Foto: U. Brandt-Bohne, CC BY-NC 3.0

Imitatron – ein Wissenschaftstheaterstück

Kann ein experimenteller Linearbeschleuniger veranschaulicht, präsentiert und erklärt werden? Dies ist die Geschichte eines Wissenschaftstheaterstücks.

FLUTE heißt der neue Linearbeschleuniger des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT), der am 13.07.2017 eingeweiht wurde und spannende Forschungsmöglichkeiten verspricht.

Einweihung des FLUTE am KIT; Foto: U. Brandt-Bohne

Flute steht für Ferninfrarot Linac- Und Test Experiment. Mit dieser Apparatur soll die Physik von nur wenigen Femtosekunden kurzen Elektronenpaketen zur Erzeugung kohärenter THz-Pulse erforscht und Anwendungen für Natur- und Ingenieurswissenschaften gefunden werden.

Wie kann so ein hochkomplexes System unterhaltsam und verständlich veranschaulicht werden? Diese Gedanken trieben Anke Müller (Teilchenphysikerin, Direktorin des IBPT) für die Einweihungszeremonie ihres Projektes um. Zusammen mit ihrem Team und der Institutsleitung entschied sie sich für einen unkonventionellen Ansatz und engagierte das Kollektiv Science Vision, für ihr Vorhaben. Dieses Netzwerk von wissenschaftlich interessierten Kommunikationsdesignern entwickelte gemeinsam mit den Forschern ein performatives Format und baute FLUTE kurzerhand mit Hausmitteln nach.  

Im Verlauf der Einweihungszeremonie wurde der selbstgebaute, und „Imitatron“ getaufte Teilchenbeschleuniger, in einem kleinen Schauspiel mit Wissenschaftlern des FLUTE-Projektteams in Betrieb genommen.

„Imitatron ist ein Teilchenbeschleuniger zur Erzeugung von Erkenntnis“, begann Michael Nasse, der in diesem Stück ebenso wie im echten Leben als Physiker am Teilchenbeschleuniger arbeitet. „Wie kommt man zu einer solch komplexen Anlage?“, fragte er ins Publikum, woraufhin er Verstärkung von der Physikerin Minjie Yan bekam. Zusammen erklärten die beiden Wissenschaftler, dass im ersten Schritt Simulationen erstellt werden müssen, die als Basis für einen Projektantrag dienen. Danach folgt die Werbung um Projektpartner. ,Willst Du mit uns arbeiten?‘ war die spielerisch dargestellte Frage an den potentiellen Projektpartner, der „ja“oder „nein“ ankreuzen konnte. Unterstützt wurden ihre Worte von Bildern, die zum Inhalt passend vom Designern Chris Spatschek vor eine Kamera gehalten wurde. Amüsiert konnten die Zuschauer das Geschehen bis hin zum finalen Bewilligungsprozess auf einer großen Leinwand verfolgen. Im letzten Schritt wurde der Bau der Anlage durch ein interdisziplinäres Team benannt.

Imitation, ein selbstgebauter Teilchenbeschleuniger, Foto: U Brandt-Bohne

Dann war es soweit: Imitatron wurde enthüllt. Zum Vorschein kam eine haptische und anschauliche Konstruktion, bestehend aus zwei Kästen, die durch ein langes Rohr verbunden waren. Chris Spatschek, jetzt in der Funktion des Operators, bediente die Knöpfe und setzte Imitatron in Betrieb.

Lichter blinkten, ein Fön im ersten der beiden Kästen sprang an und Pingpongbälle schwebten im Luftstrom. Durch einen zweiten Luftrahl eines weiteren Föns bekamen die Bälle einen Schubs in einen Trichter, der in das lange Rohr mündete. Die Bälle flitzten unter einem Lichtblitzgewitter durch dieses hindurch und wurden am anderen Ende in einem Netz aufgefangen. So anschaulich kann ein Teilchenbeschleuniger erklärt werden.

Prof. Anke Müller und Mitwirkende des Wissenschaftstheaterstückes: Kommunikationsdesignern Chris Spatschek, Damian Maria Domes und Alice Rensland in Reinraumanzügen und FLUTE Wissenschaftlern Dr. Michael Nasse und Minjie Yan.

Die Pingpongbälle stellten die Elektronen dar, die in einem echten Beschleuniger als Teilchen genutzt und untersucht werden. Der Luftstrahl verdeutlichte den Energiestrom, auf dem die Teilchen durch die Röhre fliegen. Das Auffangnetz stand für die Messung selber. So konnte Minjie Yan erklären, dass nun zwar Messungen erfolgen konnten, die Teilchen aber verloren seien. Ein Ziel ihrer Forschung sei es aber nach zerstörungsfreien Messmethoden zu suchen, um die Teilchen später für Experimente nutzen zu können. Also wurde kurzerhand ein weiteres Rohr angebracht, so dass die Pingpongbälle nicht mehr im Netz, sondern über den Messpunkt hinaus in den zweiten Kasten flogen. Damit war auch der bislang noch verhüllte Teil der Konstruktion zu sehen, der die Experimentierstation darstellen sollte. In diesen Kasten wurden Bilder eingeschoben, die mit Schwarzlicht bestrahlt an bestimmten Stellen zu leuchten begannen. Dies verdeutlichte, wie die Teilchen des Beschleunigers zur Messung unterschiedlicher Strukturen genutzt werden können. Somit wurde der Wunsch der Forscher mögliche Anwendungen mit dieser Darstellung sichtbar machen zu können ebenfalls erfüllt. Und sogar das ,Drumherum‘ wurde eingefangen. Plötzlich sprang ein Mann im Publikum auf und gab sich als Projektpartner, der seine Ideen mit einbringen möchte, zu erkennen. Wie sich herausstellte, war dies nicht nur gespielt, sondern auch im echten Leben ein Projektpartner.

Alle Zuschauer, Fachkundige wie auch Laien, hatten Spaß und konnten eine hochkomplexe Apparatur, ihre Funktionsweise und Möglichkeiten zumindest grob verstehen. Nach dieser gelungenen Vorstellung wurde der echte FLUTE offiziell eingeweiht und von allen Anwesenden besichtigt.

Für einen Einblick in das Imitatron-Theaterstück, gibt es hier eine stark gekürzte Version der Vorstellung:

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Das Fazit aus Zuschauersicht: Es sollten mehr Wissenschaftler Theater spielen und von Visualisierungsexperten begleitet und beraten werden!

 

Zum Weiterlesen/anschauen:

Die Pressemitteilung und der Film des KIT zur Funktionsweise von FLUTE.