#showyourstripes: Wärmestreifen Deutschland. Grafik: Ed Hawkins

„Das Verhalten von Menschen zu ändern, und auch noch nachhaltig, ist die Königsdisziplin der Kommunikation“

Wie kann eine andere oder bessere Kommunikation zum Handeln bewegen? 

Was sagen Forschende aus dem Bereich der Kommunikationswissenschaften und der Klimakommunikation dazu und welche Einschätzungen und Empfehlungen geben sie? Die folgenden Statements sind Auszüge der Reihe „Klimawandel – Wer hilft den Menschen, sich zu ändern?“ des Science Media Center, Germany.

Torsten Grothmann ist Senior Scientist am Lehrstuhl für Ökologische Ökonomie der Carl von Ossietzky Universität Oldenburg.

Foto: people-photography, Randy Tarango

„Die umweltpsychologische Forschung hat gezeigt, dass das Wissen über den Klimawandel in den seltensten Fällen der ausschlaggebende Faktor für Handeln ist – weder für das Klimaschutzhandeln noch für das Handeln zur Anpassung an den Klimawandel, wie beispielsweise die Vorsorge gegenüber zunehmenden Hitzewellen. Auf die Wissensvermittlung zu den Folgen des Klimawandels wurde in den vergangenen Jahren in der öffentlichen Kommunikation und Berichterstattung zum Klimawandel aber der Schwerpunkt gelegt, also auf einen Faktor, der für das Handeln der Menschen nur wenig einflussreich ist.

Wir brauchen also mehr Kommunikation über das Klimahandeln, weniger über den Klimawandel.“ Torsten Grothmann

Einflussreicher ist die Wissensvermittlung darüber, was man tun kann, um das Klima zu schützen oder gegenüber dessen Folgen vorzusorgen. Wir brauchen also mehr Kommunikation über das Klimahandeln, weniger über den Klimawandel. Am einflussreichsten für das menschliche Handeln sind oft Normvorstellungen, also Vorstellungen darüber, was andere tun oder was andere von uns erwarten. Man sollte in der Kommunikation daher viel mehr über die vielen guten Vorbilder berichten, die Klimaschutz oder Anpassung an den Klimawandel konkret vorleben, und weniger darüber, wie viele Menschen immer noch in den Urlaub fliegen, statt den Zug zu nehmen.


Jens Wolling ist Professor für Empirische Medienforschung und politische Kommunikation der Technische Universität Ilmenau.

Foto: Jens Wolling

„Zur Kommunikationsstrategie: Hier sollte man zwischen zwei Zielen unterscheiden. Will man Menschen motivieren, selbst etwas gegen den Klimawandel zu machen, oder geht es ‚nur‘ um die Akzeptanz von Maßnahmen und die Bereitschaft mitzumachen?

„Wenn man möchte, dass Menschen nicht nur mitmachen, sondern selber machen, dann braucht es attraktive Ziele.“ Jens Wolling

„Wenn es ums mitmachen geht, dann geht es um Transparenz, Zuverlässigkeit, Gerechtigkeit und Fairness: Das heißt man muss glaubhaft kommunizieren, wie der Weg aussieht, dass die eingeschlagene Richtung beibehalten wird, dass alle den Weg gehen werden (müssen) und dass alle tatsächlich gehen und keiner sich tragen lässt. Wenn man möchte, dass Menschen nicht nur mitmachen, sondern selber machen, dann braucht es attraktive Ziele. Ein Entwurf von einem Leben, das besser ist als das Leben heute: Zum Beispiel mehr Zeit für Freunde und Familie, weniger Stress im Beruf, gesundes Essen, eine umweltschonende Technik. Das Ziel, den Klimawandel zu verhindern, wird auf Dauer nicht ausreichen. Man muss auch wissen wieso. Das hat auf den ersten Blick wenig mit dem Thema zu tun, aber tatsächlich ist dies die wichtigste Debatte im Kampf gegen den Klimawandel.“


Hannah Schmid-Petri ist Professorin für Wissenschaftskommunikation an der Universität Passau.

„Es zeigt sich immer wieder (auch für andere Themenfelder), dass unsere politischen Einstellungen, unsere Werte und das soziale Umfeld einen sehr viel größeren Einfluss auf unsere klimarelevanten Einstellungen und unser klimaschützendes Verhalten haben als das Wissen über den Klimawandel. Die öffentliche Kommunikation, die häufig stark auf die negativen Folgen und Schreckensszenarien fokussiert, richtet hier nichts aus, da sie nicht an die Lebenswelt der Menschen anknüpft und zudem eher den Eindruck erzeugt, man könne sowieso nichts bewirken.

„Wichtig wäre es hier, an die Werte der Menschen anzuknüpfen … Hannah Schmid-Petri

Wichtig wäre es hier, an die Werte der Menschen anzuknüpfen und beispielsweise durch ein geschicktes Storytelling oder ‚framing‘ einen Bezug und Nähe zur direkten Lebenswelt der Menschen herzustellen. Motivierend wirkt darüber hinaus die Anknüpfung an positive Emotionen oder die Vermittlung eines Gemeinschaftsgefühls im Sinne von ‚wir können das gemeinsam schaffen‘. Dies ist meines Erachtens auch einer der Gründe für den Erfolg von Greta Thunberg, da sie glaubhaft vermittelt, dass auch der/die Einzelne etwas bewirken kann.“


Joachim Allgaier ist Senior Researcher am Lehrstuhl für Technik und Gesellschaft der RWTH Aachen.

Foto: Peter Winandy

„Viele Menschen wissen nicht, dass es einen starken Konsens wissenschaftlicher Experten zum Thema Klimawandel gibt. Wissenschaftler aus aller Welt, die zu diesem Thema arbeiten, sind sich einig darin, dass der derzeitige Klimawandel das Resultat der Handlungen von Menschen darstellt. 

„Viele Menschen wissen nicht, dass es einen starken Konsens wissenschaftlicher Experten zum Thema Klimawandel gibt.“ Joachim Allgaier
 Man weiß, dass sich die Menschheit und alles Leben auf der Erde auf ernsthafte Bedrohungen einstellen müssen, wenn es nicht gelingt, den Ausstoß von schädlichen Klimagasen wie etwa CO2 rasch drastisch zu verringern. Hierbei handelt es sich um kein Szenario, das sich vereinzelte Wissenschaftler ausgedacht haben und das eventuell eintreten könnte, sondern um forschungsbasiertes Wissen, das der Großteil der Forscher, die dieses Thema weltweit bearbeiten, in einem aufwendigen Prozess zusammengetragen hat.“


Markus Lehmkuhl ist Professor für Wissenschaftskommunikation in digitalen Medien am Karlsruher Institut für Technologie (KIT).

„Ein wichtiger Faktor für die Resonanz und Überzeugungskraft der „Fridays for Future“-Bewegung ist aus meiner Sicht darin zu sehen, dass über die Dringlichkeit des Problems Einigkeit innerhalb der Klimaforschung herrscht. Vor diesem Hintergrund bekommen wissenschaftliche Statements einzelner Wissenschaftler, die wir auch nach wie vor in der öffentlichen Debatte brauchen, ein besonderes Gewicht.

„Was in dem öffentlichen Konzert unterschiedlicher Interessenbekundungen häufig fehlt, ist die ‚Stimme der Wissenschaft‘.“ Markus Lehmkuhl

„Was in dem öffentlichen Konzert unterschiedlicher Interessenbekundungen häufig fehlt, ist die ‚Stimme der Wissenschaft‘. Jenseits der Klimawissenschaft sind kaum Bestrebungen innerhalb der Wissenschaft erkennbar, die sich um die Ausbildung und die Kommunikation von Konsens unter Wissenschaftlern bemühen. Zum Beispiel wäre es gut zu wissen, wie groß der Konsens unter Ökonomen ist über die Auswirkungen einer weiter gefassten CO2-Bepreisung. Oder auch der Konsens unter Energieexperten unterschiedlicher Disziplinen zum Umbau der Energienetze und dergleichen. Die ‚Stimme der Wissenschaft‘ ist derzeit viel zu oft lediglich repräsentiert durch besonders einflussreiche Wissenschaftler oder auch Wissenschaftsorganisationen, die für sich in Anspruch nehmen, die ‚Stimme der Wissenschaft‘ zu sein, ohne einen entsprechenden Nachweis zu liefern. Ich würde entsprechend sehr dafür plädieren, mehr repräsentative Umfragen unter wissenschaftlichen Experten zu machen statt permanent Stimmungsbilder der Bevölkerung einzuholen. Das könnte die öffentliche Debatte bereichern.“


Julia Metag ist Professorin für Kommunikationswissenschaft, Westfälische Wilhelms-Universität Münster.

„Klimawandelkommunikation sollte berücksichtigen, dass die Bevölkerung nicht homogen ist – weder in ihren Einstellungen zum Klimawandel noch in ihrer Mediennutzung. Es lassen sich verschiedene Teilgruppen in der Bevölkerung identifizieren, von stark vom Klimawandel alarmierten Gruppen, die sich auch aktiv zum Beispiel an Protesten beteiligen, über zwar besorgte, aber wenig aktive Segmente bis zu Klimawandelzweiflern 1.

„Klimakommunikation sollte darüber hinaus nicht nur auf die Vermittlung von reinen Fakten fokussieren.“ Julia Metag

Diese verschiedenen Gruppen informieren sich auch in unterschiedlichen Medien über den Klimawandel. Personen, die sich in der Klimadebatte aktiv engagieren, informieren sich sehr häufig online. Klimakommunikation sollte darüber hinaus nicht nur auf die Vermittlung von reinen Fakten fokussieren, sondern an die Werte und Überzeugungen der Bevölkerung anknüpfen. Denn diese beeinflussen meist stärker als Fakten, wie ein wissenschaftliches Thema wie der Klimawandel, wahrgenommen wird 2.“


Mike Schäfer ist Professor für Wissenschaftskommunikation und Direktor des Center for Higher Education and Science Studies an der Universität Zürich.

Foto: John Flury, Zürich

„Das Verhalten von Menschen zu ändern, und auch noch nachhaltig, ist die Königsdisziplin der Kommunikation. Das ist sehr schwer. Trotzdem spielt Kommunikation da eine Rolle: Die sozialwissenschaftliche Forschung zeigt zum Beispiel, dass Angst machen nicht funktioniert 3.

„Medien sollten zudem andere Bilder in der Klimawandel-Berichterstattung nutzen.“

Aber genau das passiert oft: Ein großer Teil der Klimawandel-Kommunikation konzentriert sich auf mögliche negative Folgen – extreme Wettereignisse, steigende Meeresspiegel, Verlust an Biodiversität und Ähnliches. Diese Berichterstattung bringt Aufmerksamkeit, aber sie paralysiert auch viele Menschen, die das Gefühl haben, den übermächtigen Naturgewalten nichts entgegensetzen zu können. Besser ist es, nicht (nur) auf die negativen Folgen des Klimawandels, sondern (auch) auf die positiven Folgen des Klimaschutzes hinzuweisen – also statt der Kosten die möglichen Gewinne zu fokussieren, und das so konkret wie möglich: eine gesündere, weniger gefährliche Lebenswelt für uns und unsere Kinder, weniger Hitzeperioden in unserer Stadt und so weiter.“

„Medien sollten zudem andere Bilder in der Klimawandel-Berichterstattung nutzen. Studien zeigen, dass die meistgenutzten Bilder die negativen Folgen des Klimawandels oder PolitikerInnen zeigen4. Derartige Bilder geben dem Publikum aber nicht das Gefühl, selbst etwas gegen den Klimawandel tun zu können 5. Bilder von Handlungsoptionen wären geeigneter – aber diese wiederum ziehen weniger Aufmerksamkeit auf sich und sind damit für viele Medien weniger interessant.“