Foto: Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung

Forschung im Video: Wie, warum und für wen?

Mit „Wissen was“ von der Max-Planck-Gesellschaft sowie „Senckenberg forscht“ starteten zu Beginn des Jahres gleich zwei neue Videoreihen über Wissenschaft und Forschung. Wir haben bei den Verantwortlichen nachgefragt, mit welchem Konzept sie arbeiten und was ihre Ziele sind.

Herr Donhauser, Herr Dürr, mit „Wissen Was“ und „Senckenberg forscht“ haben Ihre Organisationen fast zeitgleich neue Wissenschaftsreihen auf Youtube gestartet. Warum gerade jetzt?

Dominik Donhauser: Bei uns gab es eine Art Vorläufer zum aktuellen Format, und zwar unsere Kampagne „Wonach suchst du?“ zum Max-Planck-Tag im Jahr 2018. Damals haben wir schon mit den Youtubern Cedric Engels alias Doktor Whatson und Mirko Drotschmann, besser bekannt als MrWissen2Go, zusammengearbeitet. Die beiden haben für die Kampagne verschiedene Max-Planck-Institute in Deutschland besucht und im Video vorgestellt. Damit haben wir gute Erfahrungen gemacht und wollten das Format weiterentwickeln – woraus schließlich „Wissen Was“ wurde.

Dominik Donhauser studierte „Medienproduktion und Medientechnik“ und absolvierte nach dem Abschluss eine Ausbildung zum Redakteur für Web und Print. In der Kommunikationsabteilung der Max-Planck-Gesellschaft ist er als Projektleiter für die Bereiche Online-Kommunikation, Multimedia, Film und TV zuständig. Foto: Max-Planck-Gesellschaft

Sören Dürr: Wir hatten einfach die Erkenntnis, dass wir zwar auf Social Media gut präsent sind – was uns als Naturkundemuseum wahrscheinlich auch leichter fällt als einem reinen Forschungsinstitut –, aber aus Budget- und Kapazitätsgründen bisher im Bereich Bewegtbild zu schwach aufgestellt waren. Natürlich hatten wir schon in der Vergangenheit einzelne Filme produziert, aber noch keine eigene Reihe. Und dass sich in den sozialen Medien gerade generell viel in Richtung Video bewegt, ist ja fast schon eine Binsenweisheit. Wir wollten das Medium daher gezielt nutzen, um unter anderem darauf aufmerksam zu machen, dass Senckenberg neben dem bekannten Museum auch ein eigenes Forschungsprogramm betreibt – mit vier Bereichen. In jeder Folge wird einer dieser Bereiche mit einem exemplarischen Projekt vorgestellt. Der fünfte Teil widmet sich unserem Programm „Wissenschaft und Gesellschaft“, in dem es um den Transfer unserer Forschungsergebnisse geht.

Donhauser: Unsere Erfahrung mit Videos ist generell auch, dass sie sozusagen „nachhaltiger“ sind als Beiträge auf anderen sozialen Netzwerken oder auch Berichte auf der Website. Wenn diese in der Timeline nach unten rutschen oder von der Startseite verschwinden, sieht sie kaum noch jemand. Ein Youtube-Video hingegen, zumal zu einem populären Thema, hat über Jahre hinweg immer wieder neue Zuschauerinnen und Zuschauer. Das relativiert auch die höheren Kosten einer Videoproduktion.

Sören Dürr ist promovierter Geologe und leitet die Abteilung Kommunikation der Senckenberg-Gesellschaft für Naturforschung. Er möchte mehr junge Leute für die Senckenberg-Museen, aber auch für die Biodiversitätsforschung begeistern, zum Beispiel durch verstärkte Nutzung der sozialen Medien. Foto: Senckenberg

Dürr: Das stimmt. Bei uns ist es auch so, dass wir die größten Zugriffszahlen für unsere Videos über andere soziale Netzwerke verzeichnen, vor allem Facebook und IGTV, weil wir dort einfach mehr Follower haben. Das ergibt sich auch schon aus der Altersstruktur unserer Fans. Aber die Filme auf Youtube bleiben dafür länger stehen und auch nach längerer Zeit stoßen noch Leute darauf, etwa wenn sie sich unseren Kanal ansehen.

Inwiefern spielte der Wunsch eine Rolle, gezielt eine jüngere Zielgruppe als bisher anzusprechen? Oder waren die Filme vor allem als zusätzliches Angebot gedacht für die Leute, die Sie ohnehin schon erreichen?

Donhauser: Wir haben bereits mehrere Serien produziert, darunter eine Reihe von Erklärfilmen, Max-Planck-Cinema. Bei der Analyse des Publikums auf Youtube ist uns aufgefallen, dass wir eine für uns wichtige Zielgruppe bisher noch zu wenig erreichen, nämlich wissenschaftsinteressierte 18- bis 24-Jährige. Wir haben das Format also bewusst für junge Menschen entwickelt.

Dürr: Wir haben ebenfalls junge Erwachsene im Blick, aber zusätzlich noch Jugendliche. Das sind die Altersgruppen, bei denen wir auch bei den Besucherinnen und Besuchern im Museum eine Lücke haben. Teenager kommen oft nur „zwangsweise“ mit ihrer Schulklasse zu uns. An den Wochenenden und nachmittags besteht das Publikum vor allem aus eher jüngeren Kindern und deren Eltern oder Großeltern.

Wie sind Sie die Projekte jeweils angegangen?

Dürr: Letztes Jahr haben wir begonnen, mit einer Agentur zusammen eine kleine Reihe von fünf Filmen zu konzipieren. Zum einen setzen wir auf die interviewten Forschenden als Personen. Ohne die funktioniert es nicht. Wenn sie von ihrer eigenen Arbeit erzählen, wirkt das authentisch und macht neugierig. Zum anderen versuchen wir, die Informationen möglichst gut für eine jüngere Zielgruppe herunterzubrechen. Aus unserem Forschungsbereich mit dem sperrigen Namen „Biodiversität, Systematik und Evolution“ wird dann einfach mal „Natur entdecken“. Und wir haben eine professionelle Schauspielerin und Moderatorin verpflichtet, Marie Förster, die altersmäßig selbst zur Zielgruppe der jungen Erwachsenen passt und die Zuschauerinnen und Zuschauer durch die Filme führt. Häufig geht es um Feldforschung, Marie ist deshalb oft draußen zu sehen, in der Natur oder auch mal auf einem Forschungskutter. Das tut den Videos natürlich optisch gut.

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Donhauser: Wir haben uns bewusst gegen die Zusammenarbeit mit einer Agentur entschieden. Stattdessen wollten wir gern direkt mit den Youtuberinnen oder Youtubern kooperieren, die sich schon eine eigene Reputation und Reichweite in der Zielgruppe aufgebaut haben – und zwar speziell zum Thema Wissensvermittlung. Wir haben zunächst evaluiert, wer gut zu uns passen würde, und Mirko Drotschmann und Cedric Engels standen wieder ganz oben auf der Liste. Also haben wir uns mit ihnen besprochen und überlegt, ob und wie wir unsere Themen gemeinsam umsetzen können. „Wissen Was“ ist aber nicht hundertprozentig oder exklusiv auf bestimmte Youtuberinnen und Youtuber festgelegt, sondern je nach Themenfeld durchaus erweiterbar. Stil und Machart der einzelnen Filme wollen wir aber stets beibehalten.

Wie sieht die Kooperation mit den beiden bisher auftretenden Youtubern konkret aus?

Donhauser: Zuerst einigen wir uns gemeinsam auf ein Thema für das Video, die Vorschläge kommen von uns. Idealerweise geht es um etwas, was gerade aktuell ist, aber auch längerfristig immer wieder mal diskutiert wird, wie etwa Migration oder Nudging. Und natürlich sollten wir dazu in der Max-Planck-Gesellschaft eigene Expertinnen und Experten haben, denn die sind ein enorm wichtiger Bestandteil der Filme. Inhaltlich geht es um die Vermittlung der wissenschaftlichen Grundlagen, damit sich die Zuschauenden eine eigene Meinung bilden können. Die Drehbücher entstehen in vielen Schleifen zwischen den Moderatoren und uns. Da beide ja eigene große Kanäle betreiben, können wir in der Produktion teilweise auf ihre Ressourcen zurückgreifen. Infografiken und Animationen entstehen beispielsweise im Austausch zwischen ihren Teams und unserem.

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Sind Ihre wissenschaftlichen Expertinnen und Experten leicht zur Teilnahme zu bewegen – oder schrecken vor dem Medium Video noch viele zurück?

Dürr: Da hat sich meiner Meinung nach enorm viel getan. Als ich vor etwas mehr als zehn Jahren bei der Senckenberg-Gesellschaft anfing, war es deutlich schwieriger, Kolleginnen und Kollegen aus der Wissenschaft für ein Engagement in der Öffentlichkeitsarbeit zu gewinnen oder gar vor eine Kamera zu zerren. Das ist heutzutage kein großes Problem mehr. Viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler empfinden das mittlerweile sogar als natürlichen Bestandteil ihrer Arbeit. Und es gibt echte Kommunikationstalente unter ihnen!

Donhauser: Ich erlebe das ähnlich, die Akzeptanz für das Medium Video ist mit der Zeit stark gestiegen. Der Knackpunkt ist höchstens, dass ein Videodreh aufwendiger ist als ein telefonisches Interview oder ein Statement per Mail. Forschende sind oft unterwegs. Daher sind eigentlich die Terminabsprachen die größte Herausforderung.

Die Videos bei „Wissen was“ sind zehn bis fünfzehn Minuten lang, bei „Senckenberg forscht“ sind es rund fünf Minuten. Wieso haben Sie sich für diese Längen entschieden?

„Wir haben uns diesmal mehr Zeit genommen, um inhaltlich in die Tiefe zu gehen. Und das scheint bisher auch gut anzukommen.“ Dominik Donhauser
Donhauser: Bei unserer Videoreihe zu „Wonach suchst du?“ haben uns tatsächlich viele Zuschauerinnen und Zuschauer rückgemeldet, dass ihnen die drei- bis vierminütigen Clips zu kurz waren. Nach dem Motto: Von einer Forschungsorganisation hätten wir da aber mehr Details erwartet! Also haben wir uns diesmal mehr Zeit genommen, um inhaltlich in die Tiefe zu gehen. Und das scheint bisher auch gut anzukommen.

Dürr: Wir werden in Zukunft sicher ebenfalls mit längeren Formaten experimentieren. Allerdings stellen wir auch bei den kürzeren Videos schon fest, dass viele das Video nicht zu Ende sehen. Das ist natürlich für Youtube erst mal nichts Ungewöhnliches – viele Leute verklicken sich oder stellen nach ungefähr der Hälfte des Films fest, dass sie das Thema doch nicht interessiert. Aber wir wollen nun zuerst herausfinden, ob längere Filme auch bei unserem Publikum gut ankommen.

Wie geht es generell mit den beiden Projekten weiter?

Dürr: Wir werden die fünf Filme und ihren Erfolg evaluieren und dann gucken, was sich bewährt hat und wie wir das Konzept gegebenenfalls noch abändern könnten. Mittlerweile haben wir auch jemanden angestellt, der sich schwerpunktmäßig mit dem Bereich Video beschäftigt. Daher werden wir bei einer Fortsetzung des Projekts wahrscheinlich auch verstärkt mit eigenen Kapazitäten arbeiten und mehr hausintern erledigen, zum Beispiel mit eigenem professionellen Equipment für den Dreh.

Donhauser: Die erste Staffel mit sechs Folgen ist abgedreht und wir planen bereits weitere Folgen. Dabei wollen wir uns natürlich weiterentwickeln. Wir überlegen auch, welche anderen Formen der Zusammenarbeit es mit den beiden Youtubern noch geben könnte. Zum Beispiel Querverweise in ihren eigenen Videos auf unseren Kanal, oder Videos, die wir für beide Kanäle gleichzeitig produzieren. Da befinden wir uns aber noch in der Planungsphase.