„Hält die Wissenschaft Gegenwind aus?” Diese Frage stellt Kommunikationschef Jens Rehländer in seinem Gastbeitrag und mahnt, dass die Forschung verlässliche Sympathisant*innen gewinnen muss.
Wissenschaft ohne Widerstandskraft?
Resilienz ist das Buzzword der Stunde in der Wissenschafts-PR. Und ein Streitpunkt, der uns noch lange beschäftigen wird. Kein Wunder: In den USA stehen der faktenbasierten Wissenschaft sehr, sehr harte Jahre bevor. Donald Trump führt Krieg gegen Universitäten, streicht Fördermilliarden und hievt fragwürdiges Personal in Schlüsselpositionen seiner Regierung. Russland und China haben mit ihrer freiheitsfeindlichen Politik die bewährte Internationale der Forschungskooperationen gesprengt. Und hierzulande signalisieren Umfragen wachsende Begeisterung für extremistische Parteien und ihre gleichermaßen demokratie- wie wissenschaftsfeindliche Politik.
Es gibt also Anlässe genug, sich die bange Frage zu stellen: Ist unser Wissenschaftssystem widerstandsfähig genug, um auf lange Sicht steifen Gegenwind auszuhalten?
Ich behaupte: nein.
Wobei die Wissenschafts-PR, so scheint mir, den Ernst der Lage schon deutlich besser wahrnimmt als „das System“. Wo liegen die Defizite? Zuvorderst zu nennen: Es ist nicht gelungen, einen systemisch verankerten, von überzeugender Wertschätzung geprägten „Dialog auf Augenhöhe“ mit außerwissenschaftlichen Akteur*innen zu etablieren. Gewiss, Reallabore und Bürger*innenräte und transdisziplinäre Forschungsprojekte sind lobenswerte Ansätze – fragwürdig bleibt allerdings deren Breitenwirkung.
Auch die Idealisierung der Wissenschaft durch ihre PR-Abteilungen hat nicht dazu beigetragen, mehr Sympathien im Rest der Gesellschaft zu erzeugen. Falls es jemals zu einer Aufarbeitung der Pandemie und ihrer medialen Begleitung kommen sollte, werden PR und Journalismus sich eingestehen müssen, selbst jenes Wir-Sie-Denken genährt zu haben, das wir unseren Kritiker*innen vorwerfen. „Follow the Science“ lautete das Motto. Wer es in Frage stellte, machte sich verdächtig, wissenschaftsskeptisch zu sein, schlimmer noch: Wissenschaft zu leugnen.
Nimmt man das Wissenschaftsbarometer von Wissenschaft im Dialog* zur Hand, freut man sich über stabilen Zuspruch in den wichtigsten Kriterien. Anlass für Zuversicht bietet aber auch das Barometer nicht. Denn im Umkehrschluss ließe sich folgern, dass der jahrelange massive personelle Aufwuchs in den Kommunikationsabteilungen nicht dazu beigetragen hat, mehr Menschen „für Wissenschaft zu begeistern“ – um hier die völlig abgenutzte Floskel zu gebrauchen.
Was bedeutet das für die Resilienz des Wissenschaftssystems?
Es stünde unserer Branche gut an, das eigene Wirken mit mehr Demut zu betrachten.
Für die meisten Menschen steht Wissenschaft nicht im Zentrum ihres Interesses.
„Wissenschaftsferne Zielgruppen“ wird es immer geben. Aber es wäre viel gewonnen, wenn wir jene, die Forschung und Lehre als wichtig erachten, nachweislich ernster nähmen. So würden wir verlässliche Sympathisant*innen gewinnen, die sich für die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre einsetzen, falls es (politisch) nötig würde.
Das zumindest wäre meine Hoffnung. Selbst wenn wir in den USA beobachten müssen, dass sich gegen Trumps Demontage des Wissenschaftssystems bisher kaum Widerstand regt.
* Wissenschaft im Dialog ist einer der drei Träger der Plattform Wissenschaftskommunikation.de. Dieser Beitrag erschien in einer früheren Version bei LinkedIn.