Foto: Wisskon

„Es geht darum, maximal offen sprechen zu können“

Das WissKon-Netzwerk will kommunizierende Wissenschaftler*innen zum Austausch animieren. Welche Formate ihnen dazu auf der Plattform zur Verfügung stehen und wie sich das Angebot weiterentwickeln lässt, erklärt Beatrice Lugger im Interview.

Letzte Woche ist das WissKon-Netzwerk gestartet. Was ist das Ziel dieser Plattform?
Wir vom Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation* geben zahlreiche Seminare zum Kompetenzaufbau in der Wissenschaftskommunikation. Dabei findet bereits viel Austausch unter den Teilnehmer*innen statt. Das unterstützen wir, denn auch das Voneinanderlernen spielt eine wichtige Rolle.

Beatrice Lugger ist Geschäftsführerin des Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation (NaWik)*. Foto: NaWik

Aufbauend auf diesem Gedanken ist auch die WissKon entstanden, eine Konferenz für kommunizierende Forschende. Diese findet aber nur einmal jährlich statt und die Plätze sind limitiert. Wir wollten deshalb nun eine Plattform für Wissenschaftler*innen schaffen, damit diese ihre Erfahrungen das ganze Jahr über austauschen und sich untereinander vernetzen können. Dies soll auch denjenigen, die anfangen sich in der Wissenschaftskommunikation zu engagieren oder die sich Kommunikationskonzepte und -projekte überlegen, die Möglichkeit geben, offen miteinander zu sprechen und ihre Ideen mit Sparringspartner*innen außerhalb des eigenen Teams durchzuspielen. So können Einsteiger*innen in die Wissenschaftskommunikation von Erfahrenen lernen und Unterstützung erfahren. Die Idee ist, dass sich die Plattform durch die Community trägt.

An wen richtet sich das WissKon-Netzwerk?
Es richtet sich primär an kommunizierende Wissenschaftler*innen. Wobei uns klar ist, dass die Übergänge fließend sind. Vielleicht sehen sich manche eher als Kommunikator*innen oder sind schon jahrelang auch im Wissenschaftsmanagement tätig. Die Registrierung selbst ist kostenfrei.

Warum gibt es aktuell einen starken Bedarf, kommunizierende Wissenschaftler*innen anzusprechen und zu vernetzen?
Die Anforderungen an Wissenschaftler*innen und die Möglichkeiten, zu kommunizieren, wachsen stetig. Dahinter steht auch ein politischer Wille und die Forschungsorganisationen unterstützen das. Und nicht zuletzt ist es mit Blick auf Wissenschaft in der Gesellschaft wichtig, dass Forschende kommunizieren. Wer kann besser über ihre Arbeit berichten als die Wissenschaftler*innen selbst, als authentische Stimmen? Sie sind längst stärker gefragt und gefordert.

„ Wer kann besser über ihre Arbeit berichten als die Wissenschaftler*innen selbst, als authentische Stimmen? Sie sind längst stärker gefragt und gefordert.“ Beatrice Lugger
Uns ist wichtig, wie wir dabei zur Qualitätssteigerung beitragen können. Die Plattform kann nun Forschende dabei unterstützen, möglichst offen darüber zu sprechen, was gut und was weniger gut in der Wissenschaftskommunikation funktioniert, ohne dass sie an den Pranger gestellt werden. Und wir sehen, wie gesagt, neben dem steigenden Bedarf an Möglichkeiten zum Kompetenzaufbau in unseren Seminaren auch einen steigenden Bedarf an Möglichkeiten zum Austausch.

Welche Inhalte bietet die Plattform den Nutzer*innen?
Es gibt zwei Ebenen. Wenn ich nicht angemeldet bin, sehe ich die Netzwerkteile der Plattform nicht. Öffentlich sichtbar sind die Informationen über das WissKon-Netzwerk, die Konferenz, Tipps zur Wissenschaftskommunikation, die wir am NaWik anwenden, Videomitschnitte von Projektvorstellungen und anstehende Events.

Wenn ich mich registriere, gelange ich in den Community-Bereich. Das Herzstück sind die kommunizierenden Wissenschaftler*innen selbst. Diese geben bei der Anmeldung an, in welchen Bereichen der Wissenschaftskommunikation sie Erfahrungen haben. Sie können Felder auswählen wie Social Media, Podcast oder alle möglichen anderen Formate, mit denen sie arbeiten. Diese Schlagworte helfen dann anderen Community-Mitgliedern bei der Suche. Wir wollten eine klare Struktur schaffen, die Orientierung gibt. Außerdem können Mitglieder eigene Wissenschaftskommunikations-Projekte eintragen und vorstellen. So soll aus der Community heraus automatisch eine Art Ideenpool und Praxisreihe entstehen. Auch eine Lunchtalk-Reihe gehört zum Netzwerkteil. Diese Onlineveranstaltungen sind nicht öffentlich, sondern nur für Mitglieder zugänglich.

Kuratiert das WissKon-Team die Liste der Wisskomm-Aktiven?
Die Nutzer*innen erstellen bei der Registrierung die Profile selbst. Dabei gibt es die üblichen auszufüllenden Felder plus die anklickbaren Schlagworte. Wir werden die Anmeldungen aber im Blick haben, damit keine Fake-Accounts im Netzwerk entstehen. Diese Überprüfung müssen wir machen, um eine vertrauensvolle Basis zu schaffen.

Werden die verschiedenen Projekte, die Nutzer*innen auf der Plattform vorstellen können, redaktionell betreut?
Die Projekte gehen nicht automatisch online. Hier sind Texte und Bilder und Links zu laden. Das ist komplexer. Deshalb greifen wir, wo nötig, gerne redaktionell unter die Arme und schalten schließlich aktiv frei.

Welche Kriterien muss ein Projekt erfüllen, damit es in das WissKon-Netzwerk aufgenommen wird?

„Das Voneinanderlernen und die gegenseitige Unterstützung stehen im Mittelpunkt.“ Beatrice Lugger
Es reicht nicht, ein Medium nur zu nutzen oder selbst mal einen Science Slam gemacht zu haben. Den eigenen Twitter-Kanal kann man zum Beispiel nur vorstellen, wenn er ein bestimmtes Thema und eine Zielrichtung hat wie etwa der Account der Astrophysikerin Victoria Grinberg. Sie macht mit dem Hashtag #Astrophysikerinnen regelmäßig auf andere Frauen in ihrem Forschungsfeld aufmerksam. Damit hat ihr Social-Media-Account einen Projektcharakter. Außerdem muss eine Projektbeschreibung ein gutes Bild enthalten und wir überprüfen, ob valide Links hinterlegt sind.

Warum haben Sie sich beim WissKon-Netzwerk für einen geschlossenen Raum entschieden?
Wir haben uns für einen Mitglieder-Log-In entschieden, damit die Plattform nicht von Dritten falsch genutzt wird oder versucht wird, die Plattform zu unterwandern. Der andere Gedanke ist, dass gerade Events wie die Lunchtalk-Reihe nur für Mitglieder zugänglich sind, um einen geschützten Diskursraum zu ermöglichen. Es geht darum, maximal offen sprechen zu können.

In welcher Form findet der Austausch auf der Plattform statt: in Foren innerhalb des Netzwerks oder per Direktnachricht zwischen den Mitgliedern?
Wir haben uns vorerst gegen Foren innerhalb der Plattform entschieden. Unsere Erfahrung zeigt, dass es sehr schwierig ist, in Foren zur Diskussion anzuregen. Wirklich lebendig werden diese selten. Aber die Projektbeschreibungen kann man kommentieren oder man kann Fragen dazu stellen. Ansonsten sind über die Suche die Kontaktdaten von Personen abrufbar, sodass Mitglieder sie anschreiben können. Diese Möglichkeit zur Kontaktaufnahme ist ein Mehrwert des Netzwerkes. Das wurde von Testnutzer*innen in der Vorphase so an die Projektkoordinatorin Virginia Albert zurückgespielt.

Wie können Sie bei Verstößen moderierend eingreifen oder Personen melden?
Jede*r kann uns Verstöße gegen die Netiquette melden und wir werden dem nachgehen und entsprechend reagieren.

Wie ist die Plattform finanziert?
Das WissKon-Netzwerk ist ein Ableger der Konferenz, die wie unser Institut von unseren beiden Gesellschaftern, der Klaus Tschira Stiftung und dem Karlsruher Institut für Technologie, unterstützt wird.

Worin liegt der Unterschied zum Online-Portal Wissenschaftskommunikation.de, das allen, die Wissenschaft kommunizieren, eine Austausch- und Debattenplattform bietet?
Die Debatten auf Wissenschaftskommunikation.de finden zum einen öffentlich statt und sind mehrheitlich Beiträge zu aktuellen Themen der Wissenschaftskommunikation. Darin werden große Meta-Themen diskutiert, die auch einen politischen Hintergrund haben können und für die gesamte Wisskomm-Community von hohem Interesse sind.

Unser Plattformgedanke ist ein sehr pragmatischer. Es geht darum, wie Wissenschaftler*innen selbst konkret Wissenschaftskommunikation betreiben. Damit wird eine ganz andere Ebene angesprochen.

„Damit dieses mit Leben gefüllt wird, müssen jetzt Menschen reingehen und es nutzen. Die Lebendigkeit und das eigentliche Netzwerk entstehen durch die Nutzer*innen und nicht durch uns.“ Beatrice Lugger
Es geht also eher um praxisnahen Erfahrungsaustausch als um evidenzbasierte Tipps?
Absolut. Das Voneinanderlernen und die gegenseitige Unterstützung stehen im Mittelpunkt. Dabei sind evidenzbasierte Tipps natürlich auch willkommen. Und es kann durchaus sein, dass jemand einen Lunchtalk anbieten möchte, der dann noch eine andere Ebene einzieht. Der Impuls kommt dann aber aus der Community.

Wie geht es mit dem WissKon-Netzwerk weiter?
Mit dem Start stellen wir eine Infrastruktur zur Verfügung. Die Plattform ist sozusagen erst einmal ein nacktes Gerüst. Damit dieses mit Leben gefüllt wird, müssen jetzt Menschen reingehen und es nutzen. Die Lebendigkeit und das eigentliche Netzwerk entstehen durch die Nutzer*innen und nicht durch uns.
Wir haben die Plattform nach unserem besten Wissen gebaut. Jetzt hoffen wir auf das Feedback, die Ideen und die Wünsche der Nutzer*innen. So könnten diese sich durchaus zum Beispiel etwas anderes als Lunchtalks ausdenken. Oder es gibt einen Wunsch nach speziellen Features. Ich bin mir sicher, dass es noch viele kluge Ideen gibt.

Wir sind jetzt sehr gespannt, was passiert oder ob überhaupt etwas passiert. Die Plattform selbst ist in diesem Sinne auch ein Wissenschaftskommunikationsprojekt, bei dem wir Zielideen haben, aber noch nicht wissen, ob sie funktionieren. Vielleicht müssen wir noch einmal nachjustieren.

Sie sprechen Zielideen an. Wie wird die Plattform evaluiert?
Wir haben unsere Ziele im Blick. Eines davon ist erst einmal „counting by numbers“, also wie viele Leute die Plattform nutzen und wie viele Projekte vorgestellt werden. Möchte überhaupt jemand einen Lunchtalk initiieren oder gibt es neue Ideen? Um dann mehr zu erfahren, planen wir einen Workshop zur Plattform bei der WissKon-Konferenz im Mai. Dort können wir gezielt erfragen, was man qualitativ noch verbessern kann. Wir werden allgemein regelmäßig Aufrufe starten, Feedback einholen und nachfragen, ob und was das Netzwerk der Community bringt. Das ist aus meiner Sicht der beste Weg.

*Das Nationale Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik) gGmbH ist einer der drei Träger des Portals Wissenschaftskommunikation.de.