Gefühle blockieren die Klimakommunikation? Falsch! Die Psychologin Lea Dohm erklärt, warum Emotionen der Schlüssel sein könnten, um die Gesellschaft für den Klimawandel zu sensibilisieren.
Darum darf die Klimakommunikation Gefühle nicht ignorieren
Warum sind Emotionen ein so zentraler Bestandteil der Klimakommunikation?
Weil Emotionen dazu beitragen, dass wir Themen besser verarbeiten können. Diese können dann in unserem Gehirn als relevant und handlungsleitend abgespeichert werden. Das, was für uns eine Bedeutung hat und emotional besetzt ist, steuert unser Handeln ganz erheblich. Deswegen ist es fatal, in der Klimakommunikation die Gefühle auszublenden.
Welche Emotionen erleben Menschen im Zusammenhang mit dem Klimawandel am häufigsten, und welche Rolle spielt diese emotionale Bandbreite in der Kommunikation?
Grundsätzlich kann jedes Gefühl mit der Klimakrise verknüpft sein, sogar Freude, wenn wir das Gefühl haben, aktiv zur Problemlösung beizutragen. Häufiger treten jedoch Wut und Ärger auf, oft begleitet von Frustration. Obwohl Klima-Angst als „Popstar“ unter den Klimagefühlen gilt, scheinen Wut und Ärger tatsächlich verbreiteter zu sein. Ängste reichen von subtilem Unwohlsein bis zu seltenen Momenten akuter Panik und sind oft mit Sorgen und Grübeln verbunden.
Traurigkeit kann auftreten, wenn wir sehen, was nicht getan wird oder zu langsam vorangeht, etwa beim Thema sterbende Ökosysteme. Auch Schuld und Scham sind häufig, aber wenig handlungsleitend. Es bringt nichts, Menschen für ihre Flugreisen zu beschämen.
Wichtig ist, dass wir den Begriff „Klimagefühle“, auch wenn mein Buch so heißt, erweitern und eher von „Transformationserleben“ sprechen. Dazu gehören auch Ängste und Sorgen in Bezug auf notwendige klimapolitische Maßnahmen oder die Angst vor Wohlstandsverlust, die transformatorische Schritte hemmen können. Betrachten wir das Ganze, erkennen wir eine Vielzahl von Gefühlen. Auch Gefühle wie Trotz gehören einfach dazu.
Wie können wir die Wissenschaftskommunikation so gestalten, dass sie negative Gefühle nicht weiter verstärkt?
Was wir auf jeden Fall brauchen, ist weiterhin eine wahrheitsgemäße Berichterstattung. Wir müssen dann anerkennen, dass diese Berichterstattung zwangsläufig Gefühle auslöst. Das sollten wir weder in eine Richtung steuern noch unterdrücken. Es ist eine Begleiterscheinung, die wir akzeptieren können.
Im zweiten Schritt sollten wir diese Gefühle normalisieren und validieren. Wenn wir über Extremwetterereignisse berichten, entstehen häufig Gefühle wie Angst, Unsicherheit oder Ärger. Diese sind berechtigt, da sie auf reale Krisen zurückzuführen sind und von vielen geteilt werden.
Schritt drei besteht darin, Handlungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Gefühle werden psychisch gesünder verarbeitet, wenn sie mit Handlungsspielräumen verknüpft sind. In der Wissenschaftskommunikation geschieht das oft zu wenig. Die Berichterstattung über Extremwetterereignisse bleibt häufig isoliert, der Zusammenhang zur Klimakrise wird nicht ausreichend hergestellt und die damit verbundenen Gefühle werden meist ignoriert.
Die Wissenschaft kommuniziert meist lieber sachlich. Wie lassen sich Fakten emotional zugänglich machen, ohne an wissenschaftlicher Glaubwürdigkeit zu verlieren?
Das ist ein zentrales Problem bei der Klimakrise, wo Interdisziplinarität dringend erforderlich ist. Ein wenig Mut ist nötig, doch man kann auch sachlich über Gefühle und Emotionen sprechen. Das Psychologiestudium besteht ja nicht aus Hokuspokus oder esoterischen Inhalten. Im Gegenteil, wir sprechen sachlich über Gefühle, ihr Auftreten und ihre Auswirkungen. Das ist auch in der Wissenschaftskommunikation problemlos möglich.
Es wäre problematisch, Gefühle gezielt zu manipulieren oder Menschen bewusst zu emotionalisieren. Wichtiger ist aber, diese Gefühle anzuerkennen. Das ist aus wissenschaftlicher Sicht entscheidend. Gefühle auszublenden und so zu tun, als ob sie nicht vorhanden wären, wäre fatal. Man könnte häufige Gefühle wie Ärger, Traurigkeit, Angst und Freude darstellen und auch Emotionen wie Unwohlsein oder Frustration einbeziehen. Dadurch können die Menschen für sich herausfinden, welches Gefühl auf sie zutrifft, was die Wahrscheinlichkeit von Reaktanz und Abwehr verringert.
Manche Menschen neigen dazu, die Klimakrise zu verdrängen. Ist ein gewisser Grad an Verdrängung notwendig für die mentale Gesundheit?
Verdrängung und andere psychologische Abwehrmechanismen sind gesund und normal. Sie helfen uns dabei, uns auf alltägliche Themen zu konzentrieren. Viele Menschen können sich mit der Klimakrise nicht beschäftigen, weil sie bereits stark belastet sind. Für diese Menschen wäre es einfach zu viel und könnte sogar gesundheitsschädlich sein.
Die Berichterstattung über die Klimakrise bleibt eine Zumutung, da sie unangenehme Gefühle auslöst. Doch wie in der Medizinethik ist es wichtig, die Realität nicht zu verheimlichen. Menschen müssen die Wahrheit kennen, um eigene Entscheidungen zu treffen. Das ist guter Journalismus.
Um zu verhindern, dass das Thema völlig verdrängt wird, brauchen wir beständige, einfache Botschaften, die das Problem im Bewusstsein halten.
In Ihrem Buch „Klimagefühle“ sprechen Sie auch über Hoffnung und andere positive Emotionen. Ist Hoffnung eine bessere Motivation als Angst?
Ironischerweise fiel uns gerade das Kapitel über Hoffnung schwer. Wir wollten keine falschen Erwartungen wecken oder ein unrealistisches Narrativ wie „Alles wird gut“ unterstützen. Der Ernst der Lage ist wichtig, damit wir die Realität nicht aus den Augen verlieren.
In der Psychologie ist der Zusammenhang zwischen Hoffnung und Klimakrise sehr interessant. Hoffnung entsteht in der Regel nicht zuerst, sondern vielmehr dann, wenn wir ins Handeln kommen. Es ist weniger so, dass wir zuerst hoffen und dann handeln, sondern dass wir durch das Handeln neue Hoffnung schöpfen.
Auch einzelne Best-Practice-Beispiele ziehen Menschen oft mit, möglicherweise weil sie Hoffnung geben.
Was sind denn Ihre Best-Practice-Beispiele für gelungene Klimakommunikation, die auf der emotionalen Ebene besonders gut funktioniert hat?
Es gibt inzwischen zum Glück viele konstruktive und gute Beiträge. Der Film „2040 – Wir retten die Welt!“ stellt Lösungsmöglichkeiten vor, und das Online-Magazin „Perspective Daily“ macht konstruktiven Journalismus. Auch große Plattformen wie das ZDF bieten differenzierte Berichterstattung. Allerdings wird Extremwetter oft isoliert behandelt, und das Klima wird als eigenes Ressort abgetrennt, obwohl es viele Bereiche betrifft.
Wir brauchen eine stärkere Integration des Klimathemas in alle Redaktionen und Fortbildungen für Journalist*innen, ähnlich wie es während der Corona-Pandemie der Fall war. Ein stärkerer Austausch Interdisziplinarität zwischen Geistes- und Naturwissenschaften wäre auch ein wertvoller, ganzheitlicher Ansatz, der zu neuen Erkenntnissen führen kann.
Die jüngere Generation fühlt sich stärker von der Klimakrise betroffen, da sie länger mit den Folgen leben muss, aber weniger Verantwortung für die Ursachen trägt. Diese Frage stellt sich also automatisch und ist herausfordernd. Die Unterschiede zwischen den Generationen werden oft in Hierarchien sichtbar. Ältere Personen sind häufig Chefredakteur*innen, während jüngere Mitarbeiter*innen mit anderen Ideen nachrücken wollen. Die Klimakrise ist also auch eine Machtfrage, ob Jüngere mehr Einfluss bekommen sollen.
Eine wichtige psychologische Erkenntnis ist, dass ökologische Krisen zu größerer Reizbarkeit und Spannungen führen können, die gesellschaftliche Spaltungen verstärken. Wir sollten uns daher fragen: Müssen wir uns wirklich aufregen oder können wir trotz unterschiedlicher Ansätze gemeinsam an Lösungen arbeiten?
Viele Menschen, die sich für den Klimawandel einsetzen, berichten von emotionaler Erschöpfung. Wie können Strukturen geschaffen werden, die ein langfristiges Engagement ohne emotionale Erschöpfung ermöglichen?
In vielen Bereichen ist das Engagement ehrenamtlich und damit nicht monetär abgesichert. Das ist ein großes Problem. Es braucht dringend Finanzierungsmöglichkeiten und eine Ausweitung verschiedener Berufsbilder. Auch Pausen gehören unbedingt dazu. Wir sind schließlich auch nur eine Tierart, die ab und zu mal eine Art Winterschlaf braucht. Ansonsten können wir nicht bei Kräften bleiben.
Transformationsmodelle zeigen, dass eine Reduktion der Wochenarbeitszeit helfen könnte, die psychische Gesundheit zu stärken und den Wandel zu unterstützen. Solche Maßnahmen könnten auch zur Entschleunigung beitragen und letztlich eine Win-Win-Situation für die psychische und für die körperliche Gesundheit schaffen.
Was denken Sie, wie sich die ständige Konfrontation mit Klima-Angst auf lange Sicht auf die mentale Gesundheit ganzer Gesellschaften auswirken könnte?
Bei Psychologists for Future und der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit besprechen wir regelmäßig, wie es uns damit geht. In vielen Städten bieten die Psychologists for Future Klimacafés an, wo man offen über seine Gefühle sprechen kann. Viele berichten, dass es ihnen danach besser geht, deshalb sind solche Angebote sehr wertvoll.