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Ein Wunsch für die Zukunft: Nachhaltigkeit auch in der Kommunikation

Das Kommunikationsprojekt Earth System Knowledge Plattform (ESKP) des Forschungsbereichs Erde und Umwelt der Helmholtz-Gemeinschaft wurde beendet. Im Gastbeitrag blickt Projektleiter Dierk Spreen zurück auf acht Jahrgänge ESKP. Was sind die „Lessons learned“?

Kommunikation beginnt mit dem Verstehen, so Niklas Luhmann.1 Bei der Wissenschaftskommunikation ist folglich das Publikum die Hauptsache. Es geht also gar nicht in erster Linie ums Senden, sondern ums Empfangen. Diese Empfängerseite ist aber keine homogene und interesselose Masse, sondern sie differenziert sich in zahlreiche Sub-Publika mit verschiedenen Nutzungsinteressen aus. Waren lange Zeit Wissenschaftler*innen selbst das Publikum der Wissenschaft, so gibt es nun vielfältige Interessen in der Gesellschaft, die über wissenschaftliche Ergebnisse und ihre Bedeutung informiert werden möchten. Die Risikogesellschaft zeichnet sich eben dadurch aus, dass Klimawandel, Artensterben, Energiewende und Umweltbewusstsein ein breites und vielfältiges Interesse an Forschung und Wissenschaft hervorbringen. Expertise bleibt nicht länger ein Monopol der Expert*innen.2

ESKP: Publikumsorientierte Kommunikation

Die Wissensplattform Earth System Knowledge Platform Eskp.de des Forschungsbereichs Erde und Umwelt der Helmholtz-Gemeinschaft hatte diesen Paradigmenwechsel von einer senderzentrierten zu einer nutzungsorientierten Sichtweise auf Kommunikation immer im Blick. Unter dem Leitbild „Wissenschaft für alle“ folgte sie dem Prozess des Wissen-Schaffens aus der Nähe, indem sie möglichst die Expert*innen selbst zu Wort kommen ließ. Wichtig war dabei, dass die Leser*innen sowohl etwas über erdsystemische Kontexte als auch über die Bedeutung der Erkenntnisse für die Gesellschaft erfahren konnten. Die über 770 Beiträge, die auf eskp.de und themenspezial.eskp.de erschienen sind, waren dabei ein Angebot an verschiedenste Publikumsinteressen. Die Seite war als Wissensnetzwerk aufgebaut, sodass die Nutzer*innen sich ihren eigenen Weg durch das Erdsystem suchen konnten. Themenspezial-Ausgaben boten zudem Wissenssynthesen zu bestimmten wichtigen Thematiken, aber auch diese Zugänge waren so angelegt, dass den User*innen ihre individuelle Wissenssynthese ermöglicht wurde. Es ging nicht um die Kontrolle über die Köpfe, sondern darum, die Nutzer*innen dazu zu ermächtigen, selbst Kompetenzen zu erarbeiten und sich ein eigenes, immer aber evidenzbasiertes Bild von den jeweiligen Sachbereichen zu machen. Um es mit Rainer Bromme zu sagen, ging es darum, „informiertes Vertrauen“ zu schaffen.3
Der Forschungsbereich Erde und Umwelt hat dieses Projekt nun beendet.4 Das ist ein guter Moment, um aus dem redaktionellen Alltagsgeschäft herauszutreten, und ein paar „Lessons learned“ zum Nutzen zukünftiger Kommunikationsprojekte zur Diskussion zu stellen.

Welche Lektionen können aus acht Jahrgängen ESKP mitgenommen werden?

  • Anerkennungskultur fördern: Informiertes Vertrauen setzt Qualitätsmanagement voraus. Dabei spielt der Input von Wissenschaftler*innen als Autor*innen oder als fachlich Begutachtende eine zentrale Rolle. Dieses Engagement sollte anerkannt werden. Ein erstes Mittel ist die Vergabe digitaler Objektbezeichner für Beiträge (Digital Object Identifier, kurz: DOI). Dadurch wird ein permanenter Link erzeugt, der die Leistung der Wissenschaftler*innen nachvollziehbar und dauerhaft belegbar macht.
  • Informiertes Vertrauen ermöglichen: An der Wissensplattform haben im Projektzeitraum mehr als 420 Expert*innen aktiv mitgewirkt, entweder als Autor*innen oder als Fachgutachter*innen im Rahmen der Qualitätssicherung. Damit waren die Beiträge fachwissenschaftlich abgesichert und haben ein zentrales Ziel von ESKP gestützt: dem Publikum Informationen und aktuelle Erkenntnisse zu präsentieren, denen sie vertrauen dürfen. Vertrauen in Informationen bedeutet auch, dass Referenzen in einem standardisierten Format angegeben werden. Die jüngsten Jahrgänge verwenden dafür einen abgewandelten Standard – und zwar die APA-Zitationsnorm, die soweit verändert wurde, dass sie sowohl im Online- als auch im PDF- bzw. Print-Format gut einsetzbar ist. Dadurch, dass man Zitationsempfehlungen beigibt, wird die Weiterkommunikation erleichtert. Schüler*innen, zum Beispiel, wissen das sehr zu schätzen, Journalist*innen bestimmt auch.
  • Geduld und Marketing: Eine Plattform wie ESKP wächst mit der Zeit. Nach und nach entsteht ein immer umfassenderes Wissensnetzwerk, das folglich auch für immer mehr Menschen interessant wird. Daher braucht es Zeit, bis eine solche Plattform sich einen anerkannten Platz in der Onlinewelt und in den Medien erobert hat. Man benötigt auch für Suchmaschinen einen langen Atem, damit die Beiträge gut indiziert sind und gefunden werden können. Hierbei leisten neben qualitativ hochwertigen Beiträgen anschauliche Visualisierungen und Infografiken einen wichtigen Beitrag. Die Nachfrage ist gegeben und sie nimmt zu. Marketingmaßnahmen können die Anerkennungsphase verkürzen.
  • Dem Diskurs der Wissenschaft folgen: Um die Dynamik der großen gesellschaftlichen Herausforderungen zu reflektieren, ist es wichtig, die Nutzer*innen von Wissenschaftskommunikation an der Entwicklung der Wissenschaft teilhaben zu lassen. Hier bieten digitale Wissensportale große Potentiale, sofern sie ihr Publikum laufend mit frischen Erkenntnissen versorgen und einen verlässlichen Anlaufpunkt dafür bieten.
  • Synthese und Kontextualisierung: Um den vielfachen Zugängen gerecht zu werden, empfiehlt es sich, individuell nutzbare Angebote zu machen. Offene Syntheseformate, wie etwa die Themenspeziale, können ein breiteres Publikum aus verschiedenen Zielgruppen ansprechen. Die Verknüpfung von Beiträgen ermöglicht ebenfalls einen individuellen Weg durch das Wissen. Zudem ist es sinnvoll, in den Beiträgen Bezug auf gesellschaftliche Herausforderungen zu nehmen sowie Handlungsoptionen aufzuzeigen.
  • Leuchtturm im Meer des Wissens: Viele User*innen von ESKP kommen über Google oder andere Suchmaschinen auf die Wissensplattform. Ihr Interesse ist also inhaltsgetrieben. Da die thematische Bandbreite von ESKP immer nur zunehmen konnte und die Wissensplattform den Schritten der Wissenschaft auf dem Hacken folgte, fanden auch immer mehr Google-Nutzer*innen ihren Weg zu ihr. Aufgrund der thematischen Breite und der Aktualität funktionierte die Wissensplattform ähnlich wie ein Leuchtturm im Meer des Wissens. Eine gut durchdachte Wissensplattform kann also eine „One-Stop-Solution“ sein, die in der für normale Menschen häufig verwirrenden Welt der verteilten Wissensbestände Orientierung bietet. Derzeit gibt es in Form unzähliger Projektwebseiten viele kleine Leuchtfeuer. Das erschwert eher die Orientierung. Voraussetzung für diese Leuchtturmfunktion sind aber thematische Breite, Weiterentwicklung und Qualität der Inhalte sowie nicht zuletzt nachhaltige Zugänglichkeit.

Ein Wunsch für die Zukunft: Nachhaltigkeit auch in der Kommunikation

„Nachhaltige Zugänglichkeit ist vor dem Hintergrund der projektbasierten Förderkultur ein strukturelles Problem.“ Dierk Spreen
Nachhaltige Zugänglichkeit ist vor dem Hintergrund der projektbasierten Förderkultur ein strukturelles Problem. Ja, in der „projektbasierten Polis“5 löst sich eigentlich das ganze Sozial- und Arbeitsleben in Abfolgen von und Vernetzungen zwischen befristeten Projekten auf. Wenn man aber das Ziel verfolgt, dem vielfach ausdifferenzierten Publikum der Gesellschaft in kritischen Zeiten – Zeiten, die durch Klimawandel, Artensterben, Pandemie und Veränderung der Konsumgewohnheiten geprägt sind und weiter sein werden –, evidenzbasierte Orientierung zu ermöglichen, dann sollte Nachhaltigkeit auch in der Wissenschaftskommunikation mitgedacht werden. Wenn ich nach zwei Jahren der Arbeit mit einem exzellenten Team aus Redakteur*innen bei ESKP einen Wunsch mitnehme, dann den, dass die großen Forschungsorganisationen sich des Vorteils einer dauerhaft betriebenen, flexiblen und aktuellen Wissensplattform, die in die Breite kommuniziert und folglich wie ein Leuchtturm im Meer des Wissens Orientierung bietet, bewusst werden.

Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.