Illustration von Frederick Burr Opper, CC0

#WW17 Ausblick – Selbstkritik im Wissenschaftsjournalismus

Journalisten nehmen sich den Vorwurf „Fake News“ zu Herzen. Bei der Tagung WissensWerte in Darmstadt diskutieren sie, was sie daraus lernen können. Ist Fact-Checking das Mittel der Wahl? Und wie können Wissenschaftler dabei helfen? Journalist Alexander Mäder berichtet hier im Journal über die vielleicht letzte WissensWerte.

Man kann sich darüber wundern, wie bereitwillig Journalisten den Begriff „Fake News“ verwenden. Nicht nur, weil er ihre eigene Arbeit in Misskredit bringt und einen übertriebenen Vorwurf in den Köpfen zementiert, sondern auch, weil er unpräzise ist. Für einfache Fehler ist der Vorwurf zu groß. Aber was ist dann damit gemeint: Auslassungen, Verzerrungen, oberflächliche Darstellungen oder bewusst falsche Informationen – gar Propaganda? Oder ist es ein politischer Begriff, der ein schwer definierbares allgemeines Unbehagen mit der Arbeit vieler Redaktionen umschreibt? Eine Untersuchung des Reuters Institute for the Study of Journalism kam du dem Ergebnis, dass Menschen aus verschiedenen Ländern eine Nachricht als „fake“ bezeichnen, wenn sie ihr nicht trauen: „Fake news, many people say, is news you don’t believe.“

Doch diesen Begriff werden Journalisten nicht mehr so einfach los – so wie sich auch Wissenschaftler in einer ganz ähnlichen Krise sehen. In den letzten Wochen widmeten sich mehrere Veranstaltungen der Frage, wie die Wissenschaft verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen kann:

Da ist es nur konsequent, dass die Debatte um „Fake News“ auf der Jahrestagung des Wissenschaftsjournalismus, der WissensWerte, eine zentrale Rolle spielt. Gleich drei Sessions tragen „Fake“ oder „Lügenpresse“ im Titel. Wie es bei der WissensWerte üblich ist, soll über konkrete Strategien gesprochen werden – im Austausch mit Wissenschaftlern und Vertretern der Wissenschaftskommunikation. Es geht nicht nur darum, dem pauschalen Vorwurf der schlechten Berichterstattung zu begegnen, sondern auch darum, die journalistische Arbeit zu verbessern.

Nah am redaktionellen Alltag ist eine Session, in der falsche Behauptungen in sozialen Netzwerken zuverlässig entlarvt werden sollen. Hierzu gibt es inzwischen einige Werkzeuge und Checklisten, die verhindern, dass solche Botschaften auch noch in die klassischen Medien gelangen. In einer zweiten Session werden Wege besprochen, mit einem gestärkten Fact-Checking den falschen Botschaften im Netz entgegenzutreten und zugleich die Fehler in den eigenen Beiträgen zu finden. Können hier Journalisten profitieren, wenn sie mit Wissenschaftlern zusammenarbeiten – etwa, um die redaktionelle Arbeit durch Algorithmen zu vereinfachen?, lautet eine der Fragen. In einer dritten Session geht es um die journalistischen Standards: Hier wird selbstkritisch gefragt, ob Journalisten Forschungsergebnisse angemessen darstellen. Sollten sie nicht betonen, wie vorläufig neueste Erkenntnisse sind? Und sollten sie nicht ausführlicher begründen, warum ihre Gesprächspartner und die zitierten Studien glaubwürdig sind?

Den Auftakt macht jedoch die Autorin Katja Berlin, die für ihre „Torten der Wahrheit“ in der Zeit bekannt ist. Sie spricht über die Chancen, die sich Journalisten mit Infografiken bieten. Im Programm der Tagung sind außerdem Sessions zum Mobile Reporting, Native Advertising und zur Frage, warum die geisteswissenschaftliche Perspektive im Wissenschaftsjournalismus zu kurz kommt. Auch wissenschaftliche Sessions gehören zum Programm der WissensWerte. In diesem Jahr geht es beispielsweise um Heilpraktiker und die Industrie 4.0. Und nicht zuletzt bietet der Gastgeber, die Stadt Darmstadt, Exkursionen zu verschiedenen Einrichtungen an wie dem Kontrollzentrum ESOC der europäischen Raumfahrtagentur und dem Teilchenbeschleuniger FAIR.

Es ist gut möglich, dass die Reihe der WissensWerte in diesem Jahr nach 14 Ausgaben endet. Der Veranstalter, die Messe Bremen, und der Verband der Wissenschaftsjournalisten, die WPK, suchen schon seit einiger Zeit nach neuen Sponsoren. In den vergangenen fünf Jahren kam ein großer Teil der Mittel von verschiedenen Forschungseinrichtungen. Einige dieser Finanziers hatten sich nur für fünf Jahre verpflichtet und ziehen sich nun zurück. Bisher ließ sich die Lücke noch nicht füllen. Am fehlenden Zuspruch dürfte es nicht liegen: Die Tagungen waren in den vergangenen Jahren mit jeweils rund 500 Teilnehmern aus Journalismus, Öffentlichkeitsarbeit und Forschung immer gut besucht.

 

Alexander Mäder wird von der WissensWerte in mehreren Blogbeiträgen berichten. Die Diskussion über den Hashtag #WW17 dürfte – wie in den vergangenen Jahren auch – recht lebhaft werden. Alexander Mäder ist Mitglied der WPK und im Programmbeirat der WissensWerte.