Klingt „komplex“ kompetenter?

Das Wisskomm-Update gibt alle 14 Tage einen Überblick über aktuelle Themen, Debatten und Trends. Außerdem finden Sie hier aktuelle Termine und Forschungsergebnisse zur Wissenschaftskommunikation.

Was gibt’s Neues?

Fachsprache kaschiert lückenhafte Erklärungen

Todd Rogers und Hillary Shulman beschreiben in Nature, dass Fachjargon die wahrgenommene Lückenhaftigkeit einer Erklärung verringern kann, selbst wenn die verwendeten Fachausdrücke wenig verständlich sind. In Experimenten wurden schwer verständliche, aber inhaltlich schwache Erklärungen als befriedigender bewertet als einfach formulierte Versionen. Die Ursache dafür sei, dass Lesende sprachliche Komplexität oft als Hinweis auf Expertise deuten. Für die Kommunikationspraxis hieße das: Fachsprache kann Erklärungen glaubwürdiger erscheinen lassen, behindert aber das Verständnis. Die Autor*innen sagen: Eine klare Ausdrucksweise sollte der Standard sein.

Hürden im Wissenstransfer zwischen Wissenschaft und Ministerien

Forschungsergebnisse aus der Wissenschafts- und Hochschulforschung erreichen die Landeswissenschaftsministerien nur selten – trotz räumlicher und thematischer Nähe. In einem Gastbeitrag für den Blog von Jan-Martin Wiarda beschreiben Grit Würmseer und Björn Möller die typischen Hürden. In den Scientific Communities wird Transferarbeit kaum honoriert, im Fokus stehen weiterhin Publikationen und Fachdiskurse. Ministerien wünschen sich hingegen vor allem deskriptive Daten, konkretes Wissen zu aktuellen Fragen und ein kontinuierliches Screening wissenschaftlicher Debatten. Mehr Wirkung könne erzielt werden, wenn Ministerien verstärkt Personal mit wissenschaftlicher Erfahrung einstellen und intermediäre Akteure an der Schnittstelle zwischen Forschung und Politik stärker genutzt werden.

Reputationsangst oder Mut zur Bühne?

Der Deutschlandfunk hat mit Julia Offe, Gründerin von scienceslam.de, über ungewöhnliche Formen der Wissenschaftskommunikation gesprochen. Ein Trend sei es, dorthin zu gehen, wo das Publikum bereits ist – etwa auf Festivals, in Musikclubs, Theatern, Kleinkunstbühnen, in der Fußgängerzone oder sogar in der Hamburger U-Bahn. Während manche als geborene Bühnenmenschen Spaß daran haben, fürchten andere um ihre wissenschaftliche Glaubwürdigkeit – insbesondere in konservativen Fächern. Offe hält diesen Zustand für problematisch. Eine „Tiktokisierung“ der Wissenschaftskommunikation sieht sie hingegen gelassen: Erfolgreiche Plattformen wie TikTok könnten auch der Wissenschaft Reichweite verschaffen.

Neues Pilotprojekt Campus2Public schult Kommunikator*innen

In Bayern beginnt das Pilotprojekt “Campus2Public”. Das Ziel besteht darin, Forschende und Kommunikationsfachleute gezielt darin zu schulen, Forschungsergebnisse verständlich aufzubereiten. Im Fokus stehen Themen wie Künstliche Intelligenz, Wasserstofftechnologie und Technologietransfer. Das Programm umfasst Workshops, Medientrainings und Social-Media-Coachings. Eine Evaluation am Ende der Pilotphase soll zeigen, wie wirksam die Maßnahmen sind und Empfehlungen für eine mögliche Ausweitung ab 2027 liefern.

Und sonst so? 

Das Medienmagazin Edito führt eine Umfrage zu Wissenschaftsjournalismus in der Schweiz durch. Wissenschaftler*innen und Journalist*innen sind eingeladen, Fragen zu der Rolle, der Verantwortung und dem Beitrag der Wissenschaftscommunity zu beantworten. Die Antworten fließen in die nächste Ausgabe ein.

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Die Klaus Tschira Stiftung* hat den KlarText-Preis für Wissenschaftskommunikation 2025 verliehen. Aus 200 Bewerbungen wurden acht Promovierte ausgewählt, die ihre Forschungsergebnisse besonders klar für die Öffentlichkeit aufbereitet hatten. Jede*r Preisträger*in erhält 7.500 Euro.

Eine Studie in Trends in Neuroscience and Education zeigt, dass große Sprachmodelle wie ChatGPT weitverbreitete Mythen über das Gehirn besser erkennen als viele Lehrkräfte. Eingebettet in praxisnahe Fragen korrigieren die Chatbots diese Mythen jedoch nicht zuverlässig, da sie darauf programmiert sind, Nutzer*innen zufriedenzustellen. Mit einem gezielten Prompt zur Korrektur falscher Annahmen lässt sich dieses Verhalten jedoch reduzieren.

Und die Forschung?

Wer an einer Hochschule arbeitet, kennt das womöglich: Nicht alle haben dieselbe Vorstellung davon, was und wie kommuniziert werden sollte. Vorgaben der Pressestelle etwa können davon abweichen, was einzelne Wissenschaftler*innen für gut und richtig halten. Massimiano Bucchi von der Universität Trient und Mike S. Schäfer von der Universität Zürich analysieren in einem Essay Ursachen und Schlüsseldimensionen von Spannungen, die sich beispielsweise um Fragen des Reputationsmanagements, der akademischen Freiheit und des politischen Engagements drehen. Die beiden zeigen, wie Institutionen und Wissenschaftler*innen damit umgehen und plädieren für eine inklusive und transparente Kommunikationspolitik, die institutionelle Ziele mit wissenschaftlicher Autonomie in Einklang bringt. 

Wie viel Einfluss haben wissenschaftspopulistische Überzeugungen und andere Einstellungen auf die Verbreitung von Falschinformationen zum Klimawandel? Welche Rolle spielt die Nutzung sozialer Medien? Ming (Bryan) Wang und Heather Akin von der University of Nebraska-Lincoln haben Daten aus einer repräsentativen Umfrage unter rund 1400 US-Amerikaner*innen ausgewertet. Dabei bestätigte sich der Einfluss kognitiver Einstellungen auf falsche Annahmen. Die Nutzung von traditionellen und sozialen Medien zeigte jedoch nur einen indirekten Effekt. Die Autor*innen schlussfolgern, dass die negativen Auswirkungen der Nutzung sozialer Medien auf falsche Vorstellungen vom Klimawandel möglicherweise überschätzt werden

Klimawandel, die Zweite! Tenzin Tamang und Ruilin Zheng von der City University of Hong Kong haben Expert*innen-Bewertungen mit Antworten von Large language models (LLMs) der GPT-Familie verglichen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Auswirkungen des Klimawandels im IPCC-Bericht 2023 weniger einschneidend dargestellt werden als von den LLMs. Diese Unterschiede seien noch stärker, wenn der Chatbot bei seiner Antwort in die Rolle einer*s Klimawissenschaftler*in schlüpfen soll. 

Termine

📆 3. September 2025 | Hamburger Stammtisch Wissenschaftskommunikation: Wissenschaftsjournalismus in Hamburg| Mehr

📆 30. September 2025 | Communicator-Preis 2026 | Mehr

📆 14. November 2025 | PartWiss 25: „Gemeinsam forschen – Impulse aus Citizen Science, partizipativer und transdisziplinärer Forschung” (Leipzig) | Mehr

📆 2. Dezember 2025 | Junges Forum 2025 (Stuttgart) | Mehr

Jobs

🔉 Koordinator:in des Public Hub | Friedrich-Schiller-Universität Jena (Bewerbungsschluss: 15.09.2025)

🔉IT-Administrator*in | Wissenschaft im Dialog * (Kein Bewerbungsschluss)

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  2. Herr Brockmann – wie kommuniziert man klüger als der Populismus?
    Populismus nutzt Emotionen und Vereinfachungen. Kann die Wissenschaft dagegenhalten? Der Komplexitätsforscher Dirk Brockmann sagt: Ja, wenn sie klug kommuniziert.
  3. Das ist kein Werkzeug!“ – Meinungen zu KI in der Wisskomm
    Ist generative KI ein hilfreiches Tool für die Wissenschaftskommunikation oder ein Risiko für Kreativität, Qualität und Vertrauen? Darüber diskutiert die Wisskomm-Community hitzig in den sozialen Medien. Ein Einblick.