Foto: Christian Humm, CC BY-SA 4.0

Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im September 2021

Bewahrt Aufklärung über Desinformationsstrategien davor, auf Fake News hereinzufallen? Was halten Landwirt*innen und andere Interessengruppen in den USA von CRISPR? Und welche Emotionen bedienen Politiker*innen in Tweets zu Covid-19? Das sind die Themen im Forschungsrückblick für den September.

In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Forschungsergebnisse zum Thema Wissenschaftskommunikation. Sollten Sie etwas vermissen, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder hinterlassen Sie einen Kommentar.

Sensibilisierung als Strategie gegen Desinformation zum Klimawandel? 

Obwohl eine Mehrheit der Deutschen davon ausgeht, dass es den Klimawandel gibt, dass er größtenteils vom Menschen gemacht ist und dass er schwere Folgen haben wird, gibt es auch eine skeptische Minderheit. Eine Strategie zur Verbreitung von Fehlinformationen über den Klimawandel ist, sich auf angebliche Expert*innen zu berufen, die jedoch keine Kompetenz in dem entsprechenden Bereich haben. Eine Methode, um Menschen davor zu bewahren, auf so etwas hereinzufallen, ist die „Inokulation“ („Impfung“). Dabei sollen Menschen durch Sensibilisierungs- und Informationskampagnen über Desinformationsstrategien aufgeklärt werden. Ob das einen Einfluss auf ihre Empfänglichkeit für Falschnachrichten hat, haben Hannah Schmid-Petri und Moritz Bürger von der Universität Passau untersucht.

Wie die amerikanische Studie zeigt auch die deutsche, dass Menschen, die eine freie Marktwirtschaft unterstützen, die menschengemachte globale Erwärmung weniger akzeptieren.

Methode: Die beiden Wissenschaftler*innen wiederholten mit deutschen Proband*innen ein Experiment von Cook et al.1 aus den USA. Die Forscher*innen hatten in ihrem Experiment gezeigt, dass sich Fehlinformationen auf die Meinungsbildung zum Klimawandel auswirken können. Sie fanden außerdem heraus, dass „Inokulation“ diesen Effekt abmildern kann – besonders bei Befürworter*innen eines freien Marktes. Das bedeutet: Nach vorheriger Aufklärung über Desinformation-Strategien schenkten die Proband*innen Fake News zum Klimawandel weniger Glauben. Die gemessenen Effekte waren jedoch gering.  

Für die Wiederholung der Studie rekrutierten Hannah Schmid-Petri und Moritz Bürger über ein Online-Zugangspanel 629 Proband*innen, die zufällig einer von vier Gruppen zugeordnet wurden: der sogenannten Inokulationsgruppe wurden ein Text präsentiert, in dem der Einsatz von falschen Expert*innen als eine Technik zur gezielten Fehlinformation skizziert wurde. Der zweiten Gruppe wurde die Fehlinformation präsentiert, dass viele Wissenschaftler*innen skeptische Positionen zum Klimawandel haben. Die dritte Gruppe bekam die Fehlinformation wie auch die Infos über Desinformationsstrategien. Die vierte bekam als Kontrollgruppe keinen Text. 

Danach sollten die Proband*innen Fragen beantworten – unter anderem, wie sie den Konsens von Wissenschaftler*innen zum Klimawandel auf einer Skala von null bis hundert Prozent einschätzen. Über die Fragen zu bestimmten Wetterphänomenen („Die Entstehung von Hurrikans in Deutschland“) wurde gemessen, wie sie den Einfluss menschlichen Handelns auf extreme Wetterphänomene beurteilen. Andere Fragen waren, wie sehr sie Klimawissenschaftler*innen vertrauen und wie stark sie Klimaschutzpolitik unterstützen. Außerdem sollten sie angeben, ob sie einen freien Markt unterstützen. Im Vergleich zur amerikanischen Studie zusätzlich gefragt, ob sie populistische Einstellungen unterstützen und wo sie sich im politischen Spektrum bewegen. 

Ergebnisse: Die Ergebnisse der Studie von Cook et al. konnten nur teilweise reproduziert werden. In den USA waren beispielsweise die Auswirkungen der Fehlinformationen auf die Frage nach dem Konsens zwischen Klimaforscher*innen und darauf, ob die Proband*innen den Klimawandel als menschengemacht ansehen, stärker als in Deutschland. 

Knapp 66 Prozent der deutschen Kontrollgruppe und knapp 45 Prozent der amerikanischen führen den Klimawandel auf vom Menschen verursachte Emissionen zurück.
Insgesamt unterscheiden sich die Antworten der Befragten in Deutschland und den USA deutlich. Die deutsche Kontrollgruppe geht beispielsweise im Durchschnitt von einem Konsens unter den Klimaforscher*innen von rund 77 Prozent aus. In der US-amerikanischen Kontrollgruppe wurde der Konsens auf knapp 55 Prozent geschätzt. Knapp 66 Prozent der deutschen Kontrollgruppe und knapp 45 Prozent der amerikanischen führen den Klimawandel auf vom Menschen verursachte Emissionen zurück. 

Wie die amerikanische Studie zeigt auch die deutsche, dass Menschen, die eine freie Marktwirtschaft unterstützen, unter anderem die menschengemachte globale Erwärmung weniger akzeptieren und weniger Vertrauen in Wissenschaftler*innen haben. Bei der US-Stichprobe erwies sich allerdings die vorherige Aufklärung, also „Inokulation“ der Proband*innen als effektiver. Bei der deutschen hatte sie keinen signifikanten Effekt. 

Die deutsche Studie zeigt, dass Proband*innen mit populistischen Einstellungen unter anderem dem Klimawandel skeptischer gegenüberstehen und klimaschutzpolitische Maßnahmen in geringerem Maße unterstützen. Zudem zeigte die Inokulation bei ihnen kaum Wirkung. Auch zeigen die Ergebnisse, dass Menschen, die sehr konservativ oder politisch rechtsgerichtet sind, dem Klimawandel skeptischer gegenüberstehen. 

Informationen über Desinformationsstrategien führten bei Anhänger*innen eines freien Marktes und bei Proband*innen mit starken populistischen Einstellungen zur stärkeren Akzeptanz des menschengemachten Klimawandels. Bei politisch rechts orientierten Proband*innen war dies jedoch nicht der Fall. 

Schlussfolgerungen: Die Studie bestätigt die Bedeutung von Überzeugungen und Weltbildern für klimabezogene Einstellungen: Proband*innen, die freie Märkte befürworten, populistische Einstellungen haben und sich als politisch rechts bezeichnen, stehen dem wissenschaftlichen Konsens zum Klimawandel besonders skeptisch gegenüber. Das weist darauf hin, dass klimarelevante Einstellungen mit Wert- und Identitätsvorstellungen verknüpft sind. Die Autor*innen argumentieren deshalb, dass Klimakommunikation nur dann erfolgreich sein kann, wenn Engagement für Klimaschutz mit persönlichen Grundwerten in Einklang gebracht werden kann. 

Im Gegensatz zur US-amerikanischen Studie, kann die deutsche keine signifikanten Effekte der vorherigen Information über Desinformationsstrategien (Inokulation) belegen. Laut der Autor*innen kann das daran liegen, dass klimabezogene Einstellungen grundsätzlich relativ stabil sind. Es verwundere also nicht, dass eine einzige Information nicht zu einer Veränderungen der Einstellung führt. Auch bei der Studie in den USA waren die Effekte nur gering. Zudem ist die Akzeptanz des menschengemachten Klimawandels in der deutschen Stichprobe grundsätzlich relativ hoch, was auch an einem überdurchschnittlich hohen formalen Bildungsniveau der Studienteilnehmer*innen liegen könnte, das nicht repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ist. Eine Stichprobe, die dem Klimawandel im Allgemeinen weniger skeptisch gegenübersteht, könnte auch weniger geneigt sein, ihre Einstellung aufgrund einer einzigen Fehlinformation zu ändern, vermuten die Autor*innen. 

Einschränkungen: Eine Limitation der Studie ist, dass die Stichprobe hinsichtlich des relativ hohen formalen Bildungsgrads nicht repräsentativ für die deutsche Bevölkerung ist. Eine Wiederholung der Studie mit einem anderen Proband*innen könnte andere Ergebnisse bringen. Lohnend wäre sicherlich auch eine Langzeitbeobachtung, bei der die Proband*innen über einen längeren Zeitraum mit entsprechenden Fehlinformationen oder Inokulationsbotschaften versorgt werden, weil sich dadurch stärkere Effekte zeigen könnten, als wenn sie nur eine einzige Information vorgelegt bekommen. 

Schmid-Petri, H., Bürger, M. (2021) The effect of misinformation and inoculation: Replication of an experiment on the effect of false experts in the context of climate change communication. https://journals.sagepub.com/doi/full/10.1177/09636625211024550

CRISPR als Chance für die Landwirtschaft? Eine Befragung von Interessengruppen

Mithilfe des CRISPR-Cas9-Systems können Gene gezielt eingefügt, entfernt oder ausgeschaltet werden. Dadurch verspricht diese Methode auch in der Landwirtschaft Fortschritte. Wie aber sehen das unterschiedliche Interessengruppen? Das haben Matthew Robbins, Christopher Calabrese, Jieyu Ding Featherstone und George A. Barnett von der University of California untersucht.

Methode: Die Wissenschaftler*innen konzentrieren sich in ihrer Studie auf vier Zielgruppen, die unterschiedliche Rollen bei der Einführung der CRISPR-Cas9-Technologie in der Landwirtschaft spielen. Zum einen schrieben sie per Mail Professor*innen aus den Bereichen Genetik oder Genomik von elf US-amerikanischen Bundesstaaten an, von denen 168 teilnahmen. Die zweite Gruppe umfasste 83 politische Entscheidungsträger*innen auf Bundes- und Landesebene. Die dritte Gruppe, bestehend aus Landwirt*innen, und die vierte Gruppe mit Personen aus der allgemeinen Öffentlichkeit wurden als repräsentative Stichproben über die Umfrageplattform Qualtrics rekrutiert. 

Insgesamt weisen die Ergebnisse bei allen vier untersuchten Gruppen auf eine grundsätzliche Offenheit gegenüber der CRISPR-Cas9-Technik hin.
Die vier Gruppen wurden gebeten, einen kurzen Aufsatz von rund 100 Wörtern über ihre Gedanken und Meinungen zu Genom-Editierung und CRISPR zu verfassen, nachdem ihnen Definitionen der Begriffe „Genom“ und „Genom-Editierung“ vorgelegt worden waren. 

Die Aufsätze wurden mit verschiedenen Methoden computergestützt analysiert. Durch eine semantischen Netzwerkanalyse etwa untersuchten die Wissenschaftler*innen die Häufigkeit von Worten und ihre Verbindung mit anderen Begriffen. Außerdem wurden wichtige Themengebiete herausgearbeitet und die sogenannte Keyness-Analyse angewandt, bei der jeweils zwei Gruppen basierend auf den Unterschieden der Häufigkeit bestimmter Wörter verglichen wurden. Bei ihrer Analyse beziehen sich die Wissenschaftler*innen auf die Social Representations Theory, die die Prämisse vertritt, dass Darstellungen von Lai*innen nicht einfach als falsch in Bezug auf wissenschaftliche Sichtweisen angesehen werden, sondern Aufschluss darüber geben, wie bestimmte Themen in der Öffentlichkeit verstanden werden. 

Ergebnisse: Die Untersuchungen zeigen, dass die Wortwahl der vier Gruppen sehr unterschiedlich ausfällt und sich verschiedene Bedeutungsnetzwerke herausarbeiten lassen. Es zeigen sich Unterschiede zwischen den Gruppen, was Wissen und Wahrnehmungen gegenüber CRISPR-Cas9 betrifft. Während die politischen Entscheidungsträger*innen mehr technisches Know-how als Landwirte und die breite Öffentlichkeit demonstrierten, hatten die Wissenschaftler*innen einen stärkeren technischen Fokus. Sie diskutierten auch mehr über die aktive Nutzung von CRISPR in der Landwirtschaft und stellten die neue Technik als etwas dar, was potenzielle Vorteile, aber auch Risiken birgt. 

Die Landwirt*innen nutzen eine weniger spezifische Sprache, zeigten weniger technisches Verständnis als beispielsweise die politischen Entscheidungträger*innen und nahmen in ihren Texten häufiger Bezug auf ihren Glauben an Gott, was auch bei den Aussagen der allgemeinen Öffentlichkeit zu beobachten war.

Politische Entscheidungsträger konzentrierten sich mehr als die Landwirte auf den potenziellen gesellschaftlichen Nutzen und räumten gleichzeitig ethische Bedenken ein. Die Landwirt*innen bewegten sich auf einem relativ niedrigen Niveau wissenschaftlicher Terminologie, stellten die neue Technologie jedoch allgemein relativ optimistisch dar. Sie betonten den persönlichen wirtschaftlichen Nutzen, in der Regel in Form eines geringeren Chemikalieneinsatzes. Die Landwirt*innen äußerten jedoch auch Bedenken hinsichtlich potenzieller Risiken.

Die breite Öffentlichkeit stützte sich bei den Texten auf die vorgegebenen Definitionen, was auf ein geringes Vorwissen hinweist. Diese Gruppe zeigte weniger Verständnis für das Thema, drückte Unsicherheit, aber möglicherweise auch einen vorsichtigen Optimismus aus.

Schlussfolgerungen: Wie neue Techniken angenommen und eingesetzt werden, hängt von der Nutzen- und Risikowahrnehmung der Öffentlichkeit und verschiedener Interessengruppen ab. Mangelnde Akzeptanz kann sowohl Forschung als auch den Einsatz von neuen Methoden in der Praxis beeinflussen. Um bei der Kommunikation von Informationen auf bestimmte Annahmen und Befürchtungen eingehen zu können, ist es wichtig zu wissen, welches Wissen und welche Einstellungen in der Bevölkerung vorhanden sind. 

Insgesamt weisen die Ergebnisse bei allen vier untersuchten Gruppen auf eine grundsätzliche Offenheit gegenüber der CRISPR-Cas9-Technik hin. Bei der allgemeinen Öffentlichkeit und bei den Landwirt*innen aber zeigten sich auch Verweise auf moralische und religiöse Überzeugungen sowie Annahmen darüber, was als „natürlich“ wahrgenommen wird. Diese Aspekte müssen also in der Kommunikation über CRISPR-Cas9 berücksichtigt werden. Ebenso zeigte sich, dass in der breiten Öffentlichkeit wie auch bei den Landwirt*innen nur eingeschränktes Wissen vorhanden ist. An dieser Stelle kann Wissenschaftfkommunikation ansetzen und versuchen, mehr Informationen über die Technik, ihre Anwendungsbereiche und Potenziale zu Verfügung zu stellen.

Einschränkungen: Einschränkend lässt sich sagen, dass die Stichproben sehr unterschiedliche Größen aufwiesen. Besonders die Antwortrate der politischen Vertreter*innen war gering, was die Aussagekraft der Studie an dieser Stelle einschränkt. 

Robbins, M., Calabrese, C., Featherstone, J. D. and Barnett, G. A. (2021) Understanding knowledge and perceptions of genome editing technologies:
a textual analysis of major agricultural stakeholder groups. JCOM 20 (05), A07. https://doi.org/10.22323/2.20050207

Twitterkommunikation von Trump und Co. in der Pandemie

Twitter ist auch während der Coronapandemie ein Kommunikationskanal, den viele Politiker*innen nutzen, um mit der Bevölkerung in Kontakt zu treten. Wie das genau aussieht, interessierte Yuming Wang, Erika Pearson und Stephen M. Croucher von der Massey University im neuseeländischen Wellington. Die Forscher*innen haben die Twitterkommunikation zu Covid-19 von Vertreter*innen der Five Eyes Intelligence Sharing Group, einer Geheimdienstallianz von Australien, Kanada, Neuseeland, dem Vereinigten Königreich und den Vereinigten Staaten untersucht. 

Methode: Die Forscher*innen wollten wissen, wie oft die fünf Staatschef*innen im Jahr 2020 zu Covid-19 getwittert haben, welche Frames sie dabei bedienen und inwieweit auf Grundlage ihrer Analyse zukünftige Tweets vorausgesagt werden können. Dazu führten sie eine Sentimentanalyse durch, untersuchen also die in den Tweets ausgedrückten Emotionen. Sie nutzen dabei Natural Language Processing, die computergestützte Erfassung und Verarbeitung von Sprache. Basierend auf großen Textdatensätzen können damit Vorhersagen über zukünftige Tweets getroffen werden. Als Frames begreifen die Wissenschaftler*innen die Auswahl und Betonung bestimmter Aspekte der Realität. Dadurch könnten Politiker*innen die öffentliche Meinung beeinflussen. 

Trumps Tweets stachen aus den Daten hervor – sowohl in Bezug auf das Gesamtvolumen seiner Nachrichten als auch auf die darin verbreitete Stimmung
Die Forscher*innen sammelten 15 848 Tweets, die Donald Trump (USA), Boris Johnson (Großbritannien), Justin Trudeau (Kanada), Jacinda Ardern (Neuseeland) und Scott John Morrison (Australien) zwischen dem 1. Januar und dem 21. Dezember 2020 abgesetzt hatten. Weil die neuseeländische Premierministerin während dieses Zeitraums nur drei Tweets veröffentlichte und diese nichts mit Covid-19 zu tun hatten, wurden diese nicht analysiert. Bei Trudeau wurden Tweets ausgeschlossen, die nur auf Französisch waren. Die Auto*innen argumentierten, dass das andernfalls die Ergebnisse beeinflusst werden könnten könnte. Tweets, die sowohl Englisch als auch Französisch enthielten, wurden im Sample behalten. Da Trumps Twitter-Konto während der Datenerhebung gesperrt wurde, griffen die Forscher*innen auf ein „Trump Twitter Archive“ zurück. Nachdem Duplikate entfernt wurden, blieben 8485 Tweets, deren Stimmung automatisiert eingeordnet wurde. Anschließend wurden Schlüsselwörter oder -themen bestimmt und ein Vorhersagemodell erstellt. 

Ergebnisse: Der mit Abstand aktivste Twitter-Nutzer war Donald Trump von denen 5998 Tweets näher untersucht wurden. Die meisten Tweets, die die Begriffe „Virus“ und/oder „Covid“ enthielten, wurden von Trump abgesetzt. Diese machten jedoch nur 3,6 Prozent seiner Tweets in diesem Zeitraum aus. Bei Morrison bezogen sich 14,13 Prozent auf Covid-19 (aus 452 untersuchten Tweets), während es bei Johnson 17,84 Prozent (aus 723 untersuchtenTweets) und bei Trudeau 11,17 Prozent (aus 1396 untersuchten Tweets) waren.

Die Forscher*innen arbeiteten eine Vielzahl von positiven wie auch negativen Frames heraus. Abgesehen von Trump teilten die Politiker*innen in mehr als 85 Prozent der Fälle positive Tweets. Trudeau zeigte sich insgesamt am positivsten. Das erstellte Vorhersagemodell konnte die Stimmung zukünftiger Tweets zu Covid-19 zwischen knapp 74-prozentiger Wahrscheinlichkeit (Morrison) bis zu einer über 90-prozentigen Wahrscheinlichkeit (Trump) vorherbestimmen. 

Trumps Tweets stachen aus den Daten hervor – sowohl in Bezug auf das Gesamtvolumen seiner Nachrichten als auch auf die darin verbreitete Stimmung, die im Vergleich zu denen anderen Politiker*innen am negativsten war. 

Schlussfolgerungen: Die Autor*innen argumentieren, dass die von führenden Politiker*innen über Twitter verbreiteten Mikrobotschaften zu Covid-19 prägend für den Ton der öffentlichen Debatte in der Krise seien. Die Ergebnisse zeigten, dass die Politiker*innen – abgesehen von Trump – der Debatte bewusst einen positiven Rahmen geben wollen. Die Ergebnisse legen nahe, dass die Politiker*innen – abgesehen von Trump – den sozialen Zusammenhalt betonen und die Einhaltung von Maßnahmen als etwas Positives betonen. Es stellt sich die Frage, warum der damalige US-Präsident vergleichsweise selten, also nur in 3,6 Prozent seiner Tweets, die Begriffe „Covid“ und „Virus“ verwendet. Eine mögliche Erklärung sei laut der Autor*innen, dass sich Trump absichtlich von neutralen Begriffen entferne und durch das negative Framing versuche, Unterstützung in seiner Abwehrhaltung gegenüber wissenschaftlichen Ratschlägen zu gewinnen. Ob er stattdessen tatsächlich andere Begriffe verwendet hat, wurde jedoch nicht untersucht. 

Einschränkungen: Die Studie beschränkt sich auf die Tweets der Politiker*innen. Um Aussagen darüber zu bekommen, wie diese die gesellschaftliche Debatte prägen, wäre eine Analyse der Kommentare und Diskussionen auf Twitter sinnvoll. Bei der Beurteilung der Aussagekraft der Ergebnisse muss auch die automatische Kodierung der Tweets berücksichtigt werden. Beispielsweise wird ein Begriff wie „us“ (wir) als negativ kodiert, der Begriff „today“ (heute) als positiv, ohne dass dafür eine Erklärung geliefert wird. Eine weitere Einschränkung ist, dass bei Trudeau die nur auf Französisch verfassten Tweets nicht untersucht wurden.

Um inhaltlich tiefer in die Frage nach Framing in der Pandemie einzusteigen, könnten zusätzliche qualitative Untersuchungen aufschlussreich sein.

Wang, Y., Pearson, E., Croucher, S. M. (2021) National Leaders’ Usage of Twitter in Response to COVID-19: A Sentiment Analysis. Frontiers in Science Communication. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fcomm.2021.732399/full

Mehr Aktuelles aus der Forschung

Bei der Frage, ob sich Patient*innen im Gesundheitssystem wohlfühlen, spiele die Gestaltung von Räumen eine große Rolle, argumentiert Matthew D. Lamb vom Department of Communication Arts and Sciences der Pennsylvania State University in den USA. In einer Studie hat er das Design von Warteräumen in Krankenhäusern und dessen Einfluss auf Stress und Wohlbefinden von Patient*innen untersucht. Er betont, dass durch Designentscheidungen Ungleichheiten im Gesundheitssystem zementiert werden können, indem beispielsweise in einkommensschwächeren Gegenden die Krankenhäuser rein funktional ausgestattet sind und nicht darauf ausgerichtet sind, Stress zu lindern oder Wohlbefinden zu steigern.

Massenmedien haben einen großen Einfluss darauf, wie Menschen Risiken wahrnehmen. Die Auswirkungen medialer Berichterstattung während des pandemiebedingten Lockdowns in Spanien haben María Álvarez-Rementería Álvarez, Gorka Roman Etxebarrieta und María Dosil Santamaría von der Universität Baskenland in Spanien untersucht. Die Ergebnisse ihrer Befragung weisen unter anderem darauf hin, dass Frauen im Vergleich zu Männern ein höheres Maß an Angst empfinden, wenn sie Nachrichten im Zusammenhang mit der Covid-19-Krise sehen, hören oder lesen.

Die Wissenschaftler*innen plädieren dafür, die Auseinandersetzung von Jugendlichen mit Wissenschaft über künstlerische Mittel zu stärken und ihre Werke für Ausstellungen zu nutzen.
Von Kindern geschaffene Kunstwerke können wissenschaftliche Inhalte effektiv vermitteln, schreibt ein Team von Wissenschaftler*innen um Jill Hendrickson Lohmeier von der University of Massachusetts in den USA in einem Aufsatz. Die Autor*innen erläutern das am Beispiel eines Jugendkunstwettbewerbs zum Klimawandel, bei dem prämierte Bilder in öffentlichen Bussen ausgestellt wurden. Die Werke der jungen Künstler*innen, die sich mit Klimawissenschaften beschäftigt haben, hätten das Thema so einer breiteren Öffentlichkeit näher gebracht. Die Wissenschaftler*innen plädieren dafür, die Auseinandersetzung von Jugendlichen mit Wissenschaft über künstlerische Mittel zu stärken und ihre Werke für Ausstellungen zu nutzen.

Noch immer ist die Entwicklung der Menschheit für viele US-Amerikaner*innen ein strittiges Thema. Dass die Akzeptanz für die wissenschaftliche Evolutionstheorie jedoch im letzten Jahrzehnt zugenommen hat, zeigt eine Studie eines Forschungsteams um Jon D. Miller von der University of Michigan. Zuvor sei die Öffentlichkeit in dieser Frage über mehr als zwei Jahrzehnte hinweg in zwei fast gleich große Lager gespalten gewesen, schreiben die Wissenschaftler*innen. Für die Studie haben sie den Zeitraum von 1985 bis 2020 untersucht. Faktoren, die zur Akzeptanz der Evolutionstheorie beitragen, seien eine steigende Anzahl von Bachelor-Student*innen, das steigende Niveau wissenschaftlicher Bildung und der Rückgang von religiösem Fundamentalismus.

Naturkatastrophen werden häufig mit feindseligen Eigenschaften ausgestattet. David J. Hauser and Megan E. Fleming von der Queen’s University haben untersucht, ob solche metaphorischen Beschreibungen die Risikowahrnehmung beeinflussen. Ihre Studien zeigen, dass eine Naturgefahr, die als feindselig beschrieben wird, von den Teilnehmer*innen als schwerwiegender interpretiert wird und sie häufiger eine Evakuierung in Erwägung ziehen als bei nüchternen Darstellungen. Die Wissenschaftler*innen schlussfolgern, dass Metaphern als Thema bei der Entwicklung einer effektiven Risikokommunikation berücksichtigt werden sollten.

Soziale Medien und Online-Videoplattformen sind wichtige Informationskanäle – auch in Bezug auf Gesundheitsthemen. Mu-Chi Chiu und Bart Penders von der Maastricht University haben viel geklickte Youtube-Videos zu beliebten Diäten auf die Frage hin untersucht, welche Gesundheitskonzepte sich dahinter verbergen. Es zeigt sich unter anderem, dass die Youtuber*innen von der WHO abweichende Konzepte präsentieren, sich dabei jedoch nicht vollständig in bestehende Gesundheitsdefinitionen einfügen.