Foto: Gero Camp , CC0

„BioEconomyNow!“ – Ein Escapegame mit Chatbot

Wie kann die biobasierte Gesellschaft der Zukunft aussehen? Damit beschäftigen sich Spielerinnen und Spieler im Escapegame „BioEconomyNow!“ Im Interview erklären Projektleiterin Laura Franz und Entwickler Stephan Böhme das Spiel und wie sie kurzfristig eine digitale Variante mit einem Chatbot erstellt haben.

Frau Franz, Herr Böhme, warum haben Sie das Format Escapegame gewählt?

Franz: Wir haben überlegt, wie wir insbesondere eine junge Zielgruppe für das Thema Bioökonomie interessieren können. Da sind wir auf das Format der Educational-Escapegames gestoßen. Ein Escapegame eignet sich als Lehr-Lern-Methode perfekt, da es die Teilnehmenden aktiv einbindet, spielerisch Wissen vermittelt und dabei einen hohen Unterhaltungswert hat. Durch die Einbettung des Spiels in eine spannende Science-Fiction-Story werden die Spielerinnen und Spieler intrinsisch motiviert, die Geschichte zu Ende zu spielen und lernen nebenbei auch noch etwas über Bioökonomie.

Worum geht es in der Geschichte von „BioEconomyNow!“?

Laura Franz ist Projektmanagerin beim Haus der Wissenschaft Braunschweig. Dort betreut sie seit 2019 unter anderem die Wissenschaftsjahr-Projekte. Zuvor studierte sie Medienwissenschaften und Kunstwissenschaft an der HBK Braunschweig und der TU Braunschweig. Foto: Haus der Wissenschaft Braunschweig.

Franz: Das Escapegame spielt auf einem fiktiven Planeten in der Zukunft, der vom sogenannten Alpharat ausgebeutet wird – nicht nur die Ressourcen, sondern auch die Menschen. Dabei werden ähnliche ökologische Fehler gemacht, wie wir sie derzeit auf der Erde beobachten können. Eine Organisation von Geheimagentinnen und -agenten hat sich nun Zugang zur Planungszentrale des Alpharates verschafft und versucht die Pläne nun möglichst nachhaltig umzugestalten. In diese Geschichte werden die Spielerinnen und Spieler hineingeworfen und müssen die Geheimagentin JJ unterstützen. Das tun sie, indem sie Rätsel lösen, die sich um das Thema Bioökonomie drehen – passend zum aktuellen Wissenschaftsjahr 2020/21. Die Ergebnisse können dabei sehr unterschiedlich ausfallen. Es gibt also kein richtig oder falsch.

Wie bringen Sie die aktuelle Forschung zur Bioökonomie in dieses Spiel ein?

Böhme: In einer Aufgabe geht es zum Beispiel darum, in ein IT-System einzudringen und eine von mehreren Petitionen freizuschalten. Das kann man sich vorstellen wie die Onlinepetitionen des Bundestags. Zur Lösung des Rätsels muss man sich dann mit verschiedenen Themen der Bioökonomie auseinandersetzen, um zu identifizieren, welches davon einen größeren Impact hätte, welche also die Umweltwirkung stärker reduzieren würden. Wir stellen uns vor, dass das Spiel hauptsächlich in Gruppen gespielt wird und sich dann in einer solchen Situation eine Diskussion darüber entwickelt, weil die Spielerinnen und Spieler gemeinsam entscheiden müssen. Das Spiel wiederum hat im Hintergrund ein Modell, dass diese Entscheidungen in Zahlen umwandelt, die dann am Ende für die Wertung zusammengerechnet werden. Je nachdem wie das Team entscheidet, schneidet es dann auch am Ende ab.

Woher kommen die Fallbeispiele?

Stefan Böhme hat als Medienwissenschaftler an der TU Braunschweig und HBK Braunschweig zu Computerspielen, Game-based Learning und Nachhaltigkeit promoviert und geforscht. Als Mitgründer des Start-ups BeSu.Solutions entwickelt er seit 2018 spielbasierte Lernformate für Weiterbildung und Hochschullehre wie beispielsweise Escape Games, Simulation-Labs und Planspiele. Foto: privat

Böhme: Viele stammen aus dem Material des Wissenschaftsjahres selbst. Da ist das Thema schon ausführlich durchgearbeitet worden, gerade in einem populärwissenschaftlichen Kontext. Das haben wir als Basis genommen und dazu noch weitere Informationen aus der Forschung genutzt. Alle im Team haben auch einen Hintergrund in diesem Forschungsbereich, deshalb mussten wir in dieser ersten Phase noch gar nicht auf wissenschaftliche Beratung zurückgreifen. Aktuell läuft allerdings ein Reviewverfahren zum fertigen Produkt, in dem Fachwissenschaftlerinnen und -wissenschaftler direkt aus dem Feld noch einmal draufgucken.

Welche Ziele verfolgen Sie mit dem Projekt?

Böhme: Wir wollen erst einmal auf die verschiedenen Aspekte der Bioökonomie aufmerksam machen und spielerisch neue Gruppen darüber informieren. Es ist ja kein Fachvortrag, sondern ein Spiel von rund 30 Minuten, in denen die Geschichte, die Rätsel und die Fachinformationen vermittelt werden. Da kann man gar nicht so sehr in die Tiefe gehen. Die Leute kommen, um das Spiel zu spielen und gehen mit dem Wissen, dass man sich das Themenfeld noch mal genauer angucken könnte. Ursprünglich wollten wir damit in diesem Sommer zum Beispiel auf Musikfestivals Touren …

Franz: … und dann kam Corona. Jetzt hoffen wir, dass wir mit der analogen Variante im Herbst zumindest in Science Centern präsent sein können. Deshalb haben wir uns entschieden, zusätzlich noch eine digitale Ausgabe von BioEconomyNow! zu produzieren, die seit heute online gespielt werden kann.

Worin unterscheiden sich die Online- und die analoge Spielvariante?

Franz: Es ist die gleiche Geschichte und das gleiche Spielprinzip. In der Live-Variante befinden sich die Spielerinnen und Spieler gemeinsam in einem realen Raum und bewegen sich quasi wirklich in der Zentrale des Alpharates. Die digitale Variante funktioniert komplett am Bildschirm und kann auch allein gespielt werden. Wir erhoffen uns aber, dass sich trotzdem Gruppen zusammenfinden und zum Beispiel per Videokonferenz in verschiedenen Wohnzimmern gemeinsam spielen. Das wäre sogar möglich, falls es zu einem neuen Lockdown kommt.

Böhme: Das funktioniert im Prinzip wie die frühen Textadventures, ein Computerspielgenre das in den 1980er-Jahren populär war, bei denen man komplett über Textanweisungen arbeitet. Das ist aber hier alles komfortabler, weil man auch Bilder und Videos verwenden kann und sich dann so durchklickt. Durch die Bewertung im Hintergrund können die Spielerinnen und Spieler außerdem am Ende auch vergleichen, wer die Welt am Ende vielleicht noch ein bisschen umweltfreundlicher gemacht hat.

Auf welcher Technik basiert das digitale Spiel?

Franz: Wir haben uns für eine Variante entschieden, bei der ein Chatbot die Spielerinnen und Spieler durch das Online-Escapegame führt, wie in einem Rollenspiel. Im Gespräch mit der Agentin lösen die Spielerinnen und Spieler nach und nach die Rätsel.

Böhme: Die digitale Variante ist allerdings viel aufwendiger als die physische. Beim Spiel vor Ort ist immer eine Betreuerin oder ein Betreuer dabei und kann im Zweifel helfen, reparieren oder anpassen. Bei der digitalen Variante sind die Spielerinnen und Spieler allein und darum muss im Vorfeld viel mehr getestet werden. Das Narrativ und die Abläufe ließen sich recht gut übertragen. Die Spielmechanik mussten wir noch einmal komplett neu entwickeln. Auch von der Programmierung her ist nicht immer alles so möglich, wie man es sich am Anfang im Konzept vorgestellt hat. Mit etwas mehr Vorlauf hätten wir da vielleicht noch ein ganz anderes Tool gewählt. Die meisten Leute sind aber mittlerweile mit diesen Messengerdiensten vertraut und allgemein sind sie sehr niedrigschwellig .

Welche Kriterien waren Ihnen bei der Auswahl der Plattform wichtig?

Böhme: Wir wollten eine webbasierte Anwendung nutzen, auf die man über den Browser zugreifen kann. Man hätte auch auf eine Plattform wie Whatsapp oder Telegram gehen können. Da schließt man aber von vorneherein die Leute aus, die diese Dienste nicht nutzen. Außerdem ist Datenschutz hier auch immer ein Thema.

Wie unterscheiden sich die Kosten für die beiden Varianten?

Franz: Die Kosten für Personal und Organisation gehen hier natürlich fließend ineinander über, dadurch dass wir dasselbe inhaltliche Konzept nutzen. Die Umsetzung von beiden Varianten ist auch in etwa gleich aufwendig mit der realen Ausstattung des Raumes und der Anpassung des Chatbot-Tools. Hinzu kommen in beiden Varianten außerdem Wartungskosten. Das betrifft im physischen Raum zum Beispiel Reparaturen oder den Austausch von defekten Objekten und im Onlinegame den technischen Support, wie das Fixen von Bugs. Sobald wir mit der Tour in den Science Centern starten, kommen dann natürlich noch die Transportkosten sowie die Kosten für die Betreuung vor Ort hinzu.

Welche Tipps würden Sie für die Entwicklung von neuen Escapegames geben?

Franz: Einfach machen, aber den Aufwand dabei nicht unterschätzen. Außerdem ist es gut, sich frühzeitig mit Experten aus dem Bereich Spieleentwicklung und Lehr-Lern-Methoden zusammenzutun. Wenn man selbst nicht den wissenschaftlichen Hintergrund hat, sollte man auch frühzeitig Expertinnen und Experten einbinden.