Universität Stuttgart - SRF IRIS / Annika Vormwald

Per Roboter mittendrin: Telepräsenz in der Wissenschaftskommunikation

Durch Telepräsenzroboter kann Wissenschaftskommunikation inklusiver werden, davon ist Maria Wirzberger überzeugt. Im Interview spricht die Wissenschaftlerin über unausgeschöpfte Potentiale, Zugangshürden und offene Forschungsfragen.

Frau Wirzberger, waren Sie selbst schon einmal ein Roboter?

Ja, tatsächlich konnte ich schon mit unserem Telepräsenzroboter Double III unterwegs sein. Das ist eine spannende Erfahrung, weil ich mich zwar um 360 Grad drehen und physisch fortbewegen, hören und sehen kann, aber in meinen Möglichkeiten insgesamt doch stark eingeschränkt bin. Mir fehlen Arme und Hände, so dass ich nicht mit Gegenständen interagieren oder Personen die Hand schütteln kann. Mein Bewegungsrahmen endet, sobald ich an eine Treppe komme, weil diese ohne Beine nicht zu bewältigen ist. Auch das Sichtfeld ist eingeschränkt, denn der Roboter kann seinen „Kopf“ zwar in gewissem Rahmen nach oben oder unten bewegen, aber nicht nach vorne oder hinten neigen. Damit kann ich beispielweise Dinge, die davor auf dem Tisch liegen, nicht sehen.

Maria Wirzberger leitet als Professorin das Interchange Forum for Reflecting on Intelligent Systems an der Universität Stuttgart. Im Schnittfeld von Kognitionspsychologie, künstlicher Intelligenz und Mensch-Maschine-Interaktion beschäftigt sie sich aus einer interdisziplinären Perspektive mit der verantwortungsvollen, menschzentrierten Gestaltung technischer Systeme. Foto: Oliver Sonnek

Wie funktioniert ein Telepräsenzroboter?

Im ersten Schritt wird durch einen QR-Code am Roboter selbst ein Zugangslink für eine definierte Zeit, beispielsweise eine Stunde oder einen ganzen Tag, generiert. Dieser Link wird per E-Mail oder Textnachricht an die Person, die sich auf den Roboter schalten soll, verschickt. Der Link kann bequem über einen Webbrowser aufgerufen werden. Das heißt, der Roboter lässt sich sowohl über den Computer als auch das Smartphone oder Tablet steuern. Einmal eingewählt und mit Mikrofon, Lautsprecher und Kamera eingerichtet, sieht man auf dem Display des eigenen Geräts die Umgebung, in der der Roboter physisch präsent ist und kann ihn über Pfeiltasten navigieren. Dabei ist der Roboter so eingestellt, dass er zu Wänden, Menschen und Gegenständen einen Sicherheitsabstand einhält, damit er nichts und niemanden an- oder umfährt.

Die beiden Telepräsenzroboter Double III (links) und Temi (rechts) beim Tag der Wissenschaft der Universität Stuttgart. Foto: Universität Stuttgart – SRF IRIS / Annika Vormwald

Welche Reaktionen gab es bereits auf Ihre Roboter?

Im Sommer beim Tag der Wissenschaft der Universität Stuttgart waren zwei unserer studentischen Hilfskräfte mit unseren beiden Telepräsenzrobotern Double III und Temi vor Ort. Sie sind aktiv auf die Besucher*innen zugefahren und ich fand die Reaktionen spannend. Einige Kinder waren sehr neugierig und begeistert, andere waren verunsichert und haben sich hinter ihren Eltern versteckt. Die älteren Besucher*innen sind überwiegend offensiv auf die Roboter zugegangen. Obwohl Double III als Tablet auf einem Stick mit Rädern nicht im Entferntesten einem Menschen ähnlich sieht. Auch bei dem Roboter Temi, der etwas mehr Körper besitzt, ist dies nicht der Fall. Aber durch die Größe und das räumliche Hinwenden des Roboters zum Gegenüber entsteht das Gefühl, auf Augenhöhe zu kommunizieren. Diese Beobachtungen haben uns gezeigt, dass wir noch viel mehr mit unseren Robotern machen könnten, als auf einer Veranstaltung Besucher*innen zu unserem Stand zu locken.

Zum Beispiel?

Auf dem Forum Wissenschaftskommunikation 2025 haben wir in einem Panel diskutiert, wie Telepräsenzroboter wissenschaftliche Kommunikation verändern. Dafür hatten wir einen Referenten zuerst per Roboter zugeschaltet, bevor wir ihn auf die Bühne geholt haben. Anhand dieser Form des hybriden Formats konnten wir zentrale Fragen zu Authentizität, Glaubwürdigkeit und ethischer Verantwortung erörtern. Dabei haben sich jedoch auch Grenzen gezeigt, denn die Akustik war für beide Seiten nicht optimal. Auf dem kleinen Bildschirm war der Referent zwar für uns auf der Bühne präsent, für das Publikum jedoch kaum erkennbar. Daraus nehme ich mit, dass wir in der Wissenschaftskommunikation einen sinnvollen Einsatz von Telepräsenzrobotern stärker jenseits der klassischen Bühnenformate erreichen.

In einem unserer Seminare haben wir aktuell eine Studentin, die beim Präsenztermin im Januar im Ausland sein wird und trotzdem weiter an der Lehrveranstaltung teilnehmen möchte. Mit unserem Roboter werden wir die Studentin in virtueller Präsenz auch physisch in den Raum holen, und damit die Interaktion ermöglichen, von der das Seminar lebt.

Maria Wirzberger (Z.v.l.) und Roboter Double III auf dem Podium beim Forum Wissenschaftskommunikation 2025 in Stuttgart. Foto: Damian Gorczany / Wissenschaft im Dialog

Wo könnten Telepräsenzroboter im Feld der Wissenschaftskommunikation Barrieren abbauen und Partizipation stärken?

Es kann auch für Forschende viele Gründe geben, die eine Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen erschweren: Gesundheitliche Einschränkungen oder Familien- und Pflegeaufgaben zum Beispiel. Außerdem können mit Telepräsenzrobotern Teilnehmende aus entfernten Teilen des Globus an Interaktionen beteiligt werden und dadurch auch in kultureller Hinsicht die Diversität bei Veranstaltungen erhöht werden.

Für Menschen aus dem Spektrum der Neurodivergenz, die eine viel höhere Sensitivität in der Wahrnehmung haben und schneller von Reizen überflutet werden, kann der Roboter ebenfalls ein wertvolles Medium sein. Man schaltet sich dann aus einem reizarmen, geschützten Raum zu, um die eigene Präsenz besser zu dosieren. So werden alternative Zugänge zu Veranstaltungen geschaffen. Das Ziel sollte jedoch immer darin liegen, unsere realen sozialen Räume für eine Vielfalt an Bedarfen zugänglich zu machen. Auf dem Weg dorthin können Telepräsenzroboter jedoch eine wertvolle Brücke bilden und aufzeigen, was notwendig ist, damit wirkliche Inklusion gelingen kann.

Wie glaubwürdig wirkt eine Person, wenn sie über einen Roboter präsent ist?

Wir sind noch in den Anfängen, solche Fragen systematisch zu untersuchen. Ich kann mir vorstellen, dass es einen Unterschied gibt in der Wahrnehmung zwischen Telepräsenzrobotern und klassischen Robotern. Denn bei Telepräsenzrobotern ist tatsächlich ein Mensch im Hintergrund, den man auch sieht. Der Roboter ist hier im Grunde nur das Kommunikationsmedium. Es gibt viel Forschung zur Uncanny-Valley Hypothese. Das Uncanney Valley beschreibt einen Zustand, in dem humanoide Roboter, die autonom und menschenähnlich agieren, als befremdlich oder beängstigend wahrgenommen werden. Ich könnte mir vorstellen, dass man solche Effekte bei Telepräsenzrobotern nicht oder weniger hat, wenn hier der Mensch dahinter auf dem Bildschirm präsent ist. Ähnlich wie in einer Videokonferenz. Es gibt jedoch auch Systeme, bei denen dies nicht der Fall ist. Hier liegt die Wahrnehmung vermutlich näher an einem „klassischen Roboter“. Das ist in jedem Fall eine sehr spannende Forschungsfrage.

Wo sehen Sie weitere zentrale Forschungsbedarfe in Bezug auf Telepräsenz? 

Die sehe ich vor allem rund um die Technikakzeptanz, gerade im Bereich der Bildung. Inwiefern kann zum Beispiel eine virtuelle Präsenz im Klassenraum eine fehlende reale Präsenz auffangen? Lenkt das die Schülerinnen und Schüler eher ab oder bereichert es das Unterrichtsgeschehen? Ich bin auch in der Lehrkräftebildung tätig und es gibt unter meinen Studierenden eine große Nachfrage an didaktischen Konzepten für solche neuen digitalen Medien. Diese gilt es zu entwickeln und zu erforschen.

Welche ethischen Fragen wirft die Nutzung von Telepräsenzrobotern auf?

Eine ethische Frage ist die Frage des Zugangs. Es ist ein technisches System, das gewisse Voraussetzungen für die Nutzung mit sich bringt. Wir haben es mit etwas zu tun, das inklusiv sein soll und doch mit technischen Zugangsbarrieren versehen ist. Ermöglicht das Medium allen gleichermaßen Zugang oder gibt es Personengruppen, die wir ausschließen, obwohl wir es nicht möchten? Wir wissen aus der zielgruppenorientierten Technikentwicklung, dass es Personen gibt, die eine größere Distanz zu Technologie im Allgemeinen haben. Dafür müssen wir sensibilisiert sein und schauen, dass auch ein begleiteter Einstieg in die Nutzung möglich ist. Wer kann sich solche Systeme leisten? Das ist dann auch eine Frage der Verteilungsgerechtigkeit. Sollten auch öffentliche Einrichtungen gezielt solche Roboter bereitstellen, zum Beispiel in Ämtern, um eine Teilhabe in breiter Form zu ermöglichen?

Eine andere Frage betrifft den Datenschutz. Wenn ich in eine Telepräsenz gehe, gebe ich vielleicht mehr von mir Preis, als ich es in anderen virtuellen Kommunikationsformen tun würde, weil sich die Gesprächssituation privater anfühlt. Da ist es dann eine umso entscheidendere Frage, wo die Daten am Ende gespeichert werden und wer alles darauf zugreifen kann. Wenn wir auf diese Fragen gute Antworten finden, stehen wir vor der Möglichkeit, Inklusion aktiv zu leben.