und von Helmuth Trischler vom Deutschen Museum in den Kontext des Anthropozäns – des Zeitalters des Menschens – eingeordnet.

Die achtteilige Fotoserie „Schnee von Morgen“ von Elias Holzknecht befasst sich vordergründig mit der künstlichen Produktion von Schnee. Ohne diesen würden in der Heimat des gebürtigen Ötztalers häufig die Skilifte stillstehen. Für den Wettbewerb reichte er eine Fotoserie ein, die beleuchtet, wie der Klimawandel alpine Landschaften verändert. Das Augenfälligste ist: Der Schnee bleibt immer öfter aus. Also verteilen Schneekanonen künstlichen Schnee auf den Pisten, auf denen auch dann noch Ski gefahren werden kann, wenn auf den umliegenden Hängen kein Weiß mehr zu sehen ist. Bei seiner Recherche hat Elias Holzknecht den Zeichner ausfindig gemacht, der viele der Karten zeichnete, mit denen sich Skitouristen zwischen blauen, roten und schwarzen Pisten orientieren. Ein Foto seiner Serie zeigt die Hand des Zeichners bei der Arbeit; es entsteht ein schneeglänzender Lageplan eines Skigebiets (Titelfoto).

Am Department für Umweltsystemwissenschaften an der ETH Zürich werden Eiskristall-Formationen in Wolken erforscht. Foto: Maximilian Glas

Das acatech Fotostipendium unterstützt Maximilian Glas, der sich in seiner Arbeit mit den Folgen des Klimawandels und der menschlichen Anpassung an klimabedingte Veränderungen auseinandersetzt. Gefördert wird er für sein Projekt „Creatorem Terrae Et Caeli“. Frei übersetzt bedeutet der Titel „der Schöpfer über Erde und Himmel“. Maximilian Glas wird Technologien der Wettermodifikation fotografieren, die laut dem Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag vermutlich an gesellschaftlicher Relevanz gewinnen werden. Tatsächlich haben Bestrebungen, das Wetter zu verändern, eine lange Tradition. Ansätze der Wettermodifikation erleben nun eine Renaissance, weil Extremwetter mit dem Klimawandel häufiger werden. Sie könnten eventuell eingesetzt werden, um Regen zu erzeugen, erläutert Maximilian Glas in seinem Exposee. Die künstliche Veränderung des Wetters sei jedoch ein Grenzgang der Technik und werfe dadurch zahlreiche ethische, sozioökonomische und philosophische Fragen auf. Zum Beispiel: Wenn wir das Wetter modifizieren und ihm damit ökonomischen Wert verleihen, wer besitzt es dann? Solchen Fragen möchte Maximilian Glas in seinem Projekt nachgehen, indem er den Status-Quo der Technologie dokumentiert und fotografisch über eine Zukunft spekuliert, in der Wettermodifikation zum Alltag gehört.

Beide Arbeiten zeichnen ein ambivalentes Bild technologischen Wandels; und sollen zum Nachdenken anregen. Ist es vertretbar, dass Schnee künstlich für eine Freizeitbeschäftigung wie Ski fahren hergestellt wird? Ist es gerechtfertigt, in ein komplexes System wie das Wetter einzugreifen? Ist es vielleicht sogar notwendig, die Existenzen von vielen Menschen zu schützen, die darauf angewiesen sind, dass es genug schneit oder regnet, damit Tourist*innen anreisen oder die Ernte gedeiht? Das sind Fragen, die verdeutlichen, dass wir mitten im Anthropozän leben: dem Zeitalter, in dem die Menschen die wichtigste Quelle globaler Veränderungen sind. Wir betreiben beispielsweise Kohlekraftwerke, für die Kohle abgebaut werden muss und die Kohlenstoffdioxid in die Atmosphäre pusten. Das wiederum befeuert den menschengemachten Klimawandel, dessen Folgen wir durch weitere Technologien wie Wettermodifikation abmildern wollen.

Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.


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