Foto: Nicola Kuhrt

Scientists for Future – wer unterstützt die Initiative und warum? (2)

Vor einer Woche ging die Fridays-for-Future-Bewegung weltweit auf die Straße. Auch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler unterstützen die Initiative als „Scientists for Future“. Warum engagieren sie sich, was wollen sie bewirken – und wie politisch darf Wissenschaft ihrer Meinung nach sein?

Im Rahmen unseres Schwerpunkts zur Klimakommunikation und der weltweit stattfindenden Aktionen zum Thema haben wir nachgefragt, wer sich bei den Scientists for Future engagiert und warum. Im zweiten Teil unserer Reihe kommen Vertreter der Regionalgruppen Kaiserslautern, Leipzig und Magdeburg zu Wort.


Alexander Haag, Vertreter der Regionalgruppe Kaiserslautern

Alexander Haag hat im April 2019 seinen Master of Science in Chemie an der Technischen Universität Kaiserslautern erlangt. Seit Mai 2019 promoviert er dort in der anorganischen Chemie in der Arbeitsgruppe von Prof. Hans-Jörg Krüger. Foto: Emiel Dobbelaar

Ich unterstütze die Bewegung aus einem Selbstverständnis heraus: Es muss klar werden, dass es sich beim Klimawandel um einen wissenschaftlichen Konsens handelt, nicht um ein Gefühl. Dafür erhebe ich öffentlich und proaktiv meine Stimme.

Ich erhoffe mir, dass die Forderungen der Fridays-for-Future-Bewegung für einen Kurswechsel in der Klimapolitik ernst genommen werden. Die Unterstützung durch die Wissenschaft soll einen Schutzschild vor den falschen Anschuldigungen bieten, dass die Jugendlichen nicht wüssten, wovon sie reden. Man unterstellt Schülerinnen und Schülern oft einfach mangelndes Verständnis einer komplexen Thematik, das geht bei uns nicht so einfach. Deshalb finde ich es wichtig, dass wir uns äußern.

Vor Ort verstehen wir uns als Stimme der Wissenschaft, stehen als Ansprechpartner für sachliche und politische Diskussionen zur Verfügung und versuchen Dialoge zu fördern. Das bedeutet, dass wir beratend an der Seite von Fridays for Future stehen und Einsichten ermöglichen, die letztlich zu fundierten und zielgerichteten politischen Forderungen und Debatten beitragen sollen.

Als Naturwissenschaftler sehe ich unsere Rolle in einer faktenbasierten, beratenden Funktion als essentiell für zukunftsfähige Politik. Allerdings lebt Politik nicht nur von Daten und Fakten, sondern auch von Debatten und Kompromissen. Die Politik hat deshalb die Aufgabe, die wissenschaftlichen Erkenntnisse gesellschaftsfähig umzusetzen.


Michael Neuhaus, Vertreter der Regionalgruppe Leipzig

Michael Neuhaus hat Biologie in Halle und Leipzig studiert und war zuletzt, bis Juli 2019, Mitarbeiter am UFZ in der Arbeitsgruppe „Science Policy and Theory“. Er ist Bundessprecher der linksjugend [solid] und seit September 2019 Mitglied des Leipziger Stadtrats. Er ist Gründungsmitglied der Scientists for Future Leipzig. Foto: privat
Ich habe die Stellungnahme der Scientists for Future unterzeichnet, weil es in den Klimadebatten darum gehen muss, wie wir dem Klimawandel angemessen begegnen. Es ist unerträglich, wenn die absolut berechtigten Sorgen von jungen Menschen mit Verweis auf ihr Alter als naiv diskreditiert werden. Hier sehe ich die Wissenschaft und damit auch mich in der Pflicht, den protestierenden Schülerinnen und Schülern den Rücken zu stärken und klar zu machen: Der politische Weg zu einer nachhaltigen Gesellschaft ist verhandelbar, die wissenschaftlichen Fakten sind es nicht.

Von den Schülerinnen und Schülern haben wir für unser Engagement viel Zuspruch bekommen. Nicht nur für unsere Stellungnahme, sondern insbesondere auch dafür, dass wir mit Bildungsveranstaltungen und anderen Formen wissenschaftlichen Inputs Menschen die Möglichkeit geben, ein komplexes Feld zu durchdringen und eigene Ideen zu entwickeln. Wir leisten damit die die nötige Vorarbeit für politische Willensbildung. Darüber hinaus ist Scientists for Future nicht nur für die Schülerinnen und Schüler zu einer wichtigen Plattform geworden. Auch Forschende aus verschiedensten Disziplinen vernetzen sich und diskutieren kontrovers über Umweltpolitik oder die Rolle der Wissenschaft. Ich hoffe, dass wir damit nicht nur die Wissenschaft ein bisschen besser machen, sondern auch einen wichtigen Beitrag zur gelebten Demokratie leisten.

"Ich glaube, die Wissenschaft hat, aus Angst davor politisch zu sein, lange ihre Rolle und ihre Funktion in gesellschaftlichen Debatten unterschätzt." Michael Neuhaus
Als Regionalgruppe Leipzig waren wir beim globalen Streik von Fridays for Future mit einem eigenen Science-Block dabei. Wir haben einen Teil der Demonstration mitorganisiert, uns mit Redebeiträgen beteiligt, eigene Transparente und Schilder vorbereitet. Außerdem planen wir neue Bildungsveranstaltungen an Universitäten und Schulen, wie wir es bereits mehrmals getan haben. Besonders beliebt sind Grundlagenworkshops zum Hintergrund des Klimawandels, aber auch „Fakten gegen Klimaleugner“ stehen hoch im Kurs.

Ich glaube, die Wissenschaft hat, aus Angst davor politisch zu sein, lange ihre Rolle und ihre Funktion in gesellschaftlichen Debatten unterschätzt. Politik und Wissenschaft liegen näher beieinander, als wir manchmal denken. Die wissenschaftliche Analyse bildet, meiner Meinung nach, die Grundlage für politische Entscheidungen. Die Politikerinnen und Politiker der meisten Parteien überlegen anhand wissenschaftlicher Fakten, ob und welche Maßnahmen ergriffen werden müssen. Während manche Kolleginnen und Kollegen schon das Ziel, also zum Beispiel das Stoppen des Klimawandels, als politisch betrachten, stellt ein „Weiter-wie-bisher“ für mich keine Option dar. Die Wissenschaft findet nicht außerhalb der Gesellschaft statt, sondern ist Teil von ihr und dient ihr. Nichts tun ist somit keine Option – weder wissenschaftlich noch politisch. Ich glaube, dass wir uns als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mehr trauen müssen und dürfen. Wir können die sozialen und wirtschaftlichen Folgen politischer Entscheidungen abschätzen. Wir dürfen und müssen so lange politisch sein, wie wir uns auf wissenschaftliche Ergebnisse verlassen können.


Jakob Schweizer, Vertreter der Regionalgruppe Magdeburg

Jakob Schweizer hat Physik mit der Spezialisierung in Biophysik und der Philosophie der Naturwissenschaften in Dresden und Paris studiert. 2013 hat er an der TU Dresden zum Thema „Min-Protein Waves on Geometrically Structured Artificial Membranes“ promoviert. Seit 2014 ist er am Max-Planck-Institut für Dynamik komplexer technischer Systeme im Forschungsprojekt MaxSynBio im Bereich Prozesstechnik für das Forschungsmanagement zuständig. Foto: privat

Ich bin Physiker mit dem Schwerpunkt Biophysik und arbeite als wissenschaftlicher Koordinator für ein großes Forschungsnetzwerk im Bereich der synthetischen Biologie. Ich bin also kein Klima- oder Umweltforscher. Mein Studium habe ich aber sehr breit angelegt und ich denke, dass ich die wissenschaftlichen Erkenntnisse von Kolleginnen und Kollegen aus der Klima- und Umweltforschung in ihren Grundsätzen einschätzen kann. Als Naturwissenschaftler muss ich anerkennen, dass es einen anthropogenen Klimawandel gibt. Als Forschende haben wir das Wissen um die Problematik des Klimawandels und diese Erkenntnis verpflichtet uns, dieses Wissen proaktiv in die Gesellschaft zu tragen und dafür zu sorgen, dass die Kolleginnen und Kollegen aus der Klima- und Umweltforschung in der Öffentlichkeit und bei der Politik Gehör finden.

Erstens möchten wir erreichen, dass die Politik die Sorgen der Schülerinnen und Schüler und anderer gesellschaftlichen Gruppen sowie die Erkenntnisse der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler ernst nimmt. Zweitens möchten wir die protestierenden Schülerinnen und Schüler unterstützen – wir möchten ihnen sagen: „Ja, ihr habt recht, es ist höchste Zeit, zu handeln.“ Wir wollen ihnen Mut machen, den Protest nicht aufzugeben und die Fridays-for-Future-Bewegung mit unserer wissenschaftlichen Expertise unterstützen. Drittens geht es uns darum, die breite Gesellschaft zu aktivieren: Forschenden wird häufig eine Vorbildfunktion zugeschrieben. Mit unserem Engagement möchten wir dazu bewegen, sich für einen verstärkten Klimaschutz zu engagieren. Und schließlich wollen wir unsere Kolleginnen und Kollegen dazu ermutigen, ihre Erkenntnisse zum Klimawandel kundzutun und ihre gesellschaftliche Verantwortung wahrzunehmen. 

"Eigentum verpflichtet, sagt das Grundgesetz. Ich denke, Wissen verpflichtet genauso." Jakob Schweizer

Unsere Aktivitäten werden von einem kleinen Organisationsteam koordiniert. Dabei verfolgen wir verschiedene Strategien, um die vier Gruppen Politik, Schülerinnen und Schüler, Gesellschaft sowie Wissenschaft zu erreichen. Wir versuchen etwa, auch weitere Kolleginnen und Kollegen zu aktivieren, zum einen direkt per Mailinglisten, aber auch, indem wir an Universität und Hochschule sowie den weiteren wissenschaftlichen Instituten in Magdeburg Plakate aushängen. Teilweise beteiligen wir uns mit Redebeiträgen an den Demonstrationen. Während der Langen Nacht der Wissenschaft haben wir Flyer verteilt und mit wissenschaftlichen Postern die aktuellsten Erkenntnisse der Klimaforschung präsentiert. Und im Juni haben wir etwa eine Podiumsdiskussion zur Frage der politischen Verantwortung der Wissenschaft organisiert. 

Eigentum verpflichtet, sagt das Grundgesetz. Ich denke, Wissen verpflichtet genauso. Wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sind naturgemäß in der Regel die ersten, die um bestimmte wissenschaftliche Fakten Bescheid wissen. Gerade wenn dieses Wissen Menschheit und Umwelt im Allgemeinen betrifft, sind wir es der Gesellschaft schuldig, dieses Wissen zu teilen. Dabei müssen wir die Rezeption unserer Kommunikation kritisch hinterfragen: Reicht es, in wissenschaftlichen Journalen zu publizieren, von Zeit zu Zeit eine Pressemitteilung herauszugeben und sich ansonsten darauf zu verlassen, dass die Medien und die Politik unsere Forschungsergebnisse wahrnehmen? Oder müssen wir nicht vielmehr drängende Themen mit Nachdruck in die Gesellschaft bringen? Das ist bereits in der Vergangenheit öfter gut gelungen. Ein prominentes Beispiel sind etwa die Göttinger Achtzehn, Forschende, die sich in den fünfziger Jahren erfolgreich gegen die nukleare Bewaffnung der Bundeswehr eingesetzt haben. Wissenschaft kann also oft gar nicht anders, als politisch zu sein. Doch sie darf die Wissenschaft nicht in den Dienst der eigenen politischen Agenda stellen, erst recht nicht Erkenntnisse zugunsten politischer Ziele verdrehen, sondern muss den wissenschaftlichen Prinzipien verpflichtet bleiben. Nur eine glaubhafte Wissenschaft kann politisch sein.


Weitere Stimmen der Scientists for Future aus unserer Reihe: