Foto: Christian Humm, CC BY-SA 4.0

Kurz vorgestellt: Neues aus der Forschung im Mai 2021

Welche Dynamiken prägen die europäische Wissenschaftskommunikationslandschaft? Wie stellen sich Bürger*innen eine gute Klimakrisenkommunikation vor? Und was bewegt die Wissenschafts-Community während Corona? Das sind die Themen im Forschungsrückblick für den Mai.

In dieser Rubrik besprechen wir regelmäßig neue Forschungsergebnisse zum Thema Wissenschaftskommunikation. Sollten Sie etwas vermissen, schreiben Sie uns gerne eine E-Mail oder hinterlassen Sie einen Kommentar.

Zwischen Fragmentierung und Aufbruch: die europäische Wisskomm-Landschaft im Blick 

Die Branche bestehe aus weitgehend unabhängigen Bereichen, Gemeinschaften und Aktivitäten, die wenig miteinander interagieren, befanden die Forscher*innen.
 Wie steht es um die Wissenschaftskommunikation in Europa? Von welchen Interessen wird sie geleitet und von welchen Dynamiken geprägt? Ein Forschungsteam um Sarah R. Davies von der Universität Wien, Suzanne Franks City von der University London und Joseph Roche vom Trinity College Dublin geben in einer Studie Einblicke in Schlüsselfragen der europäischen Wissenschaftskommunikation-Landschaft. 

Methode: Die Wissenschaftler*innen nutzten Daten, die im Rahmen des europäischen Wissenschaftskommunikationsprojekts QUEST erhoben wurden, einem Verbundprojekt von acht Partnern in sechs Ländern, finanziert durch das Programm „Wissenschaft mit der und für die Gesellschaft“ (SwafS) der Europäischen Kommission. Ausgewertet wurden Social-Media-Accounts europäischer Einrichtungen, die im Bereich der Wissenschaftskommunikation aktiv sind. 498 Facebook-Seiten, 393 Youtube-Kanäle und 661 Twitter-Konten wurden unter anderem einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen. Außerdem führen die Forscher*innen Interviews mit 18 Vertreter*innen aus dem Wissenschaftsjournalismus, 15 von Wissenschaftsmuseen und 16 aus der Wissenschaftskommunikationsforschung und -Lehre. Die aus Norwegen, Schweden, Estland, den Niederlanden, Großbritannien, Frankreich, Deutschland, der Schweiz, Italien, Spanien, Griechenland, Serbien, Bulgarien und Irland stammenden Interviewpartner*innen wurden nach ihrer Einschätzung der gegenwärtigen Wissenschaftskommunikationslandschaft in ihrem Feld und der jeweiligen Region befragt.

Ergebnisse: Das Forschungsteam identifizierte vier Schlüsselthemen: die starke Trennung zwischen Forschung und Praxis, eine Landschaft im Wandel, die Bedeutung von Format und Kontext sowie die Dominanz kritischer und dialogischer Ansätze als Best Practice. Die untersuchten Daten deuten darauf hin, dass nicht nur eine Trennung zwischen Theorie und Praxis der Wissenschaftskommunikation herrscht, sondern die Fragmentierung des Feldes noch weiter geht. Die Branche bestehe aus weitgehend unabhängigen Bereichen, Gemeinschaften und Aktivitäten, die wenig miteinander interagieren, befanden die Forscher*innen. Das liege zum einen an sprachlichen und zum anderen an disziplinären Gräben. Die Daten zeigen, dass sich verschiedenen Sprachräumen auch unterschiedliche Traditionen der Wissenschaftskommunikation etabliert haben. Menschen, die in diesem Bereich arbeiten, haben unterschiedliche fachliche Hintergründe und erkenntnistheoretische Ansätze. Auch die Frage, was Wissenschaftskommunikation eigentlich bedeutet, wird unterschiedlich beantwortet. Was eine Person als Best Practice begreift, ist für eine andere etwas, das es zu vermeiden gilt.

Auch die Lehr-Landschaft sei fragmentiert. Die Forschenden beschreiben sie als einen wachsenden, aber instabilen Bereich. Es würden zwar immer wieder neue Masterstudiengänge etabliert, die dann aber wieder abgesetzt würden. Angebote außerhalb dieser Studiengänge lägen oft im Verborgenen und seien vom Engagement Einzelner abhängig. 

Vor allem im Museumskontext spiele die Förderung von Inklusion und Diversität eine immer größere Rolle.
Insgesamt beobachten die Forscher*innen, dass sich die europäische Wissenschaftskommunikation im Wandel befindet. Im Wissenschaftsjournalismus gehen finanzielle Mittel zurück, stattdessen wird die Wissenschafts-PR immer bedeutsamer. Auch Social-Media-Aktivitäten nehmen substantiell zu. Dabei werden in unterschiedlichen Ländern verschiedene Kanäle favorisiert – in Frankreich und Deutschland etwa ist Youtube besonders beliebt.

Die Wissenschaftler*innen stellen auch fest, dass die Zeiten von „one size fits all“ vorbei sind. Je nach Akteur*in, Zielgruppe, nationalem Kontext und Plattform werden für die Wissenschaftkommunikation unterschiedliche Methoden und Kanäle genutzt. Wissenschaftler*innen beispielsweise sind auf Twitter besonders erfolgreich. 

Eines der eher wenigen zentralen Konzepte, die das Forschungsteam in der fragmentierten Landschaft herausarbeiten konnte, war die Hinwendung zu dialogischen, kritischen und partizipativen Formaten. Vor allem im Museumskontext spiele die Förderung von Inklusion und Diversität eine immer größere Rolle.

Schlussfolgerungen: Angesichts der Fragmentierung des Feldes stellt sich die Frage, ob es überhaupt sinnvoll ist, „Wissenschaftskommunikation“ als etwas Einheitliches zu denken. Die Autor*innen diskutieren, ob der Begriff überhaupt nützlich ist, wenn sich dahinter so viele unterschiedliche Terminologien und Praxen verbergen. Sie argumentieren jedoch, dass es durchaus einige Gemeinsamkeiten zwischen den Akteur*innen gebe, vor allem im Bereich der Zielsetzungen. Sie plädieren für eine bessere Vernetzung der Praktiker*innen – ohne dabei jedoch Homogenität anzustreben. Denn Vielfalt und Differenzierung seien in einem komplexen, globalen Studien- und Praxisfeld unvermeidlich. Schließlich könnten Praktiken, die auf die lokalen Voraussetzungen und Bedürfnisse eingeht, besser und schneller reagieren. Für die Praxis der Wissenschaftskommunikation wie auch die Forschung können die Ergebnisse ein Impuls sein, sich stärker zu vernetzen und herauszufinden, was sie von anderen fachlichen Traditionen lernen können.

Einschränkungen: Die Studie gibt Einblick in eine fragmentierte europäische Landschaft der Wissenschaftskommunikation. Die Beziehungen zu außereuropäischen Traditionen und Praktiken aber bleibt außen vor. Für weitere Forschungen wäre es interessant zu beleuchten, wie das Ganze auf internationaler Ebene aussieht. 

Davies, S. R., Franks, S., Roche, J., Schmidt, A. L., Wells, R. and Zollo, F. (2021). The landscape of European science communication. JCOM 20 (03), A01. https://doi.org/10.22323/2.20030201

Ideen für eine bessere Klimakrisenkommunikation 

Der Klimawandel ist ein Problem, das öffentliches wie kollektives Handeln erfordert. Die Einstellungen von Bürger*innen sei deshalb zentral, argumentieren Malgorzata Dziminska von der Universität im polnischen Lodz, Isabel Mendoza-Poudereux vom Global Plant Council, Giuseppe Pellegrini von der Universität im italienischen Trient und Jussara Rowland von der Universität Lissabon. Das Forschungsteam wollte wissen: Wie sieht gute Klimakrisenkommunikation aus der Sicht von Bürger*innen aus? Dazu untersuchten sie ein partizipatives Projekt, bei dem in fünf europäischen Ländern Menschen über kontroverse wissenschaftliche Themen diskutierten. 

Methode: In dem EU-finanzierten Projekt CONCISE wurden in öffentlichen Beteiligungsverfahren Ansichten der breiten Öffentlichkeit zum Klimawandel und weiteren kontroversen Wissenschaftsthemen ermittelt. In Italien, Polen, Portugal, der Slowakei und Spanien wurden dafür zwischen September und November 2019 Beratungsgespräche organisiert, an denen in jedem Land hundert Freiwillige unterschiedlichen Alters, Geschlechts und kulturellem Hintergrund teilnahmen. Sieben bis zehn Personen diskutierten bei den eintägigen moderierten Veranstaltungen jeweils eine bis anderthalb Stunden über Klimawandel, Impfstoffe, gentechnisch veränderte Organismen sowie Komplementär- und Alternativmedizin. Die Studie konzentriert auf die Vorschläge zur Klimawandelkommunikation, die bei den Gesprächen gemacht wurden. 

Die Teilnehmenden wünschen sich außerdem mehr Kreativität in der Kommunikation, beispielsweise durch bessere Visualisierungen in Form von Videos und Infografiken oder Kunstausstellungen.
Die Gruppen waren heterogen zusammengesetzt, nur der der Bildungshintergrund sollte ähnlich sein, um Diskussionen zu begünstigen. Die Beratungsgespräche wurden gefilmt, transkribiert, kodiert und mithilfe einer Software qualitativ untersucht.

Ergebnisse: Was die Quelle von Informationen angeht, vertrauen Menschen in allen vier Ländern am meisten auf Wissenschaftler*innen, öffentliche Institutionen und Kommunikator*innen. In Portugal und Spanien schneiden dabei die Wissenschaftler*innen am besten ab, Slowak*innen, Italiener*innen und Pol*innen vertrauen am meisten auf Institutionen. Diese werden aufgefordert, ihre Verantwortung wahrzunehmen und korrekte Informationen zu vermitteln. Was die Wahl der Kommunikationskanäle betrifft, halten Menschen in Italien, Spanien und Portugal Fernsehen, Zeitungen und Radio für das wirksamste Mittel, um Interesse für Probleme der globalen Erwärmung zu wecken. Die Befragten schlagen deshalb vor, mehr wissenschaftliche Inhalte zur Primetime zu senden. In allen fünf Ländern betonen die befragten Bürger*innen, dass Botschaften zum Klimawandel sachlich und wahrheitsgetreu sein müssen. Außerdem fordern sie, dass die Botschaften emotional berühren, zugänglich und auf die Bedürfnisse verschiedener sozialer Gruppen abgestimmt sein sollten. Probleme und Lösungen müssten auf verschiedenen Ebenen beleuchtet werden, so die Forderung: auf der globalen, nationalen, aber auch auf der Mikroebene, die aufzeigen soll, was einzelne Bürger*innen tun können. Die Teilnehmenden wünschen sich außerdem mehr Kreativität in der Kommunikation, beispielsweise durch bessere Visualisierungen in Form von Videos und Infografiken oder Kunstausstellungen. 

Einen hohen Stellenwert räumen sie der Schulbildung ein. Kinder und Jugendliche werden als wichtige Zielgruppe angesehen. Die teilnehmenden Bürger*innen fordert außerdem sinnvolle Interaktionen zwischen Wissenschaft und der Öffentlichkeit. So sollten Bürger*innen beteiligt werden, indem sie selbst Einfluss auf andere Menschen nehmen und sogar den Fokus der Klimawandelforschung mitgestalten. 

Schlussfolgerungen: Es zeigt sich, dass die Bürger*innen in den fünf verschiedenen europäischen Ländern ähnliche Ideen zur Verbesserung der Wissenschaftskommunikation zum Klimawandel haben. Wichtig sind ihnen wahrheitsgetreue und verifizierte Informationen und eine Vielzahl von Formaten, um unterschiedlichen Zielgruppen gerecht zu werden. Für die Praxis der Wissenschaftskommunikationen geben die Ergebnisse auf mehreren Ebenen Hinweise – unter anderem auf die große Bedeutung, die der Expertise von Wissenschaftler*innen beigemessen wird, aber auch der Verantwortung von Institutionen. Relevant für die Kommunikationspraxis ist auch die Tatsache, dass sich Bürger*innen nicht als bloßes Ziel von Wissenschaftskommunikation betrachten, sondern sich aktiv beteiligen wollen, indem sie selbst Aufklärungsarbeit leisten und mit der Wissenschaft interagieren. Dieses Ergebnis kann als Anreiz dienen, Bürger*innen stärker als Akteur*innen in der Klimawandelkommunikation zu begreifen. 

Einschränkungen: Die Vorschläge der Bürger*innen können als Inspiration dienen, sind aber je nach Kontext nicht immer einfach umzusetzen, argumentieren die Autor*innen. Nur teilweise sind die Ideen mit konkreten Maßnahmen verknüpft, die ergriffen werden könnten. Die Möglichkeiten einer Umsetzung bedürften einer eigenen Analyse – ebenso die Frage, ob die Vorschläge tatsächlich die gewünschte Wirkung entfalten. Interessant wäre zu untersuchen, inwiefern sich die Teilnahme an einem solchen Prozess auf die eigene Aktivität und das Engagement im Kontext des Klimawandels auswirkt. 

Dziminska, M., Mendoza-Poudereux, I., Pellegrini, G. and Rowland, J. (2021). ‘Climate change and public perception. Citizens’ proposals for better communication and involvement’. JCOM 20 (03), A09. https://doi.org/10.22323/2.20030209

Chaos und Kritik: Was die Wissenschafts-Community während Corona bewegt

Die Corona-Pandemie hat nicht nur den Alltag vieler Menschen durcheinandergewirbelt, sondern auch gesellschaftliche Probleme zum Vorschein gebracht. Ausgehend von dieser Beobachtung hat sich Sarah R. Davies, Professorin für Technosciences, Materiality, & Digital Cultures am Institut für Wissenschafts- und Technikforschung der Universität Wien mit Äußerungen der Wissenschafts-Community auf Twitter beschäftigt. Sie interessierte dabei, welche Dynamiken Erfahrungen in der Wissenschaft prägen und wie diese kommuniziert werden. 

Methode: Die Forscherin hat Tweets aus der Zeit zwischen dem 1. März und dem 24. Juli 202 untersucht, die mit den Hashtags #AcademicTwitter oder #AcademicChatter versehen waren. Um den Datensatz überschaubar zu halten, konzentrierte sie sich vor allem auf solche mit mehr als 500 Likes. Die auf diese Weise gesammelten 547 Tweets untersuchte sie manuell. Zuerst führte sie eine thematische Analyse durch, um sich wiederholende Muster und Themen zu identifizieren. Zur Organisation des Materials und zur Entwicklung eines Code-Schemas nutzte sie eine Software. Die Analyse verband sie mit einer gezielten Erforschung der Multimodalität, also der unterschiedlichen kommunikativen Modi wie Wort, Bild, Audio und Video, die beispielsweise bei Memes verknüpft werden. 

Sarah R. Davies beobachtet, dass Gefühle von Chaos und Störungen häufig mit Humor und ironischer Selbstreflexion vermittelt werden.
Ergebnisse: Sarah R. Davies identifiziert in der Twitterkommunikation drei Schlüsselthemen: Brüche (Disruptions), Pflege (Care) und Kritik. Menschen aus der akademischen Welt berichten von einem Leben zwischen der Arbeit zu Hause, Home-Schooling und Pflege-Verantwortungen. Es zeigt sich: Einerseits ist diese Community durch die Ausrichtung aufs Forschen und Schreiben, was häufig allein stattfindet, nicht so stark von Veränderungen betroffen wie andere Berufe. Andererseits zeigen sich auch bei ihnen Brüche, beispielsweise durch ausgefallene Konferenzen, die Umstrukturierung der Lehre und das Fehlen anderer Anlässe für soziale Kontakte. Die Forscherin betont, wie stark der Produktivitätsdruck im wissenschaftlichen Feld ist. Durch zusätzliche Betreuungspflichten, pandemiebedingte Ängste oder zusätzliche Arbeit kann diese Produktivität plötzlich in Frage gestellt werden. Sarah R. Davies beobachtet, dass Gefühle von Chaos und Störungen häufig mit Humor und ironischer Selbstreflexion vermittelt werden. Dabei stellt sie fest, dass sich die Community selten über die eigene Situation beschwert, sondern eher Dankbarkeit ausdrückt und andere ermutigen und motivieren will. Sorge wird häufig in Bezug auf Studierende geäußert, die nun unter anderem mit Online-Lehre klarkommen müssen. 

Auffällig seien auch die kritischen Stimmen, die sich durch den Datensatz ziehen. Akademische Institutionen und Strukturen werden für Ungerechtigkeiten kritisiert – etwa, dass Menschen ohne die nötigen technischen Voraussetzungen benachteiligt würden.  

Schlussfolgerungen: Die Daten werfen ein differenziertes Licht auf die Situation der akademischen Sphäre in der Coronazeit. Es zeigen sich einerseits Kontinuitäten, aber auch Brüche – die unter anderem mit dem hohen Produktionsdruck zu tun haben. Fürsorge und Zuwendung innerhalb der Community werden immer wieder gefordert. Das impliziere, dass diese Aspekte sonst eher fehlen oder ihnen zu wenig Relevanz beigemessen wird, schreibt die Autorin. Gleichzeitig weisen kritische Stimmen darauf hin, dass es strukturelle und institutionelle Ungerechtigkeiten im akademischen Betrieb gibt. 

Sarah R. Davies zeigt, welche kommunikativen Strategien auf der Social-Media-Plattform Twitter genutzt werden, um einerseits über eine ungewohnte und schwierige Lage zu sprechen, Mitgefühl und Kritik zu äußern – und gleichzeitig zur Gemeinschaftsbildung innerhalb der akademischen Sphäre beizutragen. Als Kommunikations-Repertoire stehen dabei unter anderem Humor, emotionale Ehrlichkeit, Dankbarkeit und Positivität zur Verfügung. Interessant ist, dass Twitter gleichzeitig einen öffentlichen Raum darstellt, aber durch die Hashtags auch eine Community hergestellt wird. Dieser Aspekt wäre für weitere Forschungen interessant. 

Einschränkungen: Limitierend lässt sich sagen, dass die Forscherin zwar einen Einblick in die Diskussionen der akademischen Community auf Twitter gibt, aber durch die Beschränkung des Datensatzes nur einen Ausschnitt abbilden kann. Auch hat sie nur nach zwei Hashtags gesucht. Daneben gibt es weitere, die von der Wissenschafts-Community verwendet werden. Unklar bleibt, ob sich ihre Befunde tatsächlich auf die Corona-Zeit beziehen oder ob es die Kritikpunkte am akademischen System nicht auch schon vorher gab. Das könnte in einer vergleichenden Studie untersucht werden. 

Davies, S. R. (2021) Chaos, Care, and Critique: Performing the Contemporary Academy During the COVID-19 Pandemic. Frontiers in Communication. https://www.frontiersin.org/articles/10.3389/fcomm.2021.657823/full

Mehr Aktuelles aus der Forschung

„Wer glaubt mir, wenn ich sage, dass ich ein*e Wissenschaftler*in bin?“ lautet der Titel einer Studie von Tessa Roedema, Jacqueline Broerse and Frank Kupper von der Vrije Universiteit Amsterdam. Sie haben teilstrukturierte Interviews mit europäischen Wissenschaftler*innen geführt, die sich in der digitalen Öffentlichkeit mit Bürger*innen auseinandersetzen. Dabei fand das Forschungsteam heraus, dass die beabsichtigte Rolle als Wissenschaftler*in oft nicht mit dem Rollen-Repertoire übereinstimmte, das sie einsetzten. Teilweise empfanden sie die Interaktionen als hohl und den digitalen Raum als feindliches Umfeld. Die Studienautor*innen argumentieren, dass es für eine konstruktive Interaktion im öffentlichen digitalen Raum nötig ist, dass Wissenschaftler*innen sich selbst reflektieren und sich mit ihrer Rolle auseinandersetzen.

Wie kann die Qualität von Wissenschaftskommunikation verbessert werden? Ein Team um Arko Olesk von der Tallinn University hat dafür im Rahmen einer Concept-Mapping-Übung einen Qualitätsrahmen erarbeitet. Beteiligt waren 62 europäische Repräsentant*innen von verschiedenen Interessengruppen der Wissenschaftskommunikation, darunter Journalist*innen, Kommunikationsspezialist*innen und Entscheidungsträger*innen aus wissenschaftlichen Einrichtungen. Gemeinsam entwickelten sie zwölf Indikatoren, die sich in drei Dimensionen aufteilen: Vertrauenswürdigkeit und wissenschaftliche Genauigkeit, Präsentation und Stil sowie die Verbindung mit der Gesellschaft. Dieser Rahmen soll Wissenschaftskommunikator*innen dabei unterstützen, aktuelle Praktiken zu reflektieren, neue zu konzipieren und die Kommunikation zu verbessern.

Der Klimawandel sei eine Frage von Wissenschaft, Wahrheit und Fakten, hieß es in Diskussionen auf der Website „I fucking love science“ während der US-Präsidentschaftswahl 2016. Die anderen hingegen, die Leugner*innen, verstünden Wissenschaft nicht, wurde dort argumentiert. Mitihrem Artikel „Don’t they understand climate science?“ will Cristina García Casañas von der Universitat Autònoma de Barcelona dieses Narrativ in Frage stellen. Stattdessen plädiert sie dafür, einen Raum für Dialog zu öffnen und hat Kriterien für den Umgang mit dem komplexen und von Unsicherheit geprägten Klimaproblem identifiziert.

Wie wird die Corona-Pandemie in Bildern dargestellt? Das haben Ana Delicado und Jussara Rowland von der Universität Lissabon untersucht. Die beiden Soziologinnen analysierten 600 Bilder – vor allem von Websites staatlicher Institutionen, Forschungseinrichtungen sowie großer Zeitungen in Portugal und Spanien. Die Visualisierungen verglichen sie auch mit jenen anderer Viruserkrankungen wie AIDS und Grippe. Die Forscherinnen stellten fest, dass Wissenschaft immer noch durch stereotype Bilder von Labors und weißen Kitteln symbolisiert wird. Bilder aus der Intensivpflege wurden mit dem Ziel eingesetzt, verantwortungsbewusstes Verhalten anzuregen.

Welchen Zusammenhang gibt es zwischen Verschwörungsglauben und der Ablehnung wissenschaftlicher Innovationen? Dieser Frage hat sich ein Forschungsteam um Mathew D. Marques von der australischen La Trobe University gewidmet. An repräsentativen Bevölkerungsstichproben in Australien und Neuseeland hat das Team unter anderem Einstellungen gegenüber gentechnisch veränderten Lebensmitteln, Atomenergie, erneuerbaren Energien, 5G-Netzen und Impfungen für Kinder untersucht. Die Ergebnisse zeigten je nach Thema wenig bis moderat ausgeprägte Zusammenhänge zwischen der Ablehnung wissenschaftlicher Innovationen und Verschwörungsglauben.

Was können freiwillige Initiativen gegen Mythenbildung in der Covid-19-Pandemie tun? Das beleuchtet Fabíola Ortiz dos Santos von der Universität Duisburg-Essen anhand von zwei Fact-Checking-Plattformen in der Demokratischen Republik Kongo und der Zentralafrikanischen Republik, die von unabhängigen Journalist*innen geleitet werden. Diese nutzen Social-Media-Kanäle, um Missverständnisse auszuräumen und Falschinformationen zu widerlegen.