Foto: Fraunhofer IAIS, CC BY-NC-ND 3.0

Open Roberta – spielerisches programmieren!

Roberta bringt Licht in den „Nerd-Keller“.  Was hinter diesem Teacher-Trainingsprogramm und der Cloud-Plattform „Open Roberta“ steckt, erklärt in einem Gastbeitrag Elena Zay vom Fraunhofer IAIS.

Bei Facebook rät eine Amerikanerin im Januar 2016 ihren Enkelinnen, mit dem Nerd in der Schule auszugehen. Er könne schließlich der nächste Mark Zuckerberg sein. Der Facebook-CEO reagiert prompt persönlich. „Besser noch wäre es, sie zu ermutigen, der Nerd in der Schule zu sein“, schreibt Zuckerberg, „dann können aus ihnen die nächsten erfolgreichen Erfinderinnen werden.“

Zuckerbergs Auffassung teilen inzwischen eine Menge Akteure aus Politik, Wirtschaft und Bildung. Zahlreiche Projekte und Initiativen verfolgen das Ziel, „Nerd sein“ salonfähig zu machen. Vor 15 Jahren gingen Fraunhofer-Wissenschaftlerinnen und -Wissenschaftler dafür mit der Roboter-Dame „Roberta“ an den Start.

Mit Open Roberta lernen Schüler spielerisch programmieren. Foto: Fraunhofer IAIS

Was als ein BMBF-Förderprojekt begann, zählt heute zu einer der größten MINT-Initiativen Deutschlands. Angesichts des Fachkräftemangels in technisch-naturwissenschaftlichen Bereichen verfolgt „Roberta – Lernen mit Robotern“ das Ziel, das Bildungssystem zu verändern und mehr Medienkompetenz auf den Lehrplan zu bringen.

 

Roboter- und Programmierkurse an Schulen

„Vorurteile und Berührungsängste erschweren vielen den Zugang zu neuen Technologien“, erzählt Thorsten Leimbach, Leiter der Roberta-Initiative am Fraunhofer IAIS. Er plädiert für ein Update des allgemein vorherrschenden Bildes des alleine agierenden und fast immer männlichen „Nerds“. „Wir suchen stetig nach Wegen, das Programmieren als Fertigkeit zu kommunizieren, die jeder erlernen kann – ähnlich wie eine Fremdsprache.“

Die Initiative setzt auf Aktivitäten und Entwicklungen, die vor allem Schulen und Lehrkräfte dabei unterstützen sollen, Grundlagen des Programmierens zu vermitteln: Vom Fraunhofer IAIS akkreditierte Coaches bilden Lehrerinnen und Lehrer zu „Roberta-Teachern“ aus, die an Schulen Roboter- und Programmierkurse anbieten.  Weiter hat die Initiative im Jahr 2014 mit dem „Open Roberta Lab“ eine offene Programmierplattform initiiert, die es Nutzerinnen und Nutzern erlaubt, kostenfrei im Internet reale Roboter und Hardware zu programmieren: zum Beispiel Modelle von „LEGO Mindstorms“, den Mikrocontroller „Calliope mini“ und weitere Systeme aus dem Bereich der Bildungsrobotik.

Schüler beider Geschlechter sollen angesprochen und mit Open Roberta für das Programmieren begeistert werden. Foto: Fraunhofer IAIS

Eine der größten Herausforderungen ist dabei, die Bedeutung von technischen Kompetenzen im Unterricht zu etablieren. „Anders als zum Beispiel in Großbritannien, wo das Fach Computing seit 2014 für Schulkinder von 5 bis 14 Jahren Pflicht ist, ist das Programmieren wie auch das Fach Informatik noch nicht in allen Bundesländern im Lehrprogramm verankert“, berichtet Leimbach.

„Nicht die Nutzung muss gefördert werden, sondern das Gestalten“

Zur Zeit ist allerdings nicht einmal der sichere Umgang mit Computern selbstverständlich – geschweige denn tieferes Know-how. Laut einer Studie der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) von 2016 hatten nur etwa sechs Prozent aller 16- bis 65-jährigen Testpersonen in Deutschland sehr gute Computerkenntnisse. Weitere 29 Prozent befanden sich im Mittelmaß und der Rest hatte schlechte bis gar keine Computerkenntnisse.

„Vor allem Mädchen und junge Frauen scheuen oft vor technischen Themen zurück“, sagt Leimbach. Roberta-Lern- und Lehrmaterialien seien deshalb nicht nur einstiegs- sondern vor allem gendergerecht gestaltet. „Bei der Aufgabe, Roboter zu Rennautos zu programmieren, steigen viele Mädchen erfahrungsgemäß schnell aus“, erzählt Leimbach. „Anders ist es, wenn der Roboter zum Beispiel eine Bergung simulieren oder andere Rettungsaufgaben übernehmen soll – je nach Thematik also fühlen sich sowohl Mädchen als auch Jungen angesprochen und begreifen, wie scheinbar abstrakte Inhalte Wirklichkeit werden.“

Open Roberta Lab als Programmierplattform ohne technische Hürden

Trotz wachsendem Fortbildungsbedarf muss sich die Roberta-Initiative immer wieder mit Hindernissen auseinandersetzen. „Als wir 2011 mit der Entwicklung der Programmierplattform Open Roberta begannen, verfolgten wir vor allem das Ziel, technische Hürden für Schulen zu minimieren“, erklärt Leimbach und führt weiter fort: „Keine Installation, keine Updates – Schulen können sich die mühseligen administrativen Aufgaben sparen.

Voller Begeisterung verfolgen Schülerinnen wie ein Roboter die von ihnen programmierten Befehle ausführt und eine definierte Strecke entlang fährt. Foto: Fraunhofer IAIS

Dabei haben wir allerdings den Fortschritt der digitalen Infrastruktur an Deutschlands Schulen überschätzt. Wir sind davon ausgegangen, dass der Ausbau und die Verbreitung einer guten Internetverbindung deutlich schneller vorangehen.“

In der Zwischenzeit bietet die Initiative allen Lernorten ohne stabile Internetverbindung durch die Einrichtung von Locale-Servern Alternativen für die Offline-Nutzung an. „Das ist für weniger Fachkundige zwar möglich, aber noch etwas umständlich“, so Leimbach. Nach wie vor sei Open Roberta in erster Linie eine Webanwendung, die das Arbeiten von unterschiedlichen Geräten oder Standorten aus ermögliche.

Bis zu 500 neue Roberta-Teacher werden 2017 ausgebildet

Bei der Weiterentwicklung des „Labs“ und der Ausbildung der Lehrkräfte wird die Initiative von Partnern aus dem öffentlichen Sektor und der Wirtschaft unterstützt. In 2017 werden rund 500 neue Roberta-Teacher ausgebildet und zahlreiche Schulen mit Lernhardware ausgestattet.

Allein in Berlin kann die Initiative im Rahmen eines „eEducation“-Leitprojekts des Berliner Senats in Zusammenarbeit mit der Calliope gGmbH und Google 100 neue Roberta-Teacher zertifizieren und deren Schulen mit Klassensets des Calliope mini versorgen. Bei dem Calliope handelt es sich um eine Platine, die mit einem Mikroprozessor, Sensoren und weiteren Elementen ausgestattet ist. Mit dem Mini-Computer haben Kinder ab der dritten Klasse die Möglichkeit, technische Grundlagen zu lernen und erste Programme im Open Roberta Lab zu erstellen.

„Dieses ,Berliner Modell‘ zeigt, wie die Zusammenarbeit mit Partnern aus unterschiedlichen Bereichen bei der Ausstattung und Ausbildung von Schulen helfen kann“, berichtet Leimbach. Bereits seit 2011 unterstützt zum Beispiel Google.org, der philanthropische Arm des Internetdienstleisters, die Roberta-Initiative bei der Entwicklung und Verbreitung der Programmierplattform. „Bei der Zusammenarbeit mit Wirtschaftsunternehmen werden vor allem Bildungsprojekte kritisch beäugt – das ist auch notwendig, um nicht allen Interessenten Tor und Tür zu öffnen“, sagt Leimbach. Entsprechend wichtig sei ein offener und transparenter Umgang mit den Roberta-Aktivitäten. Das Open Roberta Lab liege als Cloud-Anwendung ausschließlich auf Fraunhofer-Servern. Daten würden allenfalls anonymisiert für veröffentlichte Nutzungsstatistiken gesammelt und nicht etwa an Dritte weitergegeben.

Einblick in die Welt der Pixel und Bytes

Open Roberta wird Open Source entwickelt, der Quellcode steht frei im Internet zur Verfügung. Ob zur Nutzung oder Weiterentwicklung – die Programmierplattform ist offen für alle. „Wir laden jeden ein, Vorschläge für die Verbesserung und Erweiterung zu liefern oder sogar daran mitzuarbeiten“, sagt Leimbach. „Die Digitalisierung schreitet weiter voran. Wir wollen hier unseren Beitrag leisten. Letztlich wäre es schön, wenn nicht nur Mädchen und Jungen lernen, dass jede und jeder von ihnen als Nerd den Startschuss für die nächste große Erfindung geben kann. Mit Roberta und Open Roberta sollen auch Auszubildende, Studierende und Erwachsene möglichst vieler Berufsgruppen einen aktiven Einblick in die Welt der Pixel und Bytes erhalten.“

Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.