Foto: Jesse Orrico

Eine Toolbox für virtuelle Hochschulkommunikation

Das Expertennetzwerk für virtuelle Wissenschaftskommunikation möchte in den kommenden Monaten einen Werkzeugkasten für den digitalen Austausch zwischen Hochschulen und Gesellschaft entwickeln. Dafür sammelt das Projekt der Universitäten Basel, Konstanz und Zürich Best Practices aus der Community und freut sich über Partnerinnen und Partner.

Frau Meyer Richli, Frau Wagner, Frau Wandt, was sind Ihre Ziele für das Expertennetzwerk Virtuelle Wissenschaftskommunikation?

Wagner: Wir möchten den Austausch von Erfahrungen mit virtueller Kommunikation zwischen den Hochschulen vorantreiben. Ein besonderer Fokus liegt dabei im Bereich virtueller Events. Dafür sammeln wir erst einmal Formate und Methoden, die Hochschulen vor allem in den vergangenen Monaten entwickelt beziehungsweise umgesetzt haben. In dem Bereich ist aktuell sehr viel Wissen und Kompetenz entstanden, die vom virtuellen Dies academicus bis zur Online-Zeugnisvergabe reicht. Gleichzeitig wollen wir Expertinnen und Experten aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik einladen, mit uns zusammenzuarbeiten, denn auch dort sind viele Formate zur virtuellen Wissenskommunikation entstanden, von denen wir lernen können. Aus diesen Beispielen möchten wir Best-Practices für Formate formulieren und dazu Leitfäden und Materialien zur Verfügung stellen. In einer Art Toolbox können Kommunikatorinnen und Kommunikatoren diese dann per Suchfunktion abrufen und von den Erfahrungen der anderen profitieren. Im Fokus steht also das Voneinanderlernen. So muss man das Rad nicht immer neu erfinden und kann im Alltag hoffentlich schneller Entscheidungen für das richtige Format treffen.

Sandra Wagner ist stellvertretende Leiterin der Rektoratsdienste an der Universität Zürich und ist dort für den Aufbau eines zentralen Eventmanagements verantwortlich. Die promovierte Erziehungswissenschaftlerin forschte und arbeitete zuvor mehrere Jahre im Bereich der Qualitätsentwicklung von Lehre und Hochschulen. Foto: Universität Zürich
Sandra Wagner ist stellvertretende Leiterin der Rektoratsdienste an der Universität Zürich und ist dort für den Aufbau eines zentralen Eventmanagements verantwortlich. Die promovierte Erziehungswissenschaftlerin forschte und arbeitete zuvor mehrere Jahre im Bereich der Qualitätsentwicklung von Lehre und Hochschulen. Foto: Universität Zürich

Wie sind Sie auf die Idee für das Expertennetzwerk gekommen?

Wagner: In der Schweizer Hochschullandschaft tauscht man sich schon länger über gemeinsame Themen aus und dabei sticht die virtuelle Kommunikation aktuell besonders hervor. Die Idee war also, hier unsere Expertise zu bündeln. Auf der Suche nach einer Projektförderung sind wir dann auf die Programme der Internationalen Bodensee-Hochschule gestoßen. Seither arbeiten wir gemeinsam am Projekt „Virtuelle Wissenschaftskommunikation als Brücke zwischen Hochschulen und Gesellschaft (VirtualU)“.

Was ist das Besondere an virtueller Wissenschaftskommunikation?

Julia Wandt ist Pressesprecherin der Universität Konstanz und leitet die Stabsstelle Kommunikation und Marketing dieser Hochschule. Seit September 2014 ist sie Vorsitzende des Bundesverbands Hochschulkommunikation. Foto: Universität Konstanz

Wandt: Eine Chance ist natürlich die räumliche Erweiterung, da man virtuell auch Menschen erreicht, die zum Beispiel weiter weg wohnen oder nicht so mobil sind. Zum anderen sind wir alle vor allem beruflich gerade sehr viel in virtuellen Umgebungen unterwegs. Da müssen Formate, die privat genutzt werden sollen, besonders gut gemacht sein. Wir müssen die Zielgruppen schnell überzeugen, warum sie nach Feierabend ihre Zeit damit verbringen sollen. Der dritte Punkt ist, dass natürlich auch andere Institutionen auf virtuelle Formate umstellen und es damit ein viel größeres Angebot an guten Veranstaltungen gibt. Darum ist eine gute Begleitkommunikation besonders wichtig, um die Zielgruppen auch zu erreichen.

Was ist ein gutes Format?

Wagner: Um diese Frage beantworten zu können, möchten wir mit dem Projekt und dem daraus resultierenden Expertennetzwerk ansetzen.

Wandt: Eine Frage für die Arbeitsgruppe ist sicher auch: Was macht ein virtuelles Format attraktiv? Neben dem Inhalt sind das sicherlich Länge, Gestaltung und Zugang. Beim digitalen Forum Wissenschaftskommunikation hat mir besonders gefallen, dass die Formate mit 45 Minuten kürzer waren, als bei der analogen Veranstaltung. Das ist nicht lang, aber ausreichend, um gut diskutieren zu können und Inhalte zu transportieren. Außerdem kann man diese kurzen Formate gezielter in seinen Tagesablauf einbauen und wählen, ob man nur eines oder mehrere besucht. Für eine physische Veranstaltung dieser Länge, einen 45-minütigen Slot, würde man sich vermutlich nicht auf den Weg machen. Digital funktioniert das aber.

Christine Meyer Richli ist stellvertretende Generalsekretärin und Leiterin von Eucor – The European Campus an der Universität Basel. Seit 2016 ist die promovierte Psychologin zudem Leiterin der Arbeitsgruppe Hochschulentwicklung und Evaluation der Schweizerischen Evaluationsgesellschaft (SEVAL) sowie bis vor kurzem ebenfalls Mitglied des SEVAL-Vorstands. Foto: Privat

Wie wollen Sie andere Hochschulen in das Projekt einbinden?

Meyer Richli: Zum Teil sind wir bereits in Kontakt mit interessierten Hochschulen, die in der Wissenschaftskommunikation sehr aktiv sind. Mit diesen starten wir. Wir sind aber auch auf der Suche nach weiteren Expertinnen und Experten aus dem Bereich. Da freuen wir uns über alle, die teilnehmen und ihr Wissen weitergeben möchten. Ziel ist, das Netzwerk international auszubauen, zunächst einmal mit Fokus auf den deutschsprachigen Raum. Im nächsten Schritt wollen wir unsere Zielgruppen, also Gesellschaft, Politik und Wirtschaft dazuholen, um sicherzustellen, dass die Formate auch wirklich ankommen.

Wie und für wen werden die Ergebnisse zur Verfügung gestellt?

„Bisher ist es aber noch schwierig, für alle Anlässe das richtige Format zu finden. Da sehen wir einen großen Bedarf an Erfahrungswerten und Leitfäden.“ Sandra Wagner
Meyer Richli: Die Materialien werden digital und für alle zugänglich zur Verfügung gestellt. Wir arbeiten zwar schwerpunktmäßig hier in der Bodenseeregion, aber die Ergebnisse sollen durchaus Modellcharakter für viele Hochschulen haben und breit genutzt werden.

Wagen wir einen Blick in die Zukunft: Wie wichtig werden und bleiben virtuelle Formate in der Wissenschaftskommunikation?

Wagner: Wir sind sehr sicher, dass virtuelle Formate weiterhin eine große Rolle spielen werden. Nicht nur in der aktuellen Situation, in der viele aus dem Homeoffice arbeiten, sondern weil sie eben viele Vorteile haben. Von wissenschaftlichen Kongressen bis zu öffentlichen Veranstaltungen sind wir im Eventbereich gerade mehr gefordert denn je und das obwohl kaum analoge Events stattfinden. Bisher ist es aber noch schwierig, für alle Anlässe das richtige Format zu finden. Da sehen wir einen großen Bedarf an Erfahrungswerten und Leitfäden.

„Gerade im Hochschulbereich gibt es außerdem Veranstaltungen, die nicht einfach wegfallen können.“ Christine Meyer Richli
Meyer Richli: Gerade im Hochschulbereich gibt es außerdem Veranstaltungen, die nicht einfach wegfallen können. Wenn man etwa an die Informationsveranstaltungen für Studieninteressierte, die Start Smart Weeks für Studierende, die Welcome Days für neue Mitarbeitende oder auch an die Vorträge im Rahmen von Habilitationen und Berufungen denkt, dann müssen wir hier virtuellen Ersatz anbieten.

Wagner: Ein anderer Punkt ist die schnelle Verbreitung von Falschinformationen über zum Beispiel Social Media. Hier sehen wir die Hochschulen in der Verantwortung geeignete Kanäle und virtuelle Formate zu schaffen, um wissenschaftliche Inhalte zu vermitteln und ein Gegengewicht zu schaffen.

Was bedeutet der Wandel hin zu virtuellen Formaten für die Kommunikatorinnen und Kommunikatoren?

„Die Wissenschaftskommunikation wird sich hier grundlegend ändern. Ich hatte sogar den Eindruck, dass vielfach darauf gewartet wurde, virtuelle Formate verstärkt umsetzen zu können.“ Julia Wandt
Wandt: Wir denken, dass dieser Wandel so oder so gekommen wäre und viele Kolleginnen und Kollegen aus den Kommunikationsbereichen auch schon darauf eingestellt waren oder schon Konzepte in der Schublade hatten. Die Corona-Pandemie wirkte da wie ein Katalysator. Die Wissenschaftskommunikation wird sich hier grundlegend ändern. Ich hatte sogar den Eindruck, dass vielfach darauf gewartet wurde, virtuelle Formate verstärkt umsetzen zu können. Wenn wir mit unserer Toolbox Unterstützung bei der Umsetzung von solchen Konzepten und Projekten anbieten können, haben wir unser Ziel erreicht.

Wie geht es jetzt los und wann soll die Toolbox fertig sein?

Meyer Richli: Wir möchten gern bereits im Dezember dieses Jahres ein erstes Meeting mit unserem Netzwerk aus Expertinnen und Experten planen. Hierbei freuen wir uns über Personen, die sich gern daran beteiligen möchten. Bis zum nächsten Sommer möchten wir eine Sammlung an Formaten haben, die wir mit den Bedarfen und Erwartungen unserer Zielgruppen aus Gesellschaft, Wirtschaft und Politik abgleichen. Im Idealfall haben wir anschließend im nächsten Herbst bereits die ersten Materialien fertig und können sie veröffentlichen.