Der Effekt von Kommunikationstrainings auf Forschende, was Menschen zur Teilnahme an Citizen-Science-Projekten motiviert und welche Faktoren die Vertrauenswürdigkeit von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern beeinflusst: Das sind die Themen im aktuellen Forschungsrückblick.
Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im August 2020
In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Forschungsergebnisse zum Thema Wissenschaftskommunikation. Sollten Sie etwas vermissen, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder hinterlassen Sie einen Kommentar.
Wie Kommunikationstrainings wirken
Von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern wird immer öfter verlangt, selbst mit der Öffentlichkeit über ihre Forschungsergebnisse in einen Dialog zu treten. Dabei sollen unter anderem Kommunikationstrainings helfen. Ob diese aber wirklich die Bereitschaft von Forschenden erhöhen, sich öffentlich zu äußern, ist noch nicht ausreichend erforscht. Ein Team um den Medienwissenschaftler Jacob Copple von der University of Texas wollte daher herausfinden, ob und wie solche Trainings wirken.
Methodik: Die Forschenden befragten 508 Professorinnen und Professoren von Universitäten im AAU-Verband (einem Zusammenschluss von Universitäten mit führender Rolle in der Forschung) zu ihren Erfahrungen mit Wissenschaftskommunikation und zugehörigen Trainings. Die Teilnehmenden waren im Durchschnitt 56 Jahre alt. Die Fragen bezogen sich ausschließlich auf Live-Formate der Kommunikation mit der Öffentlichkeit wie populärwissenschaftliche Vorträge, Auftritte in Science-Cafés und ähnliches. Unter anderem wollten die Forschenden wissen, in welchem Umfang die Befragten bereits in den Genuss von Kommunikationstrainings gekommen waren und wie bereitwillig sie an den genannten Aktivitäten in der Zukunft teilnehmen würden.
Schlussfolgerungen: Zwei Effekte von Kommunikationstraining sind dieser Untersuchung zufolge besonders relevant dafür, ob Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler sich anschließend stärker im Dialog mit der Öffentlichkeit engagieren: Das Zutrauen in die eigenen kommunikativen Fähigkeiten und ein positiveres Bild des Publikums.
Einschränkungen: Aus praktischer Sicht stellt sich die Frage, ob es sinnvoll ist, wenn Forschende ein freundliches und interessiertes Publikum erwarten – oder ob Kommunikationstrainings sie nicht gerade auf den umgekehrten Fall vorbereiten sollten, der im aktuelle Meinungs- und Kommunikationsklima mindestens ebenfalls häufig auftreten dürfte. Zudem gab es einige methodische Einschränkungen. So hatten nur 11 Prozent der ursprünglich angeschriebenen Forschenden der Teilnahme an der Umfrage zugestimmt; sie ist damit nicht repräsentativ. Es wurde auch nicht erfasst, welche Art von Training die Teilnehmenden genau erhalten hatten; und die Fragen beschränkten sich auf Face-to-Face-Kommunikation. Andere Formen des Engagement, etwa in sozialen Netzwerken, wurde damit nicht erfasst. Da die Untersuchung retrospektiv war, liefert sie zudem keinen eindeutigen Beleg für kausale Wirkungen.
Emotionen fördern wissenschaftliches Engagement
Citizen-Science-Projekte können dabei helfen, den Artenverlust auf der Erde zu untersuchen, und somit einen wichtigen Beitrag zum Umweltschutz leisten. Doch was motiviert Menschen dazu, in ihrer Freizeit solche Projekte zu unterstützen? Dem gingen Hannah Greving und Joachim Kimmerle vom Leibniz-Institut für Wissensmedien in Tübingen in einer neuen Studie nach.
Methodik: Die Forschenden zeigten den Versuchspersonen in zwei Experimenten Bilder von Waschbären oder Füchsen in verschiedenen Situationen: Mal wirkten die Tiere notleidend, mal aggressiv, niedlich oder ohne besonderen Ausdruck. Anschließend lasen die insgesamt 266 Probandinnen und Probanden stets den gleichen Informationstext über die Tiere. Zum Schluss sollten sie unter anderem angeben, welche Emotionen die Bilder bei ihnen geweckt hatten, und ob sie sich vorstellen könnten, an Citizen-Science-Projekten zu Waschbären oder Füchsen teilzunehmen (für die Studie wurden nur Personen zugelassen, die zuvor noch nie an einem bürgerwissenschaftlichen Projekt teilgenommen hatten).
Ergebnisse: Tiere in Not zu sehen, regte das Mitgefühl der Teilnehmenden an und führte über diesen Weg nicht nur zu positiveren Einstellungen gegenüber Citizen-Science-Forschungsprojekten mit diesen Tieren, sondern letztlich auch zu einer größeren Bereitschaft, selbst in der Zukunft an einem solchen Projekt teilzunehmen.
Schlussfolgerungen: Emotionen spielen für die Rekrutierung für Citizen-Science-Projekte eine wichtige Rolle. Fotos, die Mitleid oder Mitgefühl mit notleidenden Tieren wecken, könnten besonders hilfreich sein, um Menschen beispielsweise zur Teilnahme an Projekten im Bereich Arten- und Umweltschutz zu motivieren. Daraus erwächst laut den Forschenden aber auch eine Verantwortung. Denn nicht nur sind Emotionen wie Mitleid schnell geweckt: Versuchspersonen, die notleidende Tiere gesehen hatten, waren hinterher beispielsweise auch trauriger.
Einschränkungen: Waschbären und Füchse gehören zu den Sympathieträgern im Tierreich. Geht es um die Erforschung weniger fotogener Tier- oder gar Pflanzenarten, könnte das Mitgefühl von Menschen vielleicht schwerer oder gar nicht zu wecken sein, weshalb andere Arten der Überzeugungsarbeit nötig wären. Es wurde zudem nicht erfasst, ob die Probandinnen und Probanden im Alltag tatsächlich bürgerwissenschaftlich aktiv wurden.
Was Forschende vertrauenswürdig macht
Welche Rahmenbedingungen für die Wissenschaftskommunikation wirken sich günstig oder ungünstig auf das Vertrauen in Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus? Die Wissenschaftsphilosophin Janet Michaud und ihr Kollege John Turri von der University of Waterloo (Kanada) untersuchten nun eine Reihe von Faktoren, die eine Rolle spielen könnten.
Methodik: In drei Befragungen erhielten die insgesamt 526 Versuchspersonen stets einen kurzen Absatz über eine wissenschaftliche Studie zu lesen. Dabei wurden verschiedene Informationen verändert: Mal sprachen zum Beispiel Biologen mit der lokalen Bevölkerung, bevor sie sich auf die Suche nach der Quelle für eine radioaktive Verseuchung von Schafen in der Gegend machten – in anderen Versionen dieser Geschichte fingen sie auf eigene Faust mit der Untersuchung an. Bei anderen Experimenten ging es beispielsweise darum, ob beim Staat angestellte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die Freiheit haben, sich ohne Abstimmung mit der Regierung öffentlich zu äußern, und ob ein Forschungslabor von öffentlichen oder privaten Drittmitteln finanziert wird (oder beides). Zum Schluss jeder Geschichte galt es stets die Glaubwürdigkeit der Forschenden zu bewerten, genauer gesagt: einzuschätzen, wie kompetent, objektiv und vertrauenswürdig diese seien.
Schlussfolgerungen: Um das Vertrauen der Bevölkerung in Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu erhöhen, lässt sich an verschiedenen Stellen ansetzen. Zum einen bei den Rahmenbedingungen für die Forschung (etwa der Finanzierung), zum andern bei Vorgaben für die Kommunikation (zum Beispiel, indem man öffentlich angestellten Forschenden keine restriktiven Regeln vorschreibt) und im Forschungsprozess selbst (indem man beispielsweise Betroffenen zuhört und deren Ideen oder Vorbehalte dokumentiert).
Einschränkungen: Bevor sie die Forschenden einschätzen sollten, erhielten die Versuchspersonen nur wenige Informationen – die Geschichten umfassten jeweils nur vier Sätze. Zudem gab es für jedes interessierende Merkmal nur eine Geschichte, weshalb die Ergebnisse schlecht verallgemeinerbar sind. Michaud und Turri weisen außerdem darauf hin, dass noch viele weitere Faktoren auf das Vertrauen wirken können. Eine interessante Frage etwa wäre, wie die Diversität eines Forschungsteams auf verschiedene Teile der Gesellschaft wirke.
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