Foto: Pixabay, CC0

Wissenschaftskommunikation: Aktuelle Fragen, viele Antworten

Welche Chancen birgt Wissenschaftskommunikation und wo liegen ihre Herausforderungen? Professor Wolfgang Heckl, Inhaber des Oskar-von-Miller Lehrstuhls für Wissenschaftskommunikation an der Technischen Universität München und Generaldirektor des Deutschen Museums in München, beschreibt diese Feld und fragt: Welche Rolle spielen Museen bei der Beantwortung dieser Fragen? Was können sie dabei leisten?

Zeitung, Museum, Wissenschaftstage oder Science Café: Es gibt viele Möglichkeiten, wie Wissenschaft und Öffentlichkeit zusammenkommen. Wie aber werden komplexe Sachverhalte aus Wissenschaft und Technik interessant und verständlich aufbereitet? Wie wird die gesellschaftliche Relevanz von Forschungsergebnissen dargestellt? Welche Ziele werden mit den einzelnen Ansätzen verfolgt? Worin liegen die Probleme eines „Public Understanding of Science“ und welche Chancen eröffnen sich durch „Dialog“ und „Citizen Science“? Mit solchen Fragen beschäftigen wir uns an meinem Lehrstuhl für Wissenschaftskommunikation an der TU München und auch im Deutschen Museum.

Experimente als direkter Zugang zur Wissenschaftskommunikation

Da die Museen als Akteure und Plattform für Wissenschaftskommunikation bisweilen im Schatten stehen von Wissenschaftsjournalismus oder Wissenschaftsmarketing, gehe ich hier etwas näher auf sie ein. Ein Museum stellt historische oder zeitgenössische Exponate im Kontext aus, basiert also auf gesammelten Objekten, ein Science Center bietet pädagogisch aufbereitete Mitmachexperimente an, die Spaß bieten sollen, aber auch belehrend wirken können. Jeder kann im Rahmen von Experimenten Erkenntnisse der Naturwissenschaften und der Technik selbst nachvollziehen. Im besten Fall (so wie in Lernwerkstätten oder in Ignition Labs) kann er auch Ideen für eigene kreative Tätigkeiten gewinnen, bis hin zu eigenen Erfindungen, die bestehende Produkte und Verfahren verbessern.

Eigene Experimente der Besucher waren von Beginn an auch im Konzept des Deutschen Museums angelegt. Museumsgründer Oskar von Miller wollte sich nicht mit der Präsentation technischer Objekte begnügen, er erkannte den pädagogischen wie den berufsstiftenden Charakter von Mitmachexperimenten, der vor allem der Jugend die Schwellenangst vor dem eigenen Gestalten nehmen sollte. Begreifen durch haptisches Begreifen im wahren Sinne des Wortes ist der Ausgangsunkt für Erkenntnis durch praktisches Tun. Darauf angesprochen, ob er die Unterhaltungsaspekte nicht überbetone, brachte Oskar von Miller einen ungewöhnlichen Vergleich: Die Leute sollen in das Deutsche Museum wie in eine Oktoberfestbude hineinströmen.

Wer eines der ältesten Mitmachexperimente im Deutschen Museum auch heute noch durchführt, wenn er mit Hanteln in den ausgestreckten Händen auf einer drehenden Scheibe die Drehimpulserhaltung direkt spürt, wenn er diese wie bei einer Pirouette drehenden Eiskunstläuferin zu sich heranzieht und sich dann schneller dreht, hat diesen physikalischen Erhaltungssatz verstanden – ganz anders, als wenn ihn der Lehrer nur an die Tafel schreibt.

Aktuelle Herausforderungen

Ziele von Wissenschaftskommunikation lassen sich in unterschiedlicher Weise fassen, so etwa im Sinne von Verständlich-Machen. Oder im Sinne einer Mitgestaltung: Dann „geht es letztlich darum, den Einsatz von Technik und die Entwicklung Neuer Technologien in einem umfassenden Prozess der Abstimmung von Interessen und Werten einerseits und technischen und wissenschaftlichen Möglichkeiten andererseits unter Einbeziehung aller interessierten gesellschaftlichen Gruppen zu gestalten“, wie es der Arbeitskreis Technikkommunikation der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech), dem ich mit angehöre, formuliert hat. So unterschiedlich diese Ziele auch sind: Sie haben alle ihre jeweilige Berechtigung, solange sie reflektiert und transparent verfolgt werden. Insbesondere muss zwischen Informations- und Beteiligungsformaten klar differenziert werden.

Bis heute funktioniert Wissenschaftskommunikation allerdings vorwiegend in eine Richtung, von der Wissenschaft zu den „Laien“. Das Akronym „PUSH“ (Public Understanding of Science and Humanities, so der Name eines 1999 vom Stifterverband aufgelegten Aktionsprogramms) scheint bis heute noch immer zu wörtlich genommen zu werden. Dagegen wäre ein „Pull“-Modus, in dem die Öffentlichkeit die Wissenschaft nach relevanten Informationen etwa zu Gesundheit, Ernährung oder Umwelt fragt, als Nachfrageorientierung und Hilfestellung bei der Orientierung im Alltag oder auch bei politischen Entscheidungen zu verstehen. Hier hat man es durchaus mit vielen verschiedenen Vorstellungen von Kommunikation zu tun: Ist das Ziel das Wecken von Interesse und Aufgeschlossenheit, Informationsvermittlung oder Mitwirkung?

Tatsächlich scheinen aber zahlreiche sogenannte Dialog-Formate bis heute verhaftet in einer Gegenüberstellung von Wissenschaft und Technik auf der einen Seite sowie Öffentlichkeit auf der anderen Seite, wobei diese weiter den Platz des Publikums einnimmt. Wie kann hier ein echter Austausch zu Neuen Technologien entstehen? Sind es immer die Gleichen, die sich hier einbringen? Was muss man wissen, um mitreden zu können? Dies sind zukünftige Herausforderungen für die Wissenschaftskommunikation im Allgemeinen – und im Speziellen für die Museen, sich hier einzubringen. In meinen Lehrveranstaltungen sind genau dies die Fragestellungen, die wir anhand konkreter Wissenschaftsthemen und Kommunikationsformate diskutieren, und für deren Beantwortung wir in unterschiedlichsten Disziplinen wie Kommunikations- und Sozialwissenschaften, Didaktik, Psychologie, Sprachwissenschaft und Wissenschaftsgeschichte wichtige Impulse finden.

Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.

M.-D. Weitze, W. M. Heckl: Wissenschaftskommunikation – Schlüsselideen, Akteure, Fallbeispiele. Springer-Verlag, 2016.