Wissenschaftsbarometer 2017 – Kein Grund, den Kopf in den Sand zu stecken

Am gestrigen Donnerstag erschien – pünktlich zur Bundestagswahl – das neue Wissenschaftsbarometer. Die Ergebnisse der repräsentativen Bevölkerungsumfrage zu Wissenschaft und Forschung kommentiert für uns Julia Wandt, die Vorsitzende des Bundesverbands Hochschulkommunikation.

Wie sicherlich viele von Ihnen saß auch ich an den vergangenen Abenden vor dem Fernseher (respektive heute eher Laptop oder anderen mobilen Geräten) und habe Wahlsendungen wie das „TV-Duell“ oder Diskussionen zu dem Thema, wie es Deutschland geht, geschaut. „Geschaut“ ist nicht für jede Minute dieser Sendungen der alleinig zutreffende Ausdruck – häufig kam Verwunderung hinzu (über gestellte Fragen und damit gesetzte Themenschwerpunkte), manchmal auch Verärgerung (über ohne „Belege“ und Fakten aufgestellte Antworten und Behauptungen) und häufig der Wunsch nach klareren, eindeutigeren Antworten. Dies gilt selbstverständlich nicht für alle Kandidatinnen und Kandidaten, Moderatorinnen und Moderatoren sowie Fragen und Antworten – ein fader Beigeschmack haben diese Sendungen bei mir allerdings hinterlassen.

Dass 65% aller im Rahmen des aktuell erschienenen Wissenschaftsbarometers 2017 Befragten angeben, dass Wissenschaft und Forschung im bisherigen Bundestagswahlkampf nicht ausreichend berücksichtigt wurden, verwundert mich da nicht. Auch ich bin dieser Meinung. Zwar ist dies vor dem Hintergrund des Agenda Settings der Parteien im aktuellen Wahlkampf eine negative Rückmeldung, sie zeigt doch aber gleichzeitig auch, dass Bürgerinnen und Bürger wissenschaftliche Themen im Wahlkampf vermissen und es ihnen nicht egal ist, dass sie zu wenig Berücksichtigung finden (zumindest interpretiere ich dieses Ergebnis so).

Ebenso geben 58% aller aktuell Befragten an, dass sie an „Wissenschaft und Forschung“ interessiert sind. Welcher Kandidat einer Partei wünscht sich nicht eine solche Zustimmung? Zumal Themen wie „Politik“, „Kultur“, „Wirtschaft und Finanzen“ und (sogar) „Sport“ erst auf den Plätzen danach folgen. Und weiter geht es mit – mich an sich – positiv stimmenden Ergebnissen: Nur 12% aller Personen geben an, Wissenschaft und Forschung nicht zu vertrauen. Gar 81% der repräsentativ ausgewählten Befragten stimmen voll und ganz bzw. eher zu, dass der Klimawandel hauptsächlich durch die Menschen und ihr Handeln verursacht wird. Sie scheinen sich also nicht durch die Klimapolitik und öffentliche Äußerungen von Repräsentanten befreundeter großer Staaten von dieser Meinung abbringen zu lassen. Gut so. Und „nur“ 6% stimmen voll und ganz zu (+ 7% eher), dass Kinder zu impfen mehr schadet, als dass es nützt. Immerhin. Das sind immer noch 13% zu viel, es hätte aber auch schlimmer kommen können.

Worin also liegt das Problem? Beziehungsweise gibt es überhaupt ein „Problem“ in Bezug auf die Wahrnehmung und Einschätzung von Wissenschaft und Forschung durch die Öffentlichkeit? 72% der Befragten stimmen voll und ganz oder eher zu, dass sie Wissenschaft und Forschung vertrauen, weil Wissenschaftler Experten auf ihrem Gebiet sind. Für nur noch knapp über 50% ist Grund für ihr Vertrauen, dass Wissenschaftler nach Regeln und Standards arbeiten. Und nur noch 40% der Personen geben als Grund für ihr Vertrauen an, weil Wissenschaftler im Interesse der Öffentlichkeit forschen. Auch diese beiden letzten sind keine schlechten Werte – sie mahnen aber an, dass das Vertrauen in, die Verdeutlichung der Relevanz und die Unabhängigkeit von Wissenschaft und Forschung Werte sind, die bewahrt werden müssen. Von Wissenschaftlern, von den Medien, in der Wissenschaftskommunikation insgesamt und von der Politik. Das Schlimmste, was der Wissenschaft passieren kann, ist, dass man ihr nicht mehr vertraut. Dazu zähle ich auch, dass man sie nicht mehr wichtig findet. Und „Werte bewahren“ schreibt sich immer so leicht – das ist aber harte Arbeit. Deswegen sollten Ereignisse von besonderer (medialer) Aufmerksamkeit – zu denen ich z. B. auch Bundestagswahlkämpfe noch zähle – von allen genannten Gruppen genutzt werden, um mit Fakten und Belegen zu arbeiten und die Bedeutung von Wissenschaft und Forschung hervorzuheben. Und Wissenschaft und Forschung selbst zu einem wichtigen Wahlkampfthema zu machen und Stellung zu beziehen, wäre ein weiteres positives Signal.

Ich sehe die Ergebnisse des Wissenschaftsbarometers also positiv. Sicherlich lassen sie sich an der einen oder anderen Stelle auch anders interpretieren – aber das kann man immer, und das ist auch wichtig. Insgesamt aber hoffe ich, dass eine positive Interpretation der aktuellen Einstellungen der Bürgerinnen und Bürger als Motivation dafür gesehen wird, alles dafür zu tun, die von Markus Weißkopf im Editorial zitierten „Expertenfeindlichkeit und fake news“ weiterhin nicht die Oberhand gewinnen zu lassen.