Foto: Florian Freistetter

Im Profil: Florian Freistetter

Als Blogger, Buchautor und Podcaster erzählt Florian Freistetter, warum die Astronomie so faszinierend ist. Auch als Kolumnist und Journalist berichtet er über wissenschaftliche Themen und als Teil der Wissenschaftskabarettgruppe „Science Busters“ bringt er die Astronomie auf die Theaterbühnen des deutschsprachigen Raums.

Wir streichen den Satz „Es hat sich alles so ergeben…“ und wollen wissen, warum Sie tun, was Sie heute tun.

Foto: Florian Freistetter

Was ich *heute* tue? Heute sitze ich gerade in Wien, war in der Stadt unterwegs und habe (erfolglos) probiert ein Frühstücksbrettchen aus Holz zu besorgen und danach meine blonde Langhaarperücke frisiert und mein blaues Kleid ausgebürstet das ich am Abend auf einer Theaterbühne tragen werde. Wie soll man einen Lebenslauf erklären, der zu DIESER Situation geführt hat? Frühstücksbrett, Perücke und Kleid sind nämlich tatsächlich Teil meines Jobs; Teil meiner Arbeit als Wissenschaftsvermittler und dienen mir heute Abend dazu, der Öffentlichkeit ein wenig über Astronomie zu erzählen. Angefangen hat alles ganz harmlos und konventionell: Ich habe Astronomie studiert, meinen Doktor gemacht, als Astronom an den Sternwarten von Wien, Jena und Heidelberg gearbeitet. Mich hat aber immer schon nicht nur die Forschung alleine interessiert, sondern auch die Vermittlung der Forschung an die Öffentlichkeit. Das eine ist für mich mindestens so wichtig wie das andere – Wissenschaft muss nicht nur betrieben, sondern auch kommuniziert werden. Im Laufe der Zeit habe ich aber festgestellt, dass man im derzeitigen wissenschaftlichen System nicht beides in gleicher Intensität betreiben kann. Engagement für die Öffentlichkeitsarbeit wird bei der Beurteilung wissenschaftlicher Karrieren immer noch viel zu wenig gewürdigt weswegen es sich kaum jemand leisten kann, allzu viel Zeit darauf zu verwenden. Ich habe dann irgendwann entschieden mich ganz der Wissensvermittlung zuzuwenden und mich als Wissenschaftsautor selbstständig gemacht. Zuerst „nur“ als Autor meines Wissenschaftsblogs „Astrodicticum Simplex“. Das funktionierte gut; wenn man Wissenschaft vernünftig darbietet, dann findet man auch immer ein großes Publikum. Dass sich die Öffentlichkeit nicht für Wissenschaft interessiert ist nur ein Mythos, wie ich immer wieder feststelle. Im Laufe der Zeit kamen Anfragen von Zeitungen und Verlagen und ich habe meine Autorentätigkeit auch auf journalistische Produkte und Bücher ausgeweitet. Und vor ein paar Jahren bin ich dann durch eine Verkettung seltsamer Umstände Teil der Wissenschaftskabarettgruppe „Science Busters“ geworden. Jetzt erzähle ich auch auf Theaterbühnen und in Fernsehsendungen über Wissenschaft und habe sehr großen Spaß daran. Und was ist mit Frühstücksbrett, Kleid und Perücke? Die brauche ich für unsere aktuelle Bühnenshow zum Thema „Winter is coming – Die Wissenschaft von Game of Thrones“. Ich gebe die „Mutter der Drachen“, Khaleesi Daenerys Targaryen (darum das Kleid und die Perücke) und erkläre dem Publikum Chaostheorie, Himmelsmechanik und benutze das Frühstücksbrett um mittels chemischer Experimente die Unmöglichkeit einer 200 Meter hohen Mauer aus Eis zu demonstrieren. Das mag ein wenig absurd klingen aber das schöne und überraschende daran ist: Es funktioniert wunderbar! Ich habe keine Ahnung, wie diese Karriere tatsächlich zustande gekommen ist – aber ich bin äußerst glücklich darüber. Es gibt nichts Schöneres als zu sehen, dass Wissenschaft eben DOCH geeignet ist, um Menschen nicht nur zu informieren, sondern auch zu unterhalten.

Besteht Ihr beruflicher Alltag aus dem, was Sie am besten können oder am liebsten tun?

Mein beruflicher Alltag besteht (so gut wie immer zumindest) aus Dingen die ich sehr, sehr gerne mache. Ich bilde mir ein und hoffe, dass das auch die Dinge sind, die ich am besten beherrsche. Ich muss sie auf jeden Fall gut genug beherrschen um mein Publikum ausreichend stark zu begeistern um damit meinen Lebensunterhalt finanzieren zu können. Bis jetzt funktioniert das recht gut und das bestärkt mich bei meiner Arbeit. Früher, als ich noch als „normaler“ Wissenschaftler gearbeitet habe, war ich natürlich auch sehr fasziniert von meinem Forschungsgebiet. Das trifft vermutlich für alle Forscherinnen und Forscher zu: Faszination und Neugier sind es, die uns antreiben und der dringende Wunsch, das Universum besser zu verstehen als zuvor. Aber im normalen Wissenschaftsbetrieb ist es im Allgemeinen nicht so wichtig, diese Faszination auch zu vermitteln. Es reicht, wenn man in Forschungsförderungsantragen darlegen kann, warum man für seine Arbeit bezahlt werden sollte. Aber WENN man von etwas zutiefst fasziniert ist, dann macht es normalerweise auch sehr, sehr großen Spaß diese Faszination öffentlich auszuleben. Ich finde das Universum großartig und höchst spannend und würde am liebsten den ganzen Tag und allen Menschen davon erzählen und sie an meiner Faszination teilhaben lassen. Als Wissenschaftler konnte ich mir das nicht oder nur kaum leisten. Jetzt ist genau das der Job, mit dem ich meinen Lebensunterhalt bestreite. Was könnte besser sein?

Was ist Ihrer Meinung nach die Kernaufgabe der Kommunikation über Wissenschaft?

Ich glaube nicht, dass es eine einzelne „Kernaufgabe“ gibt. Wenn man es ganz allgemein betrachtet, dann kann man zwei Punkte festhalten. 1) Wir leben in einer Welt die so stark von den Erkenntnissen der Wissenschaft geprägt ist wie nie zuvor. 2) Je besser die Gesellschaft über die Erkenntnisse der Wissenschaft Bescheid weiß, desto informierter (und tendenziell besser für alle) sind die Entscheidungen die sie treffen kann. Daraus folgt die triviale Erkenntnis, dass es IMMER gut ist, wenn man Wissenschaft kommuniziert. An der Bedeutung der Wissenschaftskommunikation ändert die Trivialität dieser Motivation aber nichts. Wir stehen als Gesellschaft vor jeder Menge Probleme die gelöst werden müssen: Klimawandel, Energiewende, medizinische Forschung, Einsatz von Gentechnik usw. Das sind vor allem auch Themen, die nicht nur von Wissenschaftlern, sondern auch von Politikern entschieden werden. Wenn nun aber die Öffentlichkeit, die ja – zumindest theoretisch – durch ihre Meinung die politischen Entscheidungen prägt keine Ahnung von den wissenschaftlichen Grundlagen hat, dann gibt es ein Problem. Dann werden die Entscheidungen von Lobbygruppen getroffen, von Politikern die keine Ahnung haben, von irgendwem – aber nicht von denen, die es eigentlich angeht und betrifft. Ich glaube aber gar nicht, dass man zur Rechtfertigung der Wissenschaftskommunikation soweit gehen muss. Ich bin immer wieder überrascht, dass die Wissenschaft so zweckgebunden betrachtet und vor allem aus dem allgemeineren Begriff der „Kultur“ ausgeklammert wird. Genauso wie viele Menschen Freude, Inspiration, Trost, Unterhaltung und jede Menge andere für uns Menschen wichtige Emotion aus der Literatur, der Musik oder der Kunst beziehen, beziehen viele andere Menschen all das aus den Erkenntnissen der Wissenschaft. Zu wissen, wie das Universum entstanden ist; zu wissen wie ein Stern funktioniert; zu wissen wie das Auge eines Insekts so wurde wie es ist; zu wissen warum der Himmel blau, die Bäume grün und der Regen nass ist: All das ist nicht nur eine wissenschaftliche, sondern auch eine kulturelle Leistung und erfüllt den gleichen Zweck wie ein Buch, eine Symphonie oder ein Gemälde. Die Welt verstehen zu wollen ist eine zutiefst menschliche Eigenschaft und unsere Neugier hat uns zu dem gemacht, was wir heute sind. Es ist schlicht und einfach enorm schade, dass so viele Menschen so wenig Anteil an den großen kulturellen Leistungen der Wissenschaft haben (können) und es ist die wichtigste Aufgabe der Wissenschaftskommunikation das zu ändern.

Florian Freistetter beantwortete die Fragen am 18. März 2017 vor seinem Auftritt mit den Science Busters in Wien.