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Nudging und Co – Verhalten gezielt verändern

Max Vetter berät politische Institutionen und Organisationen dazu, wie man beispielsweise Verbraucherinnen und Verbraucher dazu bringen kann, nachhaltiger zu leben. Im Interview erklärt er die psychologischen Theorien dahinter und welche Rolle die Kommunikation dabei spielen kann.

Herr Vetter, bei der Konferenz „Wandel gestalten, Wandel begleiten“ sprechen Sie über die Rolle der Kommunikation für individuelle Verhaltensänderungen. Worum geht es dabei?

Es geht dabei um sogenannte Transformationsprozesse, wie etwa der Nachhaltige Konsum oder die Veränderungen der Arbeitswelt. In diesen Prozessen spielt das individuelle Verhalten von Verbraucherinnen und Verbrauchern eine große Rolle. Sie müssen aktiv mitwirken, um Veränderungen zu erreichen. Ihnen kommt dabei neben den politischen, wirtschaftlichen und zivilgesellschaftlichen Akteuren eine entscheidende Rolle zu. Das ist aber schwierig, denn viele Transformationsprozesse haben erst einmal eine große psychologische Distanz.

Was bedeutet das?

Max Vetter ist promovierter Psychologe und Projektmanager für Verbraucherforschung bei ConPolicy – Institut für Verbraucherpolitik in Berlin. Hier ist er zuständig für Projekte in den Bereichen Verbraucherverhalten, Verbraucherpolitik und Nachhaltigkeit. Foto: Christin Öhler
Max Vetter ist promovierter Psychologe und Projektmanager für Verbraucherforschung bei ConPolicy – Institut für Verbraucherpolitik in Berlin. Hier ist er zuständig für Projekte in den Bereichen Verbraucherverhalten, Verbraucherpolitik und Nachhaltigkeit. Foto: Christin Öhler

Wenn man sich beispielsweise den Klimawandel anschaut, ist das Thema sehr abstrakt und lädt darum wenig dazu ein, konkret zu handeln. Diese psychologische Distanz hat vier Dimensionen: Der Klimawandel ist räumlich weit weg und findet vornehmlich auf anderen Kontinenten statt. Er ist zeitlich distanziert, liegt also eher in der Zukunft. Er hat eine soziale Distanz, betrifft also Leute, mit denen wir nicht viel zu tun haben. Und außerdem gibt es eine hypothetische Distanz. Das wird zwar immer weniger, aber es besteht bei einigen Menschen noch immer eine gewisse Unsicherheit, ob es den Klimawandel tatsächlich gibt. Diese vier Facetten sind beim Klimawandel so stark ausgeprägt, dass das Phänomen uns nicht zum Handeln einlädt. Die Theorie dahinter ist die Construal-level-theory von Trope und Liebermann.

Wie kann man denn erreichen, dass Menschen trotzdem klimabewusster handeln?

Dadurch, dass man nah am Menschen ansetzt. Man kann versuchen, diese psychologische Distanz zu reduzieren. Räumlich hieße das, Beispiele für den Klimawandel aus dem näheren Umfeld zu finden. Man könnte also untersuchen, ob es tatsächlich eine Verbindung zwischen dem sehr heißen Sommer und dem Klimawandel gibt. Wenn man das wissenschaftlich bestätigen kann, wäre das eine Möglichkeit, zu zeigen, dass der Klimawandel nah an uns heranrückt. Sozial kann er heranrücken, wenn man nicht über Bewohner von Fiji berichtet, sondern über Menschen in unserer Umgebung. Ein anderer Punkt ist, dass man das Bilden von Intentionen, also konkreten Handlungsabsichten fördert.

Wie kann man Handlungsabsichten fördern?

Wir wissen: Wenn wir nur ein Ziel vorgeben, lädt das nicht unbedingt dazu ein, es auch wirklich anzugehen. Wir müssen schon unterstützen und Optionen für den Weg vorgeben. Zum Beispiel kann man sehr klare Wenn-Dann-Pläne formulieren. Etwa: Wenn ich beim nächsten Mal einkaufen gehe, verhalte ich mich wie folgt … . Das ist hilfreicher, als wenn man sagt: Gehen Sie nachhaltig einkaufen oder tun sie etwas für die Umwelt. Das Bilden von diesen sogenannten Implementation Intentions kann also helfen, dass aus solchen Absichten tatsächlich Taten werden.

Wie kann man messen, ob solche Methoden tatsächlich Wirkung zeigen?

Zum Beispiel durch Vorher-Nachher-Messungen oder randomisierte Kontrollstudien. Da kommt es sehr auf den Kontext an. Meistens sind es Feldkontexte und da ist die Messung natürlich schwieriger als in einer vorher festgelegten Laborsituation. Da versuchen wir uns dem Wirksamkeitsnachweis mit sozialwissenschaftlichen Methoden empirisch zu nähern.

Auch das Nudging wird als Methode diskutiert, um das Verhalten von Menschen zu beeinflussen. Was ist das Besondere daran?

Hier geht es darum, dass man durch die Veränderung von Kontexten oder die andersartige Präsentation von Informationen ein bestimmtes Verhalten anstößt oder wahrscheinlicher macht. To nudge bedeutet auf deutsch „anstupsen“. Das findet sich konkret etwa bei der OECD wieder oder der Weltbank, die das bereits für ihre Arbeit einsetzen.

Können Sie hier ein Beispiel geben?

In manchen Entwicklungsländern könnte die Produktivität durch den Einsatz von mehr Dünger sehr einfach gesteigert werden. Das hat die Weltbank in Studien festgestellt. Man hat sich also gefragt, warum so viele Bauern ihre Felder nicht düngen. Das könnte ihnen und ihren Familien auch ein besseres Leben ermöglichen. Man hat dann gemerkt, dass sie immer dann, wenn sie das meiste Geld haben – direkt nach der Ernte – am wenigsten über das Düngen nachdenken. Wenn es dann ums Düngen geht – mitten in der Produktionszeit – ist das Geld oft knapp. Die Intervention bestand also darin, den Dünger zu bestimmten Zeitfenstern anzubieten. Dann, wenn die Bauern das Geld haben. So hatten sie später im Jahr den Dünger zur Verfügung und das hat tatsächlich zu einer erhöhten Produktivität geführt. Ohne, dass man zusätzliches Geld in die Hand nehmen musste.

Funktioniert das auch beim Thema Nachhaltigkeit?

Ja, zum Beispiel beim Warmwasserverbrauch. Wenn wir da in der Dusche ein Live-Feedback bekommen, wie viel Wasser und wie viel Energie für Erwärmung genutzt wird, duschen wir weniger lange. Ein anderes Beispiel sind Vergleiche auf Stromrechnungen. Wenn wir hier neben unserem Verbrauch noch eine Information darüber bekommen, wie viel ein vergleichbarer Haushalt verbraucht, wird damit gleich eine soziale Norm gesetzt. Das kann dazu führen, dass man seinen Verbrauch anpasst, wenn man vorher über dem Durchschnitt lag. Wenn man an solchen Stellen ansetzt, braucht man auch gar keine groß angelegte Kommunikationskampagne mehr.

Welche Rolle können diese Erkenntnisse der Verhaltenspsychologie für die Kommunikation zu Transformationsprozessen in Zukunft spielen?

Immer, wenn es darum geht, konkrete Verhaltensänderungen zu bewirken, können diese Erkenntnisse mitberücksichtigt werden. Sie ersetzen nicht andere Instrumente, mit denen wir Veränderungen erwirken wie finanzielle Anreize, Steuern, Gesetze oder Bildung. Aber sie können diese sinnvoll ergänzen. Und sie können helfen, dass Kommunikation zu Transformationsprozessen stärker dazu einlädt, mit dem eigenen Verhalten zur Transformation beizutragen.

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