Foto: Etienne Girardet

„Die Regionen sind enorm wichtig für die Forschung“

Der gemeinsame Innovation Hub der Hochschulen Wildau und Cottbus-Senftenberg will Wissenschaftskommunikation und Citizen Science im südlichen Brandenburg etablieren. Zum Beispiel mit dem „InnoX Science Festival“. Wie die Präsenzstellen des Wissenschaftsministeriums dabei helfen und was die Vernetzung in die Region hinein bringt, erklärt Festivalleiterin Katherin Wagenknecht.

Frau Wagenknecht, was steckt hinter dem neuen InnoX Science Festival?

InnoX ist ein Festival des Innovation Hub 13, der wiederum von der Technischen Hochschule Wildau und der Brandenburgisch Technischen Universität Cottbus-Senftenberg getragen wird. Die Aufgabe des Hubs ist vor allem der Transfer von wissenschaftlichen Ergebnissen und unter dem Namen InnoX hat es 2019 bereits eine Transferkonferenz gegeben. Das Konferenzformat war uns dann aber etwas zu formal und wir haben damit auch nur bestimmte Zielgruppen erreicht, wie zum Beispiel Unternehmen. Darum haben wir InnoX jetzt zu einem Science-Festival weiterentwickelt, das wir idealerweise auch langfristig in der Region südliches Brandenburg etablieren wollen.

Warum legen Sie so einen starken Fokus auf die Region?

Katherin Wagenknecht ist wissenschaftliche Mitarbeiterin mit Fokus auf Citizen Science, Wissenstransfer und Wissenschaftskommunikation an der Technischen Hochschule Wildau. Sie hat Kulturwissenschaften sowie Stadt- und Raumsoziologie studiert und zuvor in Citizen-Science-Projekten, zum Beispiel am Museum für Naturkunde Berlin, gearbeitet. Foto: privat

Weil in den Regionen sehr viele wichtige Partner für die Forschung und die Hochschulen insgesamt sind. Am Beispiel der TH Wildau kann man außerdem gut sehen, dass in den 30 Jahren, in denen die Hochschule schon besteht, sehr starke Verbindungen vor allem zu kleinen und mittelständischen Unternehmen geknüpft wurden. Diese sind einfach sehr starke Praxispartner für die Forschungsarbeit. Die Regionen sind enorm wichtig für die Forschung und diesen Austausch wollen wir beim Innovation Hub gerne noch intensivieren. Außerdem sind die Hochschulen Teil der Region. Man kann Region und Hochschule nicht getrennt betrachten. Die Hochschulen spielen eine wichtige Rolle oder können sie zumindest spielen – in der Regionalentwicklung und anders herum und darum steckt dahinter vielleicht auch ein gewisses Verantwortungsbewusstsein für den Standort. Ohne also den Blick für die globale Forschungswelt zu verlieren, verortet man sich hier.

Was steht alles auf dem Programm des regionalen Science Festivals?

Das InnoX Science Festival findet vom 22. bis 25. September digital statt. Grafik: InnoHub13

Das Festival findet komplett digital statt und wir planen drei Formatgruppen zu den Bereichen Transfer reflektieren, Transfer erleben und Transfer gestalten, die jeweils unterschiedliche Perspektiven setzen. Die legen zum Teil einen Schwerpunkt auf Gespräche über Transfer oder auf das konkrete Gestalten und Umsetzen von Transferprojekten. Wir kooperieren auch mit dem Projekt Bürger Schaffen Wissen, der Plattform für Citizen-Science-Projekte. Gemeinsam planen wir einen Markt der Möglichkeiten mit konkreten Bürgerwissenschaftsaktivitäten, an denen man sich direkt online beteiligen und mitforschen kann. Dabei geht es uns darum, zu zeigen, dass Citizen Science auch ein Teil von Wissenschaft und Wissenschaftskommunikation ist und das ist für uns in der Region ein besonderes Anliegen.

Warum?

Das Thema Citizen Science oder Beteiligung fällt in einigen Gegenden nicht unbedingt vom Himmel. Man muss als Hochschule schon starke Beziehungs- und Verbindungsarbeit in die einzelnen Regionen betreiben, um die Leute für Citizen-Science anzusprechen. Die TH Wildau ist schon sehr stark darin, Transfer- und Praxispartnerschaften unter dem Label Technologietransfer zu pflegen. Unternehmer*innen und Wissenschaftler*innen sind also schon im Austausch. Die Leerstelle, die gesehen wurde, ist also der Austausch mit Bürger*innen, die nicht in so einem Unternehmen unterwegs sind. Die wollen wir mit dem Festival gezielter ansprechen und arbeiten dafür auch eng mit den Präsenzstellen des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur Brandenburg zusammen. Davon gibt es insgesamt sieben Stück und zwar in jedem Landkreis, der keine Hochschule oder eine andere wissenschaftliche Einrichtung in Brandenburg hat. Zielsetzungen der Arbeit dort ist zum Beispiel Transfer und Wissenschaftskommunikation vor Ort zu ermöglichen und ansprechbar zu sein.

Wie unterstützen die Präsenzstellen des Wissenschaftsministeriums Brandenburg sie konkret?

„Wir wollen, dass die Leute sehen, was an den Hochschulen passiert und dass sie auch mitgestalten und sich inhaltlich mit dem Thema Wissenschaftskommunikation oder Citizen Science beschäftigen.“ Katherin Wagenknecht
Auf die können wir uns stützen, um die Veranstaltung tatsächlich in der Region zu etablieren. Das sind starke Intermediäre, Hubs, Vermittler*innen – man kann viele Worte dafür finden. Konkret arbeiten wir mit den Präsenzstellen in Finsterwalde, Luckenwalde und Fürstenwalde zusammen und haben dadurch schon ein Standbein vor Ort. Die sind einfach sehr nah an der Region, kennen die Themen, die dort funktionieren und wissen, wie man die Menschen erreicht. Das sind ja immer die großen Fragen, wenn man neue Zielgruppen ansprechen möchte. Die Mitarbeiter*innen vor Ort sind dabei eine große Hilfe, denn: Wir wollen wirklich in die Region rein. Wir wollen, dass die Leute sehen, was an den Hochschulen passiert und dass sie auch mitgestalten und sich inhaltlich mit dem Thema Wissenschaftskommunikation oder Citizen Science beschäftigen.

Wie binden Sie die Wissenschaftler*innen der Hochschulen ein?

Wir konzipieren für das Festival natürlich Formate, in denen es inhaltlich um die Arbeit des Innovation Hub 13 und den Forschungsgruppen der TH Wildau und der BTU Cottbus-Senftenberg gehen wird. Da sind wir aber auch noch auf dem Weg der Formatentwicklung mit den Fachgruppen zusammen. Wir beziehen die Wissenschaftler*innen dabei also auch mit ein und bieten Schulungen an. So wollen wir auch hier eine Aufmerksamkeit auf das Thema Wissenschaftskommunikation lenken. Es wird also im Idealfall ein gemeinsamer Weg von Hochschulen und Region zu mehr Dialog. Den gibt es auf dem Level des Technologietransfers schon sehr stark und an vielen Forschungsanträgen sind schon kleine und mittelständische Unternehmen beteiligt. Diese Erfahrungen kann man nutzen, um auch darüber hinaus zu kommunizieren.

Welches Feedback erhoffen Sie sich von den Bürger*innen?

„Das Festival ist für uns also praktisch ein Instrument, um Instrumente zu entwickeln und eine Suche nach gemeinsamen Schnittstellen und Themen.“ Katherin Wagenknecht
Wir wollen gerne einen langfristigen Dialog etablieren und nicht nur ab und zu wie ein Ufo dort landen. Darum erhoffen wir uns von dem Festival vor allem viele Gespräche und dabei soll es nicht nur um wissenschaftliche Inhalte gehen. Wir wollen auch wissen, wie die Menschen angesprochen werden wollen. Es wird also ein großes Experiment zu Wissenschaftskommunikation und Citizen-Science. Das Festival ist für uns also praktisch ein Instrument, um Instrumente zu entwickeln und eine Suche nach gemeinsamen Schnittstellen und Themen. Da erleben wir auch immer wieder Überraschungen.

Welche denn?

Zum Beispiel, dass Themen, von denen wir gedacht hätten, dass sie gut funktionieren, gar nicht laufen und andersherum. Mobilität zum Beispiel ist nicht so unkompliziert wie angenommen. Im Gespräch mit Kolleg*innen aus dem Projekt, die dazu bereits Erfahrungen gesammelt haben, wurde deutlich: Es hat einfach jede*r ein Auto, weil es praktisch kaum anders geht. Alternative Mobilitätskonzepte sind wesentlich uninteressanter als man denken könnte. Das zeigt aber auch, dass man nicht weiterkommt, wenn man sich im eigenen Büro Gedanken macht und dass es noch viele Annäherungsprozesse braucht. Wie man miteinander redet, aber auch worüber und woran man dann im besten Fall gemeinsam bei Citizen-Science forscht.

Haben Sie hier schon erste Projekterfahrungen gesammelt?

In Luckenwalde starten wir im Juni ein Citizen-Science-Projekt unter dem Titel „Erklär uns deine Stadt”. Damit wollen wir zunächst herausfinden, welche Themen für die Bürger*innen überhaupt akut sind. So wollen wir den wissenschaftlichen, manchmal zum Beispiel eher statistisch geprägten Blick der Forschung der konkreten Perspektive der Luckenwalder*innen gegenüberstellen.

Tatsächlich in die Region zu gehen wird in diesem Jahr eher schwierig. Welche Ideen haben Sie, das alles digital umzusetzen?

„Eine große Herausforderung wird natürlich sein, den Dialog, also die Partizipation der Bürger*innen digital zu erreichen.“ Katherin Wagenknecht
Der Vorteil ist, dass wir durch das digitale Format weniger Logistik planen müssen, sowohl auf organisatorischer als auch auf Besucher*innenseite. Wir sagen mal so: Man kann sich die Forschungsvielfalt Brandenburgs nach Hause holen. Dafür müssen wir die Zugänge zu den Formaten natürlich möglichst niedrigschwellig und intuitiv halten – vor allem technisch. Außerdem werden wir zum Beispiel zeitlich unabhängiger, wenn Inhalte individuell abgerufen werden können. Man kann die Region virtuell zusammenbringen, indem man verschiedene Standorte wie Wildau, Cottbus und Senftenberg auch gemeinsam in einer Veranstaltung zeigt. Das sind für uns die Mehrwerte des digitalen Formats. Eine große Herausforderung wird natürlich sein, den Dialog, also die Partizipation der Bürger*innen digital zu erreichen.