Foto: Simon P. Haigermoser / Universität Salzburg, CC BY-NC-SA 2.0

„Bedrohungsszenarien wirken oft kontraproduktiv“

Die Klimaforschung als Grundlage für einen spielerischen Wettbewerb: Die „Green WG-Challenge“ der Universität Salzburg motiviert Studierende zu mehr Umweltschutz. Die Umweltpsychologin Isabella Uhl-Hädicke erklärt, warum das besser wirkt als nüchterne Aufklärung.

Frau Uhl-Hädicke, was ist die „Green WG-Challenge“, die Sie seit 2018 jährlich in Salzburg veranstalten? 

Es handelt sich dabei um eine vom Land Salzburg geförderte Aktion der Universität. Teilnehmen können Studierenden-WGs, die dann im Lauf eines Wintersemesters unterschiedliche Aufgaben erhalten, sogenannte Challenges. Jede Challenge behandelt einen anderen Aspekt umweltfreundlichen Handelns, zum Beispiel nachhaltige Mode, Elektroschrott oder Fair Trade. Eine Challenge besteht aus drei Stufen: Für jede, die eine WG erfolgreich beenden kann, gibt es am Ende mehr Punkte und es gewinnt schließlich, wer die meisten Punkte gesammelt hat. Das Gewinnen steht aber gar nicht so sehr im Vordergrund: Die meisten Teilnehmenden finden es einfach gut, mehr über Nachhaltigkeit zu lernen und das Gelernte auch direkt umsetzen zu können.

Isabella Uhl-Hädicke ist promovierte Psychologin. Sie erforscht und lehrt an der Universität Salzburg, was Menschen zu umweltfreundlichem Verhalten motiviert. Seit 2016 arbeitet sie zudem für PLUS Green Campus, die Nachhaltigkeitsinitiative der Universität Salzburg, im Bereich: Bewusstseinsbildung, Lehre und Forschung. Dort ist sie unter anderem für die Planung und Organisation der „Green WG Challenge“ verantwortlich.

Worin unterscheiden sich die drei Schwierigkeitsstufen?

In der ersten Stufe geht es meistens nur darum, sich mit Informationen zu versorgen. Dazu müssen die Teilnehmenden etwa eine Veranstaltung besuchen oder sich mit einer Expertin oder einem Experten treffen. In der zweiten Stufe recherchieren sie dann selbst ausführlicher zum Thema. Die dritte Stufe besteht in der beispielhaften Umsetzung des neuen Wissens im Alltag. In unserer Challenge zur Bekleidungsindustrie etwa trafen die Studierenden in der ersten Stufe den Gründer des Fair-Fashion-Labels Erdbär aus Salzburg. Er gab ihnen Denkanstöße und erklärte, worauf Konsumentinnen und Konsumenten achten können. Auf Stufe zwei wurde dann selbst recherchiert: Welchen Unterschied macht faire und nachhaltige Mode für den Menschen und für die Natur? Und wo in Salzburg erhält man sie überhaupt? In Stufe drei galt es, den eigenen Kleiderkasten auszumisten und eine Kleidertauschparty zu organisieren. Dies sollten die Teilnehmenden zudem dokumentieren, etwa mit Fotos oder Videos.

Was waren die Beweggründe, den Wettbewerb ins Leben zu rufen?

Im Rahmen unserer Kooperation mit dem Land Salzburg planen wir immer wieder verschiedene Maßnahmen für mehr Nachhaltigkeit. Bei dem Begriff denken viele Menschen immer noch zuerst an Verzicht. Insofern war uns vor allem eine Bewusstseinsbildung bei den Studierenden wichtig. Wir wollten zeigen, dass eine spielerische Beschäftigung mit diesen Themen – ganz ohne erhobenen Zeigefinger – sehr viel Spaß machen kann. Deshalb ist es in der ersten Stufe einer Challenge der lockere persönliche Kontakt sehr wichtig. Das kann eben ein Gespräch sein, oder auch eine Vorlesung oder Exkursion. Dabei werden ganz andere Emotionen geweckt als bei der Lektüre eines trockenen Infotextes.

Sie sind Psychologin und erforschen, wann sich Menschen umweltfreundlich verhalten. Hat die Gestaltung der Aktion selbst einen wissenschaftlichen Hintergrund?

In meiner eigenen Forschung zeigte sich, dass Bedrohungsszenarien in Bezug auf den Klimawandel oft kontraproduktiv wirken: Sie scheinen Menschen eher zu lähmen, statt sie zum Handeln zu bewegen. Die Kenntnis der fatalen Auswirkungen der Erderwärmung macht Personen nicht umweltfreundlicher. Gerade deshalb erschien mir ein spielerischer und vor allem positiv gestimmter Ansatz sehr sinnvoll. Eine andere Erkenntnis aus der Forschung ist, dass die Gefahr durch den Klimawandel einerseits äußerst abstrakt ist, und andererseits zu überwältigend wirkt, als dass ein Individuum das Gefühl hat, allein etwas dagegen ausrichten zu können. Hier hilft es, eine „kollektive Wirksamkeit“ zu erleben, also das Gefühl, als Teil einer Gruppe wirklich etwas verändern zu können. Und es hat sich gezeigt, dass tatsächlich während der Wettbewerbe ein starkes Gemeinschaftsgefühl unter den Teilnehmenden entsteht.

„Natürlich bringen viele Teilnehmende schon umweltfreundliche Einstellungen mit. Dennoch berichten auch sie immer wieder von Aha-Momenten.“ Isabella Uhl-Hädicke
Wie gut kommen die Aufgaben bei den Studierenden an? Gibt es auch Flops?

Letztes Jahr erreichten alle WGs die volle Punktzahl, weil sie ausnahmslos jede Challenge komplett absolviert hatten. Dieses Jahr wollen wir daher etwas stärker differenzieren. Wir werden nicht nur das bloße Bestehen einer Aufgabe mit einer festen Punktzahl bewerten, sondern zusätzlich je nach betriebenem Aufwand eine unterschiedliche Punktzahl vergeben.

Sind Studierende eine geeignete Zielgruppe? Immerhin ist bei vielen ja anzunehmen, dass sie sich bereits mit Umweltthemen beschäftigen – vor allem jene, die freiwillig an so einem Wettbewerb teilnehmen.

Natürlich bringen viele Teilnehmerinnen und Teilnehmer schon umweltfreundliche Einstellungen mit. Dennoch berichten auch sie immer wieder von Aha-Momenten. Bei einer Challenge bekamen die Studierenden zum Beispiel Strommessgeräte ausgeliehen. Viele waren überrascht, wie viel Energie manche ihrer Haushaltsgeräte verbrauchen, oder wie unterschiedlich der Verbrauch von traditionellen Glühlampen und LEDs ist. In der Theorie weiß das natürlich jeder, doch wenn es konkret sichtbar wird, hat es einen viel größeren Effekt auf das persönliche Handeln.

An einem Wettbewerb nehmen etwa 30 Studierende teil – lohnt sich der Aufwand?

Natürlich könnte man sagen: 30 von fast 18.000 Studierenden sind sehr wenig. Jedoch lässt die hohe qualitative Betreuung kaum eine größere Zahl an Teilnehmenden zu. Außerdem zeigt sich, dass die Berichterstattung über die Aktion am Ende viel mehr Menschen erreicht und zum Nachdenken bringt. Zudem haben die Teilnehmenden in ihrem persönlichen Umfeld eine Vorbildwirkung. Wir wissen aus der Umweltpsychologie, dass soziale Normen, die uns andere vorleben, eine extrem wichtige Rolle für unser eigenes Verhalten spielen. Wenn mein ganzer Freundeskreis anfängt, mehr gebrauchte Klamotten zu kaufen und damit glücklich ist, dann werde ich wahrscheinlich früher oder später auch den Second-Hand-Laden besuchen. Dieser psychologische Effekt wirkt viel stärker als jedes langwierige Argumentieren.

Positive Erlebnisse und das Gefühl, in der Gemeinschaft etwas bewirken zu können: Das motiviert Menschen laut Psychologin Isabella Uhl-Hädicke am besten zu einem nachhaltigeren Lebenswandel. Foto: Simon P. Haigermoser / Universität Salzburg, CC BY-NC-SA 2.0

Gibt es schon andere Universitäten, die Interesse an der WG-Challenge zeigen?

Wir hatten einige Anfragen dazu, sowohl aus Österreich als auch aus Deutschland. Allerdings bin ich dann immer ehrlich und mache den Kolleginnen und Kollegen klar, dass das Ganze schon mit einigem organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden ist. So eine Aktion lässt sich nicht so einfach mal nebenbei durchführen: Am Brainstormingprozess sind zwar immer noch weitere Partnerinnen und Partner involviert, doch die Umsetzung habe ich am Anfang ganz allein gemacht. Seit letztem Jahr unterstützen mich zum Glück zwei studentische Hilfskräfte bei der Organisation und Kommunikation. Und dann braucht es für einige Aufgaben noch Expertinnen und Experten, etwa für die Produktion unserer Facebook-Videos.

Haben Sie das Projekt bereit evaluiert?

Wir arbeiten derzeit noch an einer formalen Evaluation. Aber die bisherigen Teilnehmenden haben uns bereits berichtet, dass die Themen aus den Challenges auch in ihrem Bekanntenkreis nun eine viel größere Rolle spielen als zuvor. Es gibt auch ein großes Medieninteresse und wir kooperieren mit den örtlichen Lokalzeitungen, erhalten aber auch darüber hinaus viele Medienanfragen – in einem Ausmaß, das uns selbst überrascht hat. Dieses Jahr wird es auch einen Beitrag über die Green WG-Challenge im österreichischen Fernsehen geben.