Viele Forschende sind online kaum sichtbar und verschenken damit Chancen, sagt die Webdesignerin Corinna Hardtke. Sie erklärt in ihrem Gastbeitrag, was eine gute Website ausmacht und wie Wissenschaftler*innen dadurch Aufmerksamkeit bekommen können.
Digitale Sichtbarkeit beginnt mit der eigenen Website
Als ich meine erste Website als wissenschaftliche Mitarbeiterin baute, war das eher aus der Not heraus: Es gab keine Seite, die unsere Projekte präsentierte, mein Lebenslauf war auf verschiedenen Plattformen verteilt – und ehrlich gesagt: Ich hatte das Gefühl, dass niemand außer meinen Kolleg*innen wusste, woran ich eigentlich arbeite. Heute, einige Jahre und viele Webprojekte später, unterstütze ich Wissenschaftler*innen, Einrichtungen und kleine Unternehmen dabei, sich digital sichtbar zu machen.
Warum ist das Thema so aktuell? Sichtbarkeit ist längst kein nettes Extra mehr. In einer Wissenschaftswelt, in der Drittmittel, Kooperationen und Karriereschritte stark von Netzwerken und Reichweite abhängen, ist die digitale Präsenz ein Karrierefaktor. Der eigene Online-Auftritt ist dabei viel mehr als „Selbstvermarktung“ – er ist eine Chance, die eigene Forschung, Themen und Perspektiven sichtbar zu machen.
Warum digitale Sichtbarkeit für Wissenschaftler*innen (heute) wichtig ist
In der Wissenschaft zählt Sichtbarkeit – sei es, um auf Fördermittelgeber*innen zuzugehen, Kooperationspartner*innen zu finden oder schlicht, um im eigenen Fachbereich präsent zu sein. Früher zählten vor allem Publikationen und Konferenzen. Heute verändert sich die Wissenschaftskommunikation: Digitale Plattformen ergänzen klassische Formate und eröffnen neue Wege, eigene Themen sichtbar zu machen.
Besonders für unterrepräsentierte Gruppen – etwa Wissenschaftlerinnen oder marginalisierte Forschende – bietet eine eigene Webseite die Möglichkeit, selbst Themen zu setzen und Barrieren zu umgehen, die in traditionellen Strukturen noch bestehen. Wer selbst steuern kann, wie er*sie wahrgenommen wird, macht sich unabhängiger von bestehenden Hindernissen.
Herausforderungen auf dem Weg zur Sichtbarkeit
Trotz der Chancen, die digitale Sichtbarkeit bietet, fällt es vielen Wissenschaftler*innen schwer, den Einstieg zu finden. Ein zentraler Grund ist der chronische Zeitmangel: Der Forschungsalltag ist geprägt von Projekten, Lehre und Verwaltungsaufgaben. Für strategische Maßnahmen bleibt oft wenig Raum. Insbesondere für Wissenschaftlerinnen, deren „heiße“ Karrierephase häufig mit der Familiengründung zusammenfällt.
Hinzu kommt eine gewisse Unsicherheit: Was gehört eigentlich auf eine Website? Viele schrecken zudem vor der Vorstellung zurück, sich selbst vermarkten zu müssen, und verbinden damit den unangenehmen Gedanken an „Inszenierung“. Auch strukturelle Faktoren spielen eine Rolle, denn längst nicht jede Einrichtung stellt Ressourcen für digitale Sichtbarkeit bereit.
Gerade Wissenschaftlerinnen erleben zusätzlich eine strukturelle Unsichtbarkeit. Eine eigene Webseite kann hier ein wirksames Werkzeug sein, um dieser Lücke aktiv entgegenzutreten. Entscheidend ist jedoch, dass Wege gefunden werden, die realistisch und machbar sind – auch dann, wenn nur wenig Zeit oder finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.
Zu Beginn lohnt es sich, ein paar Fragen zu stellen. Für wen möchten Sie sichtbar sein? Eine Fach-Community, Förderinstitutionen oder eine bestimmte, Öffentlichkeit? Auch eine minimale Präsenz kann viel bewirken. Ein zentrales Profil – sei es eine kleine Website oder ein professionelles LinkedIn-Profil – ist dabei der Ausgangspunkt: Ihre digitale Visitenkarte, die aktuell und auf den Punkt ist.
Welche Informationen suchen Journalist*innen?
Auch Journalist*innen greifen gerne auf Websites und Linkedin-Profile von Forschenden zurück, wenn sie nach Informationen suchen. Besonders hilfreich sind dabei klare Angaben zu den aktuellen Forschungsschwerpunkten: Welche Themen stehen im Zentrum? Welche Projekte laufen gerade? Und woran arbeitet die Person konkret?
Ebenso wertvoll ist es, wenn die wissenschaftliche Expertise durch Publikationen, Blogbeiträge oder kurze Stellungnahmen zu aktuellen Fragen sichtbar wird. So können Medienvertreter*innen einschätzen, ob Sie als Expert*in für einen Beitrag infrage kommen.
Praktische Aspekte spielen dabei ebenfalls eine Rolle. Eine gute Website macht Kontaktdaten und gegebenenfalls auch Pressebilder leicht auffindbar – idealerweise gleich mit den nötigen Copyright-Informationen. Hilfreich sind zudem Kurzbiografien in verschiedenen Längen, etwa 500 bis 1000 Zeichen, die eine schnelle Übernahme in Beiträge ermöglichen.
Eine solche Struktur nimmt Journalist*innen die mühsame Suche nach verstreuten Informationen ab und erhöht die Chance erheblich, als Ansprechperson für Interviews, Hintergrundgespräche oder Medienberichte angefragt zu werden.
Wie gelingt eine gute Website?
Eine gute Website muss nicht groß oder aufwendig sein, um Wirkung zu zeigen. Entscheidend ist vielmehr, dass sie drei grundlegende Funktionen erfüllt. Zum einen sollte sie Klarheit schaffen: Wer sind Sie, womit beschäftigen Sie sich, und warum ist Ihre Arbeit relevant? Ein prägnanter Einstiegstext auf der Startseite – eine Art Pitch – hilft dabei, diese Fragen direkt zu beantworten. Zum anderen lebt eine Website von Aktualität. Das bedeutet nicht, dass ständig neue Inhalte veröffentlicht werden müssen, wohl aber, dass Projekte, Publikationen oder Veranstaltungshinweise nicht den Eindruck erwecken, längst veraltet zu sein. Schließlich zählt die Kontakt- und Medienfreundlichkeit: Journalist*innen, Kooperationspartner*innen oder auch Studierende sollten auf einen Blick erkennen können, wie sie Sie erreichen. Praktisch ist es hier, ein einfaches Kontaktformular mit Spamschutz einzubauen – so bleibt die Kommunikation offen, ohne dass das Postfach von unerwünschten Mails überflutet wird. Wahlweise kann auch die E-Mailadresse verschleiert werden ( z. B. name[at]uni-xy[dot]com).
Gerade zu Beginn ist es sinnvoll, mit einer schlanken Struktur zu starten – etwa mit einer Startseite, einer Projektübersicht, einem Publikationsbereich und einer Kontaktseite. So bleibt die Seite übersichtlich, und sie kann jederzeit erweitert werden. Entscheidend ist die Qualität der Inhalte, nicht die Quantität.
Fazit: Digitale Sichtbarkeit als selbstbestimmter Prozess
Digitale Sichtbarkeit ist kein Selbstzweck. Sie ist ein Werkzeug, um die eigene Arbeit sichtbar zu machen, Netzwerke aufzubauen und sich unabhängiger von klassischen Gatekeeper*innen zu positionieren. Kleine Maßnahmen können große Wirkung entfalten, wenn sie strategisch eingesetzt werden.
Gerade Wissenschaftlerinnen profitieren davon, sich als Markenbotschafterinnen ihrer Forschung zu verstehen. Sichtbarkeit bedeutet Selbstbestimmung über Themen, Perspektiven und Chancen.
Ein Wunsch an die Institutionen: Sichtbarkeit muss strukturell mitgedacht werden – durch Ressourcen, Schulungen und Leitfäden. Bis dahin lohnt es sich, selbst aktiv zu werden.
Praxistipps und Tools für mehr Sichtbarkeit im Wissenschaftsalltag
- Schnell umsetzbare Maßnahmen (30–60 Minuten Aufwand)
Kleine Schritte entfalten oft große Wirkung:- ORCID, ResearchGate, LinkedIn-Profil aktualisieren: Halten Sie Biografie, aktuelle Projekte und Publikationen aktuell.
- Eigenen Pitch formulieren: Wer bin ich, was mache ich, und warum ist das spannend? Ein knackiger Text für Ihre Profile, Vorträge und digitale Events.
- Canva nutzen: Für ein professionelles Profilbild, Social-Media-Grafiken oder Poster. Canva bietet auch ohne Design-Erfahrung viele Vorlagen. Das Programm ist kostenlos nutzbar.
- Mittelfristige Projekte (größerer Hebel, etwas mehr Aufwand)
Der eigene Webauftritt ist eine nachhaltige Maßnahme:- Website mit WordPress.org aufbauen: Selbstgehostete WordPress-Websites bieten Freiheit im Design und in den Funktionen. Wer sich nicht davor scheut, sich etwas einzuarbeiten (oder Unterstützung holt), wird mit einer professionellen und unabhängigen Präsenz belohnt. WordPress ist ein Content-Management-System (über wordpress.org kostenlos downloadbar), über welches Websites und Blogs ohne Programmierkenntnisse erstellt werden können. Alternativ gibt es auch Baukasten-Modelle, wie WIX, Strato etc. (teilweise mit Kosten verbunden).
- Struktur-Tipps für Ihre Website: Startseite (Pitch & Projekte), Lebenslauf, Publikationen, ggf. ein Blog oder News-Bereich.
- Tools zur Gestaltung:
- Canva für Logos, Headergrafiken, Projektvisualisierungen
- Unsplash für hochwertige, lizenzfreie Bilder
- Elementor-Plugin (in der Basis-Version kostenlos) als Baukasten-Plugin auf WordPress
- Inhalte verbreiten: Schreiben Sie Blogartikel, bieten Sie Gastbeiträge an oder beteiligen Sie sich aktiv in Fachnetzwerken.
- Präsentationen und Talks: Präsentationen mit Beautiful.ai (ab 15 $/Monat) oder Canva (kostenlose Basis-Version verfügbar) visuell aufbereiten.
- Langfristige Sichtbarkeitsstrategie
Sichtbarkeit wächst mit der Zeit. Wer kontinuierlich dranbleibt, baut sich eine starke Positionierung auf:- Digitale Netzwerke aufbauen und pflegen: LinkedIn eignet sich hervorragend, um Projekte und Erfolge zu teilen und in Kontakt zu bleiben.
- Kooperationen und digitale Events: Webinare, Online-Panels oder Interviews bieten Reichweite und Vernetzung zugleich.
- Positionierung als Expert*in: Wer regelmäßig zu einem Themenfeld sichtbar ist, wird mittelfristig als Ansprechpartner*in wahrgenommen (zum Beispiel Hendrik Streeck und die Corona-Pandemie).
Dieser Beitrag wurde mit punktueller Unterstützung durch ein KI-Tool (ChatGPT) sprachlich überarbeitet. Inhaltliche Verantwortung und Endfassung liegen bei der Autorin.
Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.