Grafik: Philipp Schrögel

Wissenschaftscomics – Was sagt die Forschung?

Comics als Form der Wissenschaftskommunikation sind ein wachsendes Feld. Dabei gibt es die Verbindung von Comics und Wissenschaftsvermittlung schon seit Langem in den USA und – noch nicht ganz so lange – auch in Deutschland. Empirische Belege für deren Wirkung liefert die Wissenschaft in verschiedenen Studien – ein Überblick.

Vor Kurzem haben wir hier über unseren Wissenschaftscomic „Geschichten aus der Zukunft“ berichtet. Damit liegen wir ganz im Trend, wie die Liste mit weiteren Beispielen unter diesem Artikel belegt. Theoretisch betrachtet liegen die Vorteile von Comics zur Wissensvermittlung auf der Hand: „Dass die unmittelbar einleuchtende Kraft der Bilder in Verbindung mit guten Geschichten neue Möglichkeiten bietet, Wissen in medial gesättigten und kulturell diversen Gesellschaften auf anregende und erfolgreiche Weise zu vermitteln“, so Urs Hangartner, Felix Keller und Dorothea Oechslin in der Einleitung zu Ihrem Band „Wissen durch Bilder: Sachcomics als Medien von Bildung und Information“. Durch Comics können neue Zugangswege zu ansonsten vielleicht eher weltfremd und uninteressant erscheinenden Themen geschaffen werden. „Das Erscheinen des Educational Comic markiert die Rückkehr zu einer Bildersprache, die gegenüber dem abstrakteren Code des Wortes die Vorzüge der Unmittelbarkeit und der Konkretion aufzuweisen scheint“, schreibt* die Literaturwissenschaftlerin Juliane Blank. Und Gene Yang führt in seinem Fachartikel „Graphic Novels in the Classroom“ die Vorteile von Comics zur Wissensvermittlung im Unterricht aus. Soweit so gut, aber gibt es nun Belege, dass Comics tatsächlich diese Hoffnungen erfüllen? Zumal auch Hangartner, Keller und Oechslin schon den Hinweis aufwerfen, dass der Sachcomic ein „Medium mit Klippen und Fallen“ ist.

Die aktuelle Forschungslage

Ja, es gibt etliche empirische Belege zur Wirkung von Wissenschaftscomics. Hier ein kurzer Ausschnitt der Forschungslage: Die Studie von John C. Olson zum naturwissenschaftlichen Lernen in der Mittelstufe belegt konkrete Verbesserungen in der Leistung der Schülerinnen und Schüler durch den Einsatz von Comics, allerdings nur für einige Teilaspekte des Curriculums. Alle Teilnehmenden gaben aber bei der Befragung an, dass sie die neue Lernerfahrung schätzten. Die Untersuchung von Gladis Rota und Juan Izquierdo zur Vermittlung von Grundlagen der Biotechnologie in Grundschulen zeigte, dass auch die Verwendung freier, eher der Science-Fiction zuzurechnenden Comic-Elemente zu einer Annäherung an das Thema und zu einem Lerneffekt führt. In der Studie von Jay Hosler und K.B. Boomer zum Einsatz von Comics in der Lehre naturwissenschaftlicher Nebenfächer an einer Hochschule, zeigte sich, dass „Comic-Geschichten klassischen Schulbüchern in nichts nachstehen und zugleich den zusätzlich möglichen Nutzen einer Verbesserung der Einstellung zu Biologie haben“. Aquiles Negrete hat einen Comic eingesetzt, um Informationen zu nachhaltiger Entwicklung an Bevölkerungsgruppen mit einem niedrigen Alphabetisierungsstand in Mexiko zu kommunizieren.

Als Fazit lässt sich sagen, dass Comics per se nicht mehr oder weniger Wissen vermitteln als klassische Schulbücher, aber den Vorteil einer höheren Motivation zur Auseinandersetzung mit dem Thema bringen, andere Gruppen erreichen können und die Einstellungen zur Beschäftigung mit Wissenschaft verbessern.

Comicworkshop: Technikzukünfte diskutieren © Philipp Schrögel
Anfang meines Comic-Fachartikels „Comicworkshop: Technikzukünfte diskutieren“, Technikfolgenabschätzung in Theorie und Praxis (TATuP), Nr. 1, 25. Jahrgang, S. 55, April 2016. © Philipp Schrögel

Wer selbst zeichnet, lernt noch mehr

Wie bei einigen der oben erwähnten Studien haben wir bei unseren „Geschichten aus der Zukunft“ nicht nur einen Comic produziert, um Informationen zu vermitteln. Stattdessen haben wir gemeinsam mit den Schülerinnen und Schülern Geschichten und Comics erarbeitet, um so in eine Auseinandersetzung mit dem Thema zu treten. Diese Nutzung des Zeichenprozesses als Dialogwerkzeug greift die Sichtweise von „Comics as a way of thinking von Nick Sousanis auf (der übrigens seine Dissertation über Comics als Comic eingereicht und veröffentlicht hat). Auch im naturwissenschaftlichen Unterricht kann (Comic-)Zeichnen eingesetzt werden, um Naturphänomene zu erschließen, wie die Erfahrungen von Markus Prechtl zeigen.

Gerade diese aktive Komponente des Einsatzes von Comics in der Wissenschaftskommunikation wird nun zunehmend eingesetzt, wie etliche Beispiele zeigen. Neben den Geschichten aus der Zukunft habe ich zuvor auch mit der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (acatech) einen Comic-Workshop zu künstlicher Fotosynthese durchgeführt. Die Kolleginnen und Kollegen des Projektes Reaching Out: Participative projects and ethical discourse on neurotechnology an der Universität Freiburg haben einen Comic-Workshop „Hirnstrips“ durchgeführt, in dem es um neuartige Neurotechnologien und die Behandlung neurologischer Erkrankungen ging. Die National Science Foundation und die National Nanotechnology Initiative in den USA rufen nun schon zum zweiten Mal zu einem Wissenschafts-Comic-Wettbewerb auf, und das Kölner Museum Schnütgen hat begleitend zu seiner aktuellen Sonderausstellung „Expedition Mittelalter“ nicht nur einen Begleitcomic veröffentlicht, sondern bietet auch offene Comic-Workshops zum Ausstellungsbesuch an.

<a href='https://blogs.helmholtz.de/augenspiegel/2014/02/klar-soweit-no-1/' target='_blank'>Helmholtz-Wissenschaftscomic No.1</a> | Bild: Veronika Mischitz/Helmholtz-Gemeinschaft, <a href="https://creativecommons.org/licenses/by-nd/3.0/de/">CC-BY-ND 3.0</a>
Helmholtz-Wissenschaftscomic No.1 | Bild: Veronika Mischitz/Helmholtz-Gemeinschaft, CC-BY-ND 3.0

Comics in wissenschaftlicher Fachliteratur

Übrigens: Auch im Wissenschaftsbereich selbst werden immer öfter Comics als Kommunikationsmittel eingesetzt. Der Verlag Taylor & Francis hat begonnen, Cartoon-Abstracts für wissenschaftliche Fachartikel zu veröffentlichen. Das renommierte Magazin Nature hat einen Comic zur Klimaforschung und den Klimaverhandlungen veröffentlicht. Es gibt einen Comic-Fachartikel zur Meeresbiologie, einen Fachartikel zur Suchtforschung mit Comic-Strips und auch ich selbst konnte schon einen Comic-Artikel über Comic-Workshops veröffentlichen.

Die Einsatzmöglichkeiten für Comics in der Wissenschaftskommunikation sind vielfältig. Die bisherigen empirischen Erkenntnisse sprechen für den gezielten Einsatz von Comics und Comic-Elementen, auch wenn nun natürlich nicht jedes Buch und jeder Begleittext durch einen Comic ersetzt werden soll. Es lohnt sich, die Entwicklung im Auge zu behalten und auch die neuen Anwendungsformen forschend zu begleiten. Wie oben versprochen, folgt im Anschluss noch eine Liste mit einigen ausgewählten Beispielen für Wissenschaftscomics.

Wissenschaftscomics mit einer engen Anbindung an Forschungsprojekte oder Wissenschaftsinstitutionen:

Wissenschaftscomics aus einem künstlerisch/literarisch/pädagogischen Kontext heraus initiiert:

Online-Wissenschaftscomics:

  • Monatlicher Helmholtz-Wissenschaftscomic „Klar Soweit?“
  • Comic-Reihe Astro-Comics
  • Comics über Natur und Wissenschaft: „Bird and Moon“
  • Die Serie xkcd ist zwar eher eine unterhaltsame Reihe aus der Nerd- und Wissenschaftskultur, enthält aber viele wissenschaftliche Informationen und Anspielungen.

Lern-Comics für den Einsatz im schulischen Kontext:

Diese Liste ist natürlich nicht vollständig, ich freue mich auf weitere Hinweise auf wichtige und interessante Beispiele in den Kommentaren.

*) Hinweis: Einige der verlinkten wissenschaftlichen Artikel sind teilweise nicht im Volltext öffentlich zugänglich und nur aus Hochschul-Netzwerken heraus oder mit einem Abonnement verfügbar.

Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.