Foto: Petri Heiskanen

Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im Mai 2023

Hat das Vertrauen in die Wissenschaft Einfluss auf Einstellungen gegenüber dem Klimawandel? Welche Rollenvorstellungen vertreten Schweizer Hochschulkommunikator*innen? Und wie kommunizieren Behörden in der Krise? Das sind Themen im aktuellen Forschungsrückblick.

In unserem monatlichen Forschungsrückblick besprechen wir aktuelle Studien zum Thema Wissenschaftskommunikation. Diese Themen erwarten Sie in der aktuellen Ausgabe:

  • In welchen beruflichen Rollen sehen sich Schweizer Hochschulkommunikator*innen? Ein Forschungsteam der Universität Zürich hat vier verschiedene Typen identifiziert. 
  • Hat das während der Pandemie gestiegene Vertrauen in die Wissenschaft auch Auswirkungen darauf, wie Menschen die Gefahren des Klimawandels wahrnehmen? US-amerikanische Forscher haben Spill-Over-Effekte untersucht. 
  • Wie kommunizieren Behörden in der Krise? Welche Themen werden dabei vernachlässigt? Forscherinnen haben die Twitter-Kommunikation von Gesundheitsbehörden in Italien, Schweden und der Schweiz in den Blick genommen. 
  • In der Rubrik „Mehr Aktuelles aus der Forschung“ geht es unter anderem um Anhänger*innen der Flat-Earth-Theory und das Wissenschaftskommunikations-Projekt ByrdBot.

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Rollenbilder von Schweizer Hochschulkommunikator*innen

Hochschulen sind wichtige Akteur*innen in der Wissenschaftskommunikation, die zum Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse in die Gesellschaft und zum öffentlichen Austausch über Wissenschaft beitragen. Menschen, die im Bereich der Hochschulkommunikation arbeiten, kommen aus diversen fachlichen Hintergründen und haben breit gefächerte Tätigkeitsbereiche. Welche unterschiedlichen beruflichen Rollenverständnisse vertreten sie? Das haben Sophia Charlotte Volk, Daniel Vogler, Silke Fürst, Mike S. Schäfer und Isabel Sörensen von der Universität Zürich untersucht. Sie haben Kommunikator*innen aller Schweizer Hochschulen befragt und vier verschiedene Typen von Rollenverständnissen identifiziert. 

Methode: Die Forscher*innen haben 552 Kommunikator*innen identifiziert, die an allen 42 Schweizer Hochschulen arbeiten, und diese per E-Mail zur Teilnahme an einer Online-Umfrage eingeladen. Die Analyse der Forscher*innen basiert auf den Antworten von 189 Studienteilnehmenden. Auf einer Skala von 0 bis 6 bewerteten diese den Grad ihrer Zustimmung zu verschiedenen Aussagen wie: „Ich sehe es als meine Aufgabe an, die Sichtbarkeit und die Reputation meiner Institution zu steigern“. Abgefragt wurden auch Daten wie Alter, Geschlecht, formaler Bildungsgrad, Fach des Hochschulabschlusses, Position innerhalb der Organisation und die Berufserfahrung. Weitere Fragen bezogen sich auf die Vernetzung mit internen und externen Akteur*innen sowie darauf, wie stark sich die Studienteilnehmenden über fachliche Entwicklungen auf dem Laufenden halten. Auch wurde gefragt, wie autonom die jeweilige Abteilung arbeitet, wie die Aufgabenteilung aussieht und welche Zielgruppen angesprochen werden. 

Für alle Cluster ist die Förderung der öffentlichen Sichtbarkeit und der Reputation ihrer Institutionen das Rollenkonzept mit der höchsten Zustimmung.
Ziel der von den Forscher*innen durchgeführten Segmentierungsanalyse war, Befragte in Gruppen einzuteilen, die in Bezug auf ihre beruflichen Rollenvorstellungen relativ homogen sind. Zuerst ordneten sie dazu die Studienteilnehmenden auf Grundlage der Antworten zu den Rollenvorstellungen vier verschiedenen Clustern zu. Im zweiten Schritt wurden die Cluster mit soziodemografischen und organisatorischen Informationen angereichert.

Ergebnisse: Bei der Clusteranalyse wurden vier verschiedene Typen von Hochschulkommunikator*innen identifiziert: „führende Allrounder“, „Generalist*innen“, „Wissenschaftsvermittler*innen“ und „Serviceparter*innen“. Die letzten beiden weisen sehr ausgeprägte Rollenverständnisse auf, währen Allrounder und Generalist*innen fast alle Rollen wahrnehmen, allerdings mit unterschiedlicher Intensität. Für alle Cluster ist die Förderung der öffentlichen Sichtbarkeit und der Reputation ihrer Institutionen das Rollenkonzept mit der höchsten Zustimmung.

  • Dem Cluster „führende Allrounder“ wurden etwa 40 Prozent der Studienteilnehmenden zugeordnet. Sie schneiden in jeder der abgefragten Dimensionen überdurchschnittlich ab, nehmen also ein breites Spektrum an Aufgaben wahr. Sie betonen die Bedeutung der Sichtbarkeit und Steigerung der Reputation der Hochschule und sehen es als ihre Aufgabe an, die Hochschulleitung zu unterstützen. Genannt werden auch interne Kommunikation, Wissenstransfer, die Begründung von Finanzierungen und Medienarbeit. Die dem Cluster zugeordneten Personen sind häufiger weiblich (55 Prozent) und zwei Drittel von ihnen haben eine Führungsposition inne. Viele verfügen über einen kommunikationswissenschaftlichen, geisteswissenschaftlichen oder Marketing-Hintergrund und langjährige praktische Erfahrungen in PR und/oder Journalismus. Sie legen Wert auf interne und externe Vernetzung und sind am aktivsten in der Weiterbildung. Die Befragten in diesem Cluster bewerteten die Autonomie und den strategischen Einfluss ihrer Abteilung am höchsten.
  • Die „Generalist*innen“ machen 23 Prozent aller Fälle aus. Ihr Rollenverständnis ist durch die Verbesserung der Reputation sowie die Unterstützung der Hochschulleitung geprägt, gefolgt von interner Kommunikation und Wissenstransfer. Sie liegen in fast allen Dimensionen nahe am Durchschnitt, außer bei der Medienkommunikation, die sie vergleichsweise selten nennen. Die dem Cluster zugeordneten Personen sind eher unspezifisch, was Alter und Geschlecht angeht. Insgesamt haben 30 Prozent eine Führungsposition inne, sie verfügen typischerweise über einen geisteswissenschaftlichen oder kommunikationswissenschaftlichen Hintergrund und langjährige Erfahrung im Journalismus und in der PR. Sie legen bei ihrer Arbeit mehr Wert auf interne Netzwerke als auf externe Netzwerke.
  • Die Gruppe der „Wissenschaftsvermittler*innen“ umfasst 23 Prozent der Fälle. Abgesehen von der Verbesserung der Reputation konzentrieren sich ihre Rollenvorstellungen auf den Wissenstransfer und die Einbindung der Öffentlichkeit. Sie erzielen relativ hohe Werte bei der Medienarbeit und die niedrigsten bei der kritischen Haltung gegenüber der eigenen Hochschule. Sie sind eher männlich und haben überdurchschnittlich viel Erfahrung in ihrem Beruf. Knapp ein Drittel hat Führungspositionen inne. Sie haben eher einen geisteswissenschaftlichen Hintergrund als einen kommunikationswissenschaftlichen oder naturwissenschaftlichen und verfügen über überdurchschnittlich viel praktische Erfahrung in PR und/oder Journalismus. Sie schätzen die Autonomie und den strategischen Einfluss ihrer Abteilung als vergleichsweise gering ein.
  • Die „Servicepartner*innen“ machen 14 Prozent aller Fälle aus. Die Befragten dieses Clusters sehen ihre Aufgabe vor allem in der Steigerung der Reputation, der Unterstützung der Hochschulleitung und der Verbesserung der internen Kommunikation. In fast allen anderen Dimensionen erzielen sie vergleichsweise niedrige Werte. Sie sind häufiger männlich als weiblich und im Durchschnitt jünger als Personen in den anderen Clustern. Nur 18 Prozent haben Führungspositionen inne. Sie verfügen meist über einen geisteswissenschaftlichen oder kommunikationswissenschaftlichen Hintergrund und über mittlere praktische Erfahrungen in PR und Journalismus.

Schlussfolgerungen: Die vier identifizierten Kommunikator*innentypen unterscheiden sich in Bezug auf Berufserfahrung, Ausbildung und Studienrichtung, wobei die Unterschiede nicht besonders ausgeprägt sind. Vor allem Generalist*innen und führende Allrounder*innen sehen sich in mehreren Rollen gleichzeitig. Dieses Ergebnis stützt laut der Forscher*innen frühere Analysen, nach denen Hochschulkommunikator*innen mehrere Rollen wahrnehmen und zwischen ihnen wechseln1. Bei den führenden Allroundern hat das vermutlich mit der hohen Anzahl an Personen mit Führungspositionen zu tun. Ein anderer Grund dafür, mehrere Rollen auszuüben, könnte laut der Forscher*innen die geringe Spezialisierung innerhalb der Kommunikationsabteilungen von Hochschulen sein. Eine andere Erklärung könnte sein, dass die Grenzen zwischen den beruflichen Rollen verschwimmen und es Hochschulkommunikator*innen an einer klaren beruflichen Identität fehlt. Was die Schweiz betrifft, könnte es auch daran liegen, dass das Berufsfeld der Hochschulkommunikation noch recht jung ist, schreiben die Forscher*innen. Insgesamt sei die Wissenschaftskommunikation noch in einem Professionalisierungsprozess. Das Feld der Hochschulkommunikation sei geprägt von Quereinsteiger*innen. 

Hochschulkommunikator*innen sind demnach nicht nur gemeinwohlorientierte Vermittler*innen, sondern verfolgen auch organisatorische Ziele.
Wie das Cluster der Wissenschaftsvermittler*innen zeigt, ist die Verbreitung von wissenschaftlichem Wissen ein wichtiger Bestandteil der Arbeit von Hochschulkommunikator*innen. Noch stärker als der Dialog mit der Öffentlichkeit ist die Stärkung der Reputation von Hochschulen im Rollenverständnis von Hochschulkommunikator*innen verankert. Sie sind demnach nicht nur gemeinwohlorientierte Vermittler*innen, sondern verfolgen auch organisatorische Ziele. Die Befragten sehen ihre Rolle insgesamt eher in der einseitigen Wissensvermittlung als in der dialogischen Einbindung der Öffentlichkeit, was darauf hinweise, dass in der Hochschulkommunikation ein Defizitmodell-Ansatz verfolgt werde. Mögliche Erklärungen könnten sein, dass dialogische Formate ressourcenintensiver sind oder dass Kommunikator*innen Angst haben könnten, Kontrolle abzugeben.  

Das Cluster Servicepartner*innen ist das kleinste der vier, in Deutschland hingegen sahen sich Hochschulkommunikator*innen laut früheren Studienergebnissen vor allem in einer Service-Rolle2. Dies könnte laut der Forscher*innen als ein Zeichen für Professionalisierung gedeutet werden – insofern, dass die Kommunikationsabteilungen der Hochschulen zunehmend strategische und nicht nur operative Funktionen übernehmen.

Dass sich kein eigener Kommunikator*innentyp mit einem Rollenverständnis als Medienbeauftragte*r herauskristallisiert hat, spiegele möglicherweise wider, dass im Zeitalter der Digitalisierung die Betreuung von Journalist*innen nicht mehr an erster Stelle stehe. 

Die Forscher*innen folgern aus den Studienergebnissen, dass das Rollenverständnis von Hochschulkommunikator*innen gestärkt werden und eine klarere Aufgabenteilung in Kommunikationsabteilungen angestrebt werden solle. Aus gesellschaftlicher Sicht erscheine es wünschenswert, die Rolle der Wissenschaftsvermittler*innen zu schärfen. Da die Schweizer Hochschulkommunikator*innen vor allem einen Reputationsgewinn anstreben, sei es zudem wichtig, auch ihre Rolle als kritische Stimme innerhalb der Hochschulen zu stärken.

Einschränkungen: Eine Einschränkung der Studie ist, dass sich nicht ausschließen lässt, dass einige der Befragten ihre kognitiven Rollenorientierungen, (was sie anstreben zu tun), mit normativen Rollenorientierungen (was sie tun sollten), verwechselt haben. Außerdem haben sich die Forscher*innen teilweise auf einzelne Items verlassen, um verschiedene Aspekte des Rollenverständnisses zu messen. Sie schlagen deshalb vor, in zukünftigen Studien umfassendere Skalen zu entwickeln. 

Volk, S. C., Vogler, D., Fürst, S., Schäfer, M. S., Sörensen, I. (2023) Role conceptions of university communicators: A segmentation analysis of communication practitioners in higher education institutions. Public Relations Review, Volume 49, Issue 4, 2023, https://www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0363811123000541

Wie beeinflusst Vertrauen in Wissenschaft die Angst vor dem Klimawandel?

Ein Grund dafür, dass sich manche Menschen angesichts des voranschreitenden Klimawandels nur wenig Sorgen machen, sei Misstrauen gegenüber der Wissenschaft, schreiben Matt Motta von der Boston University School of Public Health und Salil Benegal vom Union College. Wie Studien zeigen, ist im Zuge der Covid-19-Pandemie das Vertrauen in die Wissenschaft jedoch generell gestiegen3. Hat das größere Vertrauen auch Auswirkungen auf Einstellungen gegenüber dem Klimawandel? Dieser Frage widmen sich die beiden Forscher in ihrer Studie.

Methode: Die Forscher nutzen Daten aus dem Wellcome Global Monitor (WGM), einer weltweit repräsentativen Querschnittsbefragung zur öffentlichen Meinung. Die Daten spiegeln die Antworten von mehr als 93.000 Personen aus 107 Ländern wider, die zwischen September 2020 und Januar 2021 telefonisch befragt wurden. 

Zuerst wollten die Forscher wissen, ob das gestiegene allgemeine Vertrauen in die Wissenschaft auf das pandemiebedingte Vertrauen in Ärztinnen und Ärzte und andere medizinische Expert*innen zurückzuführen ist. Dazu verglichen sie Daten aus dem WGM der Jahre 2018 und 2020. Das pandemiebezogene Vertrauen in medizinische Expert*innen wurde darüber gemessen, ob die Befragten der Meinung waren, dass die Regierung des jeweiligen Landes „Coronavirus-Entscheidungen auf wissenschaftlichen Rat“ von Ärztinnen und Ärzte/Pflegepersonal und/oder der WHO stützen sollte.

Im Vergleich zu Ländern mit niedrigem Einkommen zeigen Länder mit höherem Einkommen einen deutlich stärkeren Vertrauenszuwachs.
Als nächstes untersuchten die Forscher, ob es einen Spillover-Effekt gibt, also ob sich das pandemiebedingte Vertrauen auf Annahmen gegenüber dem Klimawandel auswirken. Die Studienteilnehmenden wurden dafür unter anderem gefragt, ob der Klimawandel eine Bedrohung für die Menschen in dem jeweiligen Land darstelle – und wenn ja, wie hoch diese Bedrohung sei. Die Forscher konstruierten Modelle, die die Bedenken gegenüber dem Klimawandel mit dem Vertrauen in den Umgang medizinischer Expert*innen mit der Covid-19-Pandemie in Verbindung brachten. Um mögliche Effekte anderer Faktoren einzubeziehen, berücksichtigen die Forscher auch demographische Daten und den wirtschaftlichen Entwicklungsstand der einzelnen Länder. 

Ergebnisse: Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass in Ländern, in denen sich zu Beginn der Covid-19-Pandemie ein stärkeres Vertrauen in Ärztinnen und Ärzte und Pflegekräfte, aber nicht unbedingt in die WHO zeigte, im Untersuchungszeitraum eine Entwicklung hin zu mehr Vertrauen in die Wissenschaft entwickelte.

m Vergleich zu Ländern mit niedrigem Einkommen zeigen Länder mit höherem Einkommen einen deutlich stärkeren Vertrauenszuwachs. Es gibt nur wenige Hinweise darauf, dass das Bildungsniveau oder das Geschlecht Auswirkungen auf Veränderungen beim Vertrauen haben. 

Auf individueller Ebene zeigt sich, dass Menschen, die befürworten, dass Ärztinnen und Ärzte/Pflegekräfte und/oder die WHO eine wichtige Rolle bei der Gestaltung der Covid-19-Politik spielen, mit höherer Wahrscheinlichkeit Besorgnis angesichts des menschengemachten Klimawandel zeigen. 

Menschen, die der WHO ein hohes Maß an Vertrauen entgegenbringen und in Ländern leben, die im Laufe der Zeit eine positive Veränderung beim Vertrauen in die Wissenschaft erlebten, sind mit höherer Wahrscheinlichkeit besorgt über den Klimawandel. Für Ärztinnen und Ärzte und Pflegekräfte wurde kein ähnlicher Effekt gefunden. 

Die Ergebnisse könnten darauf hindeuten, dass die Auswirkungen des Vertrauens in medizinische Expert*innen auf Länder beschränkt sein könnten, die zwischen 2018 und 2020 die größten Veränderungen im Vertrauen in die Wissenschaft verzeichnen. 

Schlussfolgerungen: Die Forscher schlussfolgern, dass das weltweit gestiegene Vertrauen in die wissenschaftliche Gemeinschaft zumindest teilweise auf die Reaktion der medizinischen Expert*innen auf die Covid-19-Pandemie zurückzuführen ist. Außerdem zeige sich, dass eine positive Einstellung gegenüber medizinischen Expert*innen weltweit mit einer erhöhten Akzeptanz des menschengemachten Klimawandels verbunden ist. Die Forscher sehen darin die Bestätigung ihrer These, dass pandemiebezogene Einstellungen für die beobachteten Spillover-Effekte verantwortlich sind.

Spillover-Effekte scheinen in den Ländern zu fehlen, die von den Auswirkungen des Klimawandels besonders betroffen sind.
Die veränderten Einstellungen könnten den Druck auf Politiker*innen erhöhen, klimapolitische Maßnahmen zu ergreifen. Allerdings beschränken sich die Spillover-Effekte möglicherweise auf Länder, in denen sich im Laufe des untersuchten Zeitraumes eine deutlich positivere Einstellung gegenüber der Wissenschaft entwickelt hat. Laut der Studienergebnisse sind das vor allem wohlhabende Länder. Das könnte in diesen Ländern das Bewusstsein für die Auswirkungen des Klimawandels erhöhen und zum Handeln anregen. Gleichzeitig scheinen Spillover-Effekte in Ländern zu fehlen, die von den Auswirkungen des Klimawandels besonders betroffen sind. 

Die Forscher regen dazu an, auch zu untersuchen, welche Spillover-Effekte sich bei anderen wissenschaftlichen Themen, beispielsweise bei gentechnisch veränderten Lebensmitteln, finden.

Einschränkungen: Eine Einschränkung der Studie ist, dass keine politischen Orientierungen abgefragt wurden. Diese könnten neben dem Vertrauen in die Wissenschaft und anderen Faktoren ebenfalls Einfluss auf die Einstellungen gegenüber dem menschengemachten Klimawandel haben. 

Motta, M., Benegal, S. (2023). How pandemic-related changes in global attitudes toward the scientific community shape “post-pandemic” environmental opinion. Public Understanding of Science, 0(0). https://doi.org/10.1177/09636625231167735

Themen in der Twitter-Kommunikation von Gesundheitsbehörden

Gerade in Krisen wie der Coronapandemie kommt öffentlichen Behörden die Rolle von vertrauenswürdigen Informationsquellen zu. Auf welche Themen legen sie besonders viel Wert? Welche werden eher vernachlässigt? Das haben Serena Tagliacozzo vom Institute for Research on Population and Social Policies in Rom, Frederike Albrecht von der Swedish Defence University in Stockholm und dem Centre for Natural Hazards and Disaster Science (CNDS) in Uppsala, sowie Nazife Emel Ganapati von der Florida International University in Miami anhand der Twitter-Kommunikation von Gesundheitsbehörden in Schweden, Italien und den USA untersucht. 

Methode: Die Forscherinnen stützen ihre Analyse auf das IDEA-Modell (Internalization/Verinnerlichung, Distribution, Explanation/Erklärung, Action/Maßnahmen), das die Gestaltung von Krisennachrichten in vier Bereiche unterteilt: „Verinnerlichung“ bezieht sich auf die Auswirkungen der Krise und die Relevanz dieser Auswirkungen auf persönlicher und individueller Ebene (zum Beispiel Wohlbefinden und Risikofaktoren). „Erklärung“ umfasst Elemente im Zusammenhang mit Merkmalen der Krise, die einem nicht-wissenschaftlichen Publikum vermittelt werden müssen (beispielsweise Krankheitstrends und Umgang mit Fehlinformationen). „Maßnahmen“ bezieht sich darauf, was getan werden muss, um das Risiko zu verringern (zum Beispiel Prävention und Behandlung). 

Nach dem IDEA-Modell muss wirksame Krisenkommunikation diese drei Aspekte umfassen und zusätzlich über geeignete Kommunikationskanäle verbreitet werden (Distribution).

Die Autorinnen führten eine Inhaltsanalyse von 856 Tweets durch, die zwischen dem 26. Februar und dem 26. Mai 2020 von folgenden Behörden abgesetzt wurden: Italienisches Nationales Gesundheitsinstitut (Istituto Superiore di Sanità; ISS, 123 Tweets), schwedische Gesundheitsbehörde (Folkhälsomyndigheten, 124 Tweets) und Center for Disease Control and Prevention (CDC, 609 Tweets) in den USA. Beim Codebuch stützten sich die Autorinnen vor allem auf Kategorien, die in früheren Forschungsarbeiten über Kommunikation bei gesundheitlichen Notfällen herausgearbeitet wurden. Außerdem ergänzten sie weitere Kategorien, die sich während der Analyse ergaben. Ein Tweet konnte mehrere Kategorien abdecken. Die Kategorien wurden dann auf der Grundlage der Komponenten des IDEA-Modells sortiert. 

Ergebnisse: In allen drei Ländern wurden handlungsorientierten und erklärenden Botschaften mehr Aufmerksamkeit gewidmet als der Verbreitung der Botschaften und Inhalten aus der Kategorie „Verinnerlichung“. 

Italien: In der Kategorie „Verinnerlichung“ widmete das Italienische Nationale Gesundheitsinstitut 10,6 Prozent der Tweets dem Wohlbefinden, wobei sich die meisten Tweets auf das körperliche und weniger auf das mentale Wohlbefinden bezogen. Es folgten Tweets zu Risikofaktoren, wobei individuelle Risikofaktoren etwas stärker vertreten waren als soziale. In den Tweets wurde auch auf andere Kanäle wie beispielsweise Online-Plattformen verwiesen. Traditionelle Medien wurden dabei nicht erwähnt. In der Kategorie „Erklärungen“ behandelten die meisten Tweets Krankheitstrends, gefolgt von der Bekämpfung von Fehlinformationen. Es gab keine Tweets zum Thema Impfstoffe. Unter „Maßnahmen“ fanden sich wesentlich mehr Tweets zur Prävention als zur Behandlung.

Schweden: Der größte Anteil in der Kategorie „Verinnerlichung“ entfiel auf Risikofaktoren, darunter vor allem soziale und weniger individuelle. 3,2 Prozent der Tweets befassten sich mit dem Wohlbefinden (keiner davon mit der psychischen Gesundheit), während 2,4 Prozent Covid-19-Symptome betrafen. Die Kategorie „Distribution“ enthielt hauptsächlich Einladungen zu Pressekonferenzen und zu Briefings. Unter „Erklärung“ fielen vor allem Tweets zu Krankheitsentwicklungen, gefolgt von Tests und der Bekämpfung von Fehlinformationen. Das Thema Impfstoff machte weniger als 1 Prozent der Tweets aus. In der Kategorie „Maßnahmen“ konzentrierte sich die schwedische Behörde ausschließlich auf Prävention.

USA: Die CDC widmete den größten Teil ihrer Kommunikation in der Kategorie „Verinnerlichung“ dem Wohlbefinden, darunter mehr dem mentalen als dem körperlichen. Die nächstgrößere Kategorie waren Risikofaktoren. Wie im Falle Italiens und Schwedens verwiesen die Tweets der CDC auch auf andere Kanäle, darunter am häufigsten auf Online-Plattformen und Telefonnummern, selten hingegen auf traditionelle Medien und Pressekonferenzen. In der Kategorie „Erklärungen“ widmete die CDC Krankheitsentwicklungen mehr Aufmerksamkeit als der Bekämpfung von Fehlinformationen, Tests und der Übertragung. Es gab es keine Tweets zu Impfstoffen. Tweets der Kategorie „Maßnahmen“ betrafen hauptsächlich die Prävention.

Ländervergleich: Innerhalb der Kategorie „Verinnerlichung“ erhielten die Themen Wohlbefinden und Risikofaktoren in allen drei Ländern die größte Aufmerksamkeit. In Schweden wurde dem Wohlbefinden insgesamt deutlich weniger Bedeutung beigemessen als in den anderen Ländern. Stattdessen standen Risikofaktoren an erster Stelle. 

In den USA wurde viel Wert auf das psychische Wohlbefinden gelegt, während dem Thema in Schweden keinerlei Bedeutung beigemessen wurde. Wie in Schweden lag dort der Schwerpunkt eher auf dem körperlichen Wohlbefinden. Bei den Risikofaktoren konzentrierten sich Italien und die USA auf die individuelle Ebene, während in Schweden eher soziale Risikofaktoren im Fokus standen. 

In den USA wurde viel Wert auf das psychische Wohlbefinden gelegt, während dem Thema in Schweden keinerlei Bedeutung beigemessen wurde.
In die Kategorie „Distribution“ fielen in den USA und Schweden sehr viel weniger Tweets als in Schweden, wo fast ein Drittel der Tweets auf Pressekonferenzen oder Briefings verwies. Traditionellen Medien wurden in allen drei Kontexten wenig bis gar keine Aufmerksamkeit geschenkt. 

In der Kategorie „Erklärung“ war die Gewichtung der Themen ähnlich. Krankheitsentwicklungen waren das am häufigsten genannte Thema. Tweets, die sich mit Fehlinformationen befassten, rangierten entweder an zweiter (Italien, USA) oder dritter Stelle (Schweden). In Italien befassten sich insgesamt viel mehr Tweets mit dem Thema als in den beiden anderen Ländern. 

Dem Thema Übertragung von Covid-19 wurde in Italien die größte Aufmerksamkeit gewidmet, in Schweden die geringste. Impfungen spielten in allen drei Ländern keine oder eine sehr geringe Rolle. In der Kategorie „Maßnahmen“ stand in allen drei Ländern Prävention an erster Stelle, gefolgt von der Behandlung. Die CDC hatte jedoch einen viel höheren Anteil an präventionsorientierten Tweets als Italien und Schweden.

Schlussfolgerungen: Dass in den USA großer Wert auf psychische Gesundheit gelegt wurde, könnte laut der Forscherinnen mit der Besorgnis der Behörde zu tun haben – zum Beispiel in Folge vermehrter Suchanfragen zur psychischen Gesundheit. Dass das Thema in Schweden keine Rolle spielt, könnte damit zu tun haben, dass es aufgrund der weniger restriktiven Covid-19-Politik als unwichtiger erachtet wurde. Die Betonung sozialer Risikofaktoren in Schweden könnte darauf zurückzuführen sein, dass in dem Land Lock-Down-Maßnahmen vermieden wurden. In Italien und den USA, wo die meisten öffentlichen und privaten Einrichtungen geschlossen waren, überwogen Botschaften, die sich auf individuelle Risikofaktoren bezogen und sich häufiger an Risikogruppen richteten. 

Eher vernachlässigt wurden aus Sicht der Autorinnen Informationen zu Symptomen und Begleiterscheinungen in der Kategorie „Verinnerlichung“, zu Impfstoffen und Übertragung in der Kategorie „Erklärung“ und zu Behandlungsmöglichkeiten in der Kategorie „Maßnahmen“. 

Dass Covid-19-Symptomen wenig Aufmerksamkeit geschenkt wurde, könnte laut der Forscherinnen damit zusammenhängen, dass es zu diesem Zeitpunkt noch keine vollständigen Listen mit Symptomen gab. Sie betonen jedoch, dass die Öffentlichkeit Informationen darüber benötige, welche Symptome auf eine Infektion hindeuten, damit die Ausbreitung der Krankheit eingedämmt werden kann. 

Auffällig ist, dass die schwedische Gesundheitsbehörde Twitter nutzte, um die Öffentlichkeit zu Pressekonferenzen einzuladen – für die schwedische Regierung ein wichtiges Mittel, um die Bevölkerung zu informieren. Dass in allen drei Ländern kaum Verweise auf traditionelle Medien zu finden waren, ist laut der Forscherinnen nicht verwunderlich, da Covid-19 die erste Pandemie im Zeitalter der sozialen Medien sei. Auch dass Impfstoffe in der Kommunikation eine nur geringe Rolle spielen, scheint zu diesem Zeitpunkt der Pandemie erklärlich, weil deren Entwicklung noch am Anfang stand. Ähnlich sieht es mit dem geringen Fokus auf Behandlungsmöglichkeiten aus. 

Der Umgang mit Fehlinformationen war in allen drei Ländern ein wichtiges Thema, vor allem in Italien. Dies könnte laut der Forscherinnen damit zu tun haben, dass Italien die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie früher als Schweden und die USA zu spüren bekam. 

Die Forscherinnen empfehlen, die Themen Übertragung, Risikofaktoren und Symptome gerade in der ersten Phase einer Pandemie nicht zu vernachlässigen.
Überraschend sei, dass das Thema Übertragung in allen drei Ländern eine so geringe Rolle spielt, schreiben die Forscherinnen. Auch sei insgesamt zu wenig Wert auf verinnerlichende Botschaften gelegt worden (zum Beispiel: Wie wird es mir oder meinen Angehörigen gehen?). Krisenbotschaften seien wirksamer, wenn die Empfänger*innen deren Relevanz für ihre eigene Situation erkennen können, betonen die Forscherinnen. Wichtig sei ein Gleichgewicht zwischen verinnerlichenden, handlungsorientierten und erklärenden Informationen, damit die Menschen die Bedrohung verstehen und herausfinden können, inwiefern diese für sie relevant ist – und erfahren, was sie tun können, um das Risiko zu verringern.

Die Forscherinnen empfehlen, die Themen Übertragung, Risikofaktoren und Symptome gerade in der ersten Phase einer Pandemie nicht zu vernachlässigen. Außerdem sollten sowohl die physische als auch die psychische Gesundheit angesprochen werden (wie in den USA).

Einschränkungen: Eine Einschränkung der Studie besteht darin, dass die Strategien und Ziele der Kommunikation der Gesundheitsbehörden nicht untersucht wurden. 

Tagliacozzo, S., Albrecht, F., Ganapati, N. E. (2023) Public agencies tweeting the COVID-19 pandemic: cross-country comparison of must have and forgotten communication topics. Front. Commun. 8:1062241. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fcomm.2023.1062241/full

Mehr Aktuelles aus der Forschung

📚 Die Welt als Scheibe? Ein Forschungsteam um Jose Luis Arroyo-Barrigüete von der Universidad Pontificia Comillas in Spanien hat untersucht, welche Faktoren dazu beitragen, dass Menschen an die Flat-Earth-Theory glauben. Die Forscher*innen analysierten YouTube-Videos zum Thema und befragten mehr als 1250 Menschen. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass es bei Flat-Earthern einen starken Dunning-Kruger-Effekt gibt. Das heißt: Menschen mit geringer wissenschaftlicher Kompetenz überschätzen ihr eigenes Wissen. Laut Forscher*innen sind beide Faktoren allein nicht ausschlaggebend, die Kombination von geringen wissenschaftlichen Kenntnissen und hohem Selbstvertrauen aber führt zu einem stärkeren Glauben an die Flat-Earth-Theorie.

📚 Welche Einstellung haben ältere Menschen gegenüber neuen Technologien? Mengxi Zhang vom University College London hat eine systematische Übersicht über mehr als 80 Studien erarbeitet, in denen diese Frage beleuchtet wird. Der Überblick zeigt, dass die komplexe Beziehung zwischen älteren Menschen und Technologie von individuellen Persönlichkeitsmerkmalen, aber auch von der jeweiligen Rolle der Technologie und der Möglichkeit, als Mitgestalter*in bei deren Einführung mitzuwirken, beeinflusst wird.

📚 Community-Building über Podcasts? Ausgehend von eigenen Erfahrungen als Podcaster*innen und Literatur zum Thema untersuchen Autor*innen um Michael Cox vom Dartmouth College in den USA Potenziale des Mediums. Sie diskutieren, ob sich positive Veränderungen innerhalb der wissenschaftlichen Community, aber auch im Verhältnis zwischen Wissenschaft und Gesellschaft bewirken lassen – und stellen einen Leitfaden für Podcast-Produktionen innerhalb der wissenschaftlichen Community vor.

📚 In Nordamerika leben heute drei Milliarden weniger Vögel als noch im Jahr 1970. Wie hört sich das im Vergleich an? Ein Team von Wissenschaftler*innen um Miles C. Coleman von der Rowan University in den USA widmet sich in einer Forschungsnotiz dem Wissenschaftskommunikations-Projekt ByrdBot. Es simuliert Klanglandschaften in nordamerikanischen Wäldern in den Jahren 1970, 2017 und 2065. Ziel ist es, akustisch erfahrbar zu machen, welche Auswirkungen Phänomene wie Lebensraumzerstörung und Klimawandel auf den Verlust von Wildtieren haben.

📚 Was ist der Unterschied zwischen Wissenschaft und Pseudowissenschaft? Anders Sundnes Løvlie, Astrid Waagstein und Peter Hyldgård von der Universität Kopenhagen stellen in einem Artikel den „Scientific Evidence Indicator“ vor, der Leser*innen von journalistischen Artikeln auf Grundlage von Metadaten über wissenschaftliche Publikationen eine Bewertung der Evidenzstärke präsentiert. Das Projekts helfe zu erkennen, ob Studien ein Peer-Review-Verfahren durchlaufen haben, schreiben die Autor*innen. Sie schlussfolgern aus den Ergebnissen ihrer Untersuchung, dass es möglich sei, ähnliche Instrumente für Journalist*innen zu entwickeln.

📚 Wie lässt sich Vertrauen in Wissenschaft und in Wissenschaftler*innen untersuchen? John C. Besley und Leigh Anne Tiffany von der Michigan State University haben drei öffentlich zugängliche Datensätze zu dem Thema analysiert. Sie wollten herausfinden, was direkte Fragen nach dem Vertrauen in Wissenschaftler*innen im Vergleich zu indirekten Fragen erfassen – beispielsweise solchen, die auf die Wahrnehmungen der Fähigkeiten oder der Integrität von Wissenschaftler*innen zielen. Die Forscher*innen schlussfolgern, dass es unklar sei, was direkte Messungen des Vertrauens erfassen. Sie schlagen deshalb vor, dass Wissenschaftler*innen bei der Gestaltung von Umfragen und Kampagnen stärker auf Theorien zum Thema Vertrauen zurückgreifen sollten.