Foto: Brannon Naito, CC0

Mut und Courage – aber auch Selbstreflexion ist gefragt!

Wissenschaft braucht Courage. Mindestens genauso wichtig ist aber, auch selbstkritisch nach innen zu agieren und Mut zur Transparenz. Ein Kommentar von Uwe Steger, Leiter der Öffentlichkeitsarbeit der Universität Innsbruck, zum Siggener Impulspapier.

Das aktuelle Statement des Siggener Kreises – der Siggener Impuls 2017: „Wissenschaft braucht Courage“ – bringt es einmal mehr auf den Punkt: Wissenschaft und mit ihr auch die Vermittlung von Wissenschaft, braucht immer ein beherztes, ein couragiertes Eintreten für die Freiheit von Wissenschaft und Forschung. Es braucht das offene, nicht selten auch kritisch hinterfragende Wort, aber eben auch die faktenbasierte Analyse von Zusammenhängen sowie die Nachvollziehbarkeit und Überprüfbarkeit der entsprechenden Ergebnisse. Besonders ist dieses couragierte Eintreten jedoch in Zeiten nötig, in denen weltweit das Vertrauen  wachsender Bevölkerungsgruppen in bisher weitgehend vertrauenswürdige Institutionen – und die Wissenschaft bzw. die Hochschulen gehören hier dazu – zu schwinden beginnt oder gar bereits verloren gegangen ist. Fake News, alternative Fakten oder Lügenpresse  sind dabei nur die extremstem Schlagworte dieser Entwicklung. Interessant in diesem Zusammenhang ist jedoch, dass – obwohl dies ein internationales Phänomen ist – die Diskussion über Glaubwürdigkeit und Transparenz von Wissenschaft und ihrer Kommunikation derzeit (noch) eine großteils deutsche bzw. deutschsprachige ist.

Nun aber zurück zum Konkreten: Wichtig dabei ist es nun zu überlegen, ob dieser Vertrauensverlust nur das Ergebnis der neuen (sozial)medialen Angebote ist. Sie bieten die Möglichkeit , Theorien und Thesen – auch wenn sie noch so abstrus sein mögen – sehr einfach und schnell vergleichsweise breit zu streuen. Damit liefern sie jenen Argumente, die sich in einer eigenen medialen Gesinnungswelt einigeln. Oder gibt es für diesen steigenden Vertrauensverlust auch nachvollziehbare Gründe? Und ja, im  Bereich der Wissenschaft und Forschung und in der Folge natürlich auch bei der Kommunikation der entsprechenden Ergebnisse, gibt es Entwicklungen, die diese Phänomene nicht vollkommen erklären, über die man aber reden muss:

Hochschulmarketing ist nicht Wissenschaftskommunikation

Im stark steigenden weltweiten Wettbewerb der Hochschulen und Universitäten um Geld, Projekte und die besten Köpfe scheint leider doch nicht selten jedes Mittel recht zu sein. Die PR und Werbung, das Größte, Beste oder Exzellenteste oder gar die Durchbrüche bei diversen Erkrankungen nehmen in Presseinformationen überhand. Immer häufiger wird Wissenschaftskommunikation auch in Marketingabteilungen betrieben, die neben dem Anwerben von Studierenden, Sponsoren und Werbepartnern auch noch die Ergebnisse der eigenen Forscherinnen und Forscher unters Volk bringen sollen. Dabei rittern sie um die weniger werdenden Slots in den diversen Medien. Hier liegt natürlich eine gewisse Gefahr übers Ziel hinauszuschießen und somit auch Glaubwürdigkeit zu verspielen.

Transparenz bei Drittmittelprojekten

Ebenfalls nicht unproblematisch ist die Forschung im Auftrag und finanziert von Dritten, zum Beispiel Unternehmen, Stiftungen oder Lobbyverbänden. Um hier keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es geht dabei nicht darum, keine Fremdfinanzierung für Forschungsprojekte mehr zu akzeptieren, denn das wäre völlig realitätsfern. Es geht aber sehr wohl darum, dies auch transparent zu machen, also Ross und Reiter zu nennen. Gerade das ist aber dann leider nicht immer ganz genau nachvollziehbar und es gibt zahlreiche Beispiele, die eben auch zu der konstatierten Vertrauenskrise führen (können).

Es ist daher nicht nur wichtig, mutig und couragiert nach außen, also gegenüber Dilettantismus, Verschwörungstheorien, Scheinwissenschaft oder Scharlatanerie aufzutreten, denn das ist nur eine Teil das Problems. Es ist mindestens so wichtig, auch selbstkritisch nach Innen zu agieren, sich die eigenen Schlagzeilen genau zu überlegen und klare, eindeutige und transparente Regeln für den Umgang mit externen Mitteln und deren Einwerbung zu definieren. Auch hier braucht es ebenfalls immer wieder Mut und Courage gegenüber Vorgesetzten, Förderern, Auftragebern und Politik. Ohne diesen Einsatz aber wird es sehr schwer werden, diesen Trend, dem sogenannten Establishment zu misstrauen, zu stoppen oder gar wieder umzudrehen. Die „Siggener Papiere“ sind dafür eine Unterstützung, man muss sie aber auch ernst nehmen und anwenden.

 

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