Screenshot: Instagramaccount der NASA, Foto: NASA, CC0

„Doktoranden, fangt einfach an zu kommunizieren!“

Bei Twitter anmelden oder einen Blog starten – der Einstieg für Wissenschaftler in die Kommunikation ging nie schneller. Doktoranden und Postdocs sind als große Gruppe in den Wissenschaften und gleichzeitig oft digital Natives eine ideale Besetzung für die Wissenschaftskommunikation. Der Kommunikationstrainer und wissenschaftliche Leiter des Nationalen Instituts für Wissenschaftskommunikation Tobias Maier gibt Tipps im Interview.

Herr Maier, „Increasing Impact: How to Communicate Science to Non-Specialist Audiences“ heißt Ihr Vortrag bei der  N² Science Communication Conference der Doktorandennetzwerke von Helmholtz, Leibniz und Max Planck. Warum sollten Doktoranden ihren Einfluss auf Nichtwissenschaftler erhöhen?

<b>Tobias Maier</b> ist wissenschaftlicher Leiter des <a href="http://www.nawik.de/" target="_blank">Nationalen Instituts für Wissenschafts-kommunikation</a>. Der promovierte Biologe leitet außerdem als Trainer Kommunikations-seminare für Wissenschaftler. Foto: Tim Wegner, <a href='http://www.nawik.de/' target='_blank'>NaWik</a>
Tobias Maier ist wissenschaftlicher Leiter des Nationalen Instituts für Wissenschafts-kommunikation. Der promovierte Biologe leitet außerdem als Trainer Kommunikations-seminare für Wissenschaftler. Foto: Tim Wegner, NaWik

Wissenschaftler publizieren, um Aufmerksamkeit und Anerkennung für ihre Forschung zu bekommen. Die Zitatquote gilt da in der Wissenschaft als Währung der Wertschätzung. Wer häufiger zitiert wird, wird mehr wahrgenommen und das ist auch gut für die Karriere. Doch Publikationen und Zitatquoten gelten nur in der wissenschaftlichen Welt. Einen gesellschaftlichen Einfluss können junge Wissenschaftler mit ihrer Forschung nur nehmen, wenn sie auch allen anderen erklären, was sie tun und warum. Und es gibt viele gute Gründe dafür. Um nur drei zu nennen:

  1. Die meisten Forschungsprojekte werden mit öffentlichen Geldern finanziert. Wir als Wissenschaftler können mit Wissenschaftskommunikation der Gesellschaft etwas zurückgeben, indem wir die Ergebnisse teilen. Ein Paper zu schreiben reicht aber nicht aus. Trotz der Open-Access-Bewegung, sind viele Publikationen noch nicht öffentlich zugänglich und selbst wenn sie es sind, ist ihre Sprache für viele Außenstehende schwer verständlich. Darum müssen wir nicht nur teilen, sondern auch erklären.
  2. Die Sozialen Medien sind ein Spielfeld, auf dem jeder mitspielen kann und das tun auch Pseudowissenschaftler, Verschwörungstheoretiker und Wissenschaftsgegner. Das kann mich als Wissenschaftler motivieren, hier selbst aktiv zu werden und mit Forschungsergebnissen ein Gegengewicht dazu zu bilden.
  3. In vielen Projektausschreibungen wird inzwischen Wert auf den Vermittlungsaspekt zu Forschungsvorhaben gelegt. Um Mittel zu akquirieren reicht es nicht nur, eine gute Idee zu haben. Es wird beispielsweise gefordert, dass dazu direkt ein Kommunikationskonzept vorgelegt wird, um die öffentliche Wahrnehmung des Projektes zu steigern.

Und auch diese öffentliche Wahrnehmung kann man messen. Wie viele Likes, Klicks oder Views bekomme ich mit meinen Inhalten? Das kann auch für die Karriere junger Wissenschaftler wichtig sein.

Welche Werkzeuge geben Sie den Teilnehmenden dafür in Ihrem Vortrag an die Hand?

Als gutes Grundlagenmodell stellen wir vom Nationalen Institut für Wissenschaftskommunikation (NaWik) gerne den NaWik-Pfeil vor. Er beschreibt fünf Dimensionen von Wissenschaftskommunikation in dieser Reihenfolge:

  • Das Ziel: Hier muss ich mir als Wissenschaftler überlegen, was ich erreichen möchte. Möchte ich ein Bindeglied zwischen Wissenschaft und Gesellschaft sein und Wissen teilen? Dann muss meine Strategie sein, schnell möglichst viele Leser zu erreichen. Möchte ich Pseudowissenschaftler widerlegen? Oder möchte ich mehr Forschungsmittel bekommen? Oder einfach nur Spaß haben?
  • Die Zielgruppe: „Die Öffentlichkeit“ als Zielgruppe ist zu weit gefasst. Es hilft, sich zu verdeutlichen, wen ich tatsächlich erreichen kann und möchte. Das ist auch abhängig von meinen Zielen, dem Kommunikationsmedium und dem Stil.
  • Das Medium: Durch den Medienwandel ist es sehr einfach möglich, verschiedene Medien auszuprobieren und so das passende Format zu finden. Der eigenen Youtube-Kanal, Twitter-Account, Facebookseite, Instagram, Blog oder Podcast – die Eintrittshürden sind denkbar niedrig
  • Der Stil: Wissenschaftler sind gewohnt, sachlich über ihre Themen zu berichten. Gute Wissenschaftskommunikation ist mehr als nur verständlich zu erklären. Wer die sachliche Wohlfühlecke verlässt und emotional oder wertend Stellung bezieht, erreicht häufig mehr. Der Kommunikationsstil muss natürlich auch dem Medium angepasst werden.
  • Das Thema: Inhaltlich gibt es hier keine Grenzen. Jedes Jahr erscheinen alleine im biomedizinischen Bereich 1,3 Millionen Paper. Das nur als Beispiel für die Menge an Themen zu denen man kommunizieren kann. Ich kann zum Beispiel von einem Forschungsschiff aus kommunizieren und der Welt erklären, was wir jeden Tag dort machen. Ich kann natürlich auch zu aktuellen Themen in den Medien aus Sicht eines Wissenschaftlers Stellung nehmen. Inhaltlich ist ja jeder frei und nicht an sein oder ihr Fachgebiet gebunden.
Der Nawik-Pfeil © Nationales Institut für Wissenschaftskommunikation
Der Nawik-Pfeil © Nationales Institut für Wissenschaftskommunikation

Wie vermitteln Sie den Doktoranden, die sehr viel Zeit mit Forschung verbringt, dass es sich trotzdem auch lohnt, zusätzlich Zeit zum Kommunizieren einzuplanen?

Wenn sich zum Beispiel zwei Nachwuchswissenschaftler auf eine Stelle bewerben, die von der wissenschaftlichen Qualifikation und auch den Forschungsideen her gleich gut sind, dann kann die Kommunikationsfähigkeit für eine Berufungskommission entscheidend sein. Die entscheidet nicht nur nach wissenschaftlichen Gesichtspunkten, sondern auch danach, wer besser für die Außenwirkung der Fakultät ist. Manche Doktoranden sagen auch selbst, dass es für sie als Wissenschaftler wichtig ist, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Trotzdem muss jeder für sich persönlich eine Motivation finden. Das kann sein, die Förderer zufriedenzustellen, der Spaß an der Kommunikation, Anerkennung außerhalb der wissenschaftlichen Welt oder auch sich selbst zu promoten.

Außerdem eröffnet es völlig neue Berufsperspektiven. Es wäre fast verantwortungslos, diese Möglichkeiten links liegen zu lassen. Ein kleiner Teil der Doktoranden bleibt langfristig in der Forschung und finden dort eine feste Stelle. Die anderen müssen sich weiter orientieren. Die Fähigkeit, Probleme zu lösen, logisches Denken, Stressresistenz, und Kommunikation – das sind alles Fähigkeiten, die diese Leute neben ihren wissenschaftlichen Erkenntnissen bei so einer Doktorarbeit erlernen. Das vergessen sie aber oft zu erwähnen. Auch wissenschaftliche Institutionen gehen mehr und mehr dazu über, den wissenschaftlichen Nachwuchs breiter vorzubereiten.

Was versprechen Sie sich für die Wissenschaftskommunikation insgesamt davon, mit der Zielgruppe der Doktoranden zu arbeiten?

Doktoranden sind Wissenschaftler und sie machen nicht nur eine große Gruppe an den Universitäten und Instituten aus, sondern sie leisten auch etwas. Sie haben lange studiert und haben Talent für die Wissenschaft. Zusätzlich gehen sie ganz anders an das Thema Wissenschaftskommunikation heran. Da merkt man den Medienwandel sehr stark. Während vor zehn Jahren Blogs fast das einzige Kommunikationsmedium waren, läuft inzwischen viel auf anderen Kanälen, wie zum Beispiel YouTube, Facebook und Instagram.

Welche drei Tipps geben Sie einem Doktoranden für den Start in die Wissenschaftskommunikation mit?

Einfach anfangen, ist der erste Tipp. Die Hürden sind so niedrig wie nie und man kann auch unter Pseudonym beginnen, wenn man erstmal herausfinden möchte, welche Art der Kommunikation einem am meisten liegt.

Wenn jemand hauptberuflich Wissenschaft kommunizieren möchte, gibt es zwei Wege. Der erste Weg ist der in den Wissenschaftsjournalismus. Journalisten haben es aber nicht einfach, weil durch den Medienwandel die Geschäftsmodelle der Verlage leiden, mit der Folge, dass Stellen abgebaut werden und freie Journalisten viel Konkurrenz haben und wenig verdienen. Der zweite Weg ist der in die professionelle Wissenschaftskommunikation, also Wissenschafts-PR. Da sehe ich derzeit viele Veränderungen. Klassische Pressestellen an Unis und Instituten werden zu Kommunikationsabteilungen, die vielseitig über neue Medien kommunizieren und Veranstaltungen organisieren. Ich glaube, es ist oft einfacher Wissenschaftlern beizubringen, wie man gut kommuniziert, als jemandem, der aus der PR kommt, zu erklären, was genau an dem eigenen Forschungsinstitut gemacht wird. Darum gibt es hier viele Chancen.

Ein dritter Tipp sind Tagungen und Konferenzen als Einstieg und Orientierung. Da gibt es beispielsweise das Forum Wissenschaftskommunikation, die Wissenswerte oder die ScienceComm in der Schweiz. Da kann man super netzwerken, Leute fragen und mit Kommunikatoren sprechen.