Foto: Sindre Aalberg, CC0 1.0

Babylon ist überall: Schlüsselbegriffe einer SciComology

Wissenschaftskommunikation ist ein schillernder Begriff. Wer was damit meint unterscheidet sich teils erheblich. Stefan Bauernschmidt versucht in seinem Gastbeitrag Licht ins Dickicht dieses Begriffsdschungels zu bringen und zentrale Begrifflichkeiten zu unterscheiden.

Wissenschaftskommunikation wird zunehmend wichtiger in modernen Wissensgesellschaften. Sie hat sich in praktischer und theoretischer Hinsicht etabliert, konsolidiert und professionalisiert. Mehr und mehr wird sie zu einem lehr- und lernbaren Berufsfeld. Zugleich liefert der Ausdruck die konzeptuelle Klammer für die mannigfaltigen Phänomene der intra-, inter- und extrawissenschaftlichen Kommunikationen und es taucht am Horizont des akademischen Diskurses eine neue Disziplin für dieses Forschungsfeld auf: Wissenschaftskommunikationswissenschaft. Wissenschaftskommunikation scheint alles zu sein. Indes gibt es weitere Schlüsselbegriffe wie Wissenschaftspopularisierung und Öffentliche Wissenschaft. Wie aber werden diese im akademischen Diskurs verwendet? Die Beantwortung dieser Frage verfolgt den Zweck, ein terminologisches Tableau zu errichten, das sich durch eine gewisse Eindeutigkeit und Übersichtlichkeit auszeichnet. Denn Verständigung über komplexe Themen gelingt mehr oder weniger erst dann, wenn zentrale Begriffe geklärt worden sind.

1. Wissenschaftspopularisierung

Wissenschaftspopularisierung lieferte der älteren, wissenschaftshistorischen Forschung das maßgebliche Begriffsverständnis und meint “the transmission of scientific knowledge from scientists to the lay public for purposes of edification, legitimation and training.1 Die strikte Trennung der Kommunikationspartner kennzeichnet Wissenschaftspopularisierung. Die scientific community hier und auf der anderen Seite eine Laien-Öffentlichkeit. Diese ist ein undifferenziertes, unspezifisches, passives, atomisiertes Publikum; zusammengefasst zu einer scheinbar homogenen Gruppe über das defizitäre Merkmal, zu wenig über Wissenschaft und deren Ergebnisse zu wissen. Kurios angesichts der Tatsache, dass sämtliche Lebensbereiche mit wissenschaftlichen Errungenschaften durchdrungen sind. Diese Verwissenschaftlichung der Gesellschaft bildet den unhinterfragten Ausgangspunkt für sämtliche populärwissenschaftliche Maßnahmen. Hier dominieren Wissensasymmetrien. Einem bestimmten Personenkreis (Experten) wird die exklusive Erzeugung wissenschaftlichen Wissens anvertraut, der es durch Wahrheits- bzw. Fachkommunikation generiert. Laie ist, wer nicht über die formale hochschulische Bildung und professionelle Erfahrung verfügt. Kurz, Wissenschaftspopularisierung lässt sich durch eine Experten-Laien-Kommunikation charakterisieren. Die Massenkommunikation mit seiner Breitenwirkung und seinem Multiplikationseffekt ist Kommunikationsmodell der Wahl und dient v.a. dazu zu informieren. Nicht zuletzt haben sich an den Umstand, dass Popularisierung derartigen Wissens mit Simplifizierung verbunden ist, negative Konnotationen geknüpft: Popularisierte Wissenschaft sei seicht und qualitativ schlecht.

Das modernere, in wissenschaftshistorischen und -soziologischen wie in kultur- und kommunikationswissenschaftlichen Kontexten gebrauchte Konzept der Wissenschaftspopularisierung zielt darauf ab, die Engführungen jenes ersten Begriffs zu überwinden und diesen neu zu fassen als “transmission of intellectual products from the context of their production to other contexts (…) term needs to be broadened to include all communication to non-specialists which involves transformation.2 Dies geht über in den Begriff der externen Wissenschaftskommunikation.

2. Öffentliche Wissenschaft

Heinz Haber prägte in den 1960ern den Begriff Öffentliche Wissenschaft. Von den seit dem 19.Jahrhundert andauernden Bemühungen der Wissenschaftspopularisierung versuchte er sich abzukehren, da diese nur zu einer gegenüber der Fachwissenschaft schmalspurigen und zweitrangigen Populärwissenschaft führe. Daher verwendete er jenen neuen Begriff. Darunter ist die Erkenntnis zu verstehen, „daß die Naturwissenschaften und die Anwendung ihrer Ergebnisse auf unser Schicksal eine Sache der Öffentlichkeit geworden sind.“3 Aus einem eher passiven, atomistischen Konsument ist konzeptuell ein verantwortungsvoller, in diverse Gruppierungen eingebetteter Bürger geworden, der durch eine verständlich aufbereitete Form wissenschaftlicher Ergebnisse sein „eigenes Schicksal (…) in die Hand nehmen kann.“4 Darum gehöre es zu den Pflichten eines Wissenschaftlers, die Öffentlichkeit über die Forschungsarbeiten zu unterrichten. Rief dieser Begriff damals kein großes Echo hervor, ist er seit den späten 90ern en vogue; verquickt mit der Vergesellschaftung der Wissenschaft. Ausgegangen wird hier von einem dialogisch-partizipativen Kommunikationsmodell: Rezipienten und auch Mediatoren werden in transdisziplinären Veranstaltungen zu Co-Produzenten wissenschaftlichen Wissens. Da hier jene strikte Trennung zwischen den Kommunikationspartnern aufgehoben ist, ist von Hybridgemeinschaften auszugehen, in denen Experten, Quasi-Experten und Laien diskutieren und valides, verlässliches, sozial robustes Wissen generieren. Eingebettet in dieses Verständnis ist nicht zuletzt die Transformation des Wissens. Öffentliche Wissenschaft in diesem Zuschnitt wird auch am Zentrum für Angewandte Kulturwissenschaft und Studium Generale (ZAK) am Karlsruher Institut für Technologie verfochten. Substantiell auf geordnete Kommunikation ausgelegt, stehen auf der Agenda öffentliche Veranstaltungen, in deren Rahmen Wissenschaftler, Politiker und interessierte Bürger diskutieren können. Hier offenbart sich ein weiteres Merkmal: ein eingeschränkter Öffentlichkeitsbegriff, der sich auf die Leitinstanzen moderner Gesellschaften bezieht.

Daneben gibt es einen weiteren Strang Öffentlicher Wissenschaft, der an der Idee ansetzt, dass mündige Bürger an der Entwicklung der Wissenschaften teilhaben sollen. Dies rückt den Begriff in die Nähe der Erwachsenen- bzw. Weiterbildung. Öffentliche Wissenschaft wird im Lichte eines neuhumanistischen Grundverständnisses ausgelegt. Aufgrund dessen rücken Dialog und Partizipation stärker in den Vordergrund. Es ergibt sich ein Kreislauf, in dem durch Bildung aufgeklärte Bürger hervorgebracht und befähigt werden, sich in transdisziplinäre Zusammenhänge einzubringen, sich aktiv mit ihrem Wissen (Public Experts) am Forschungsprozess zu beteiligen und wissenschaftliches Wissen mit zu produzieren.

3. Wissenschaftskommunikation

Wissenschaftskommunikation dient zunächst als Sammelbecken und -begriff für die auseinanderlaufenden Bemühungen der Beschreibung und Analyse sämtlicher kommunikativer Aktivitäten in und über Wissenschaft. Im akademischen Diskurs tendiert der Sprachgebrauch zu dieser jungen und neutralen Begrifflichkeit. Aber sie ist nicht nur ein weiterer Begriff unter Begriffen, sie ist Namensgeber für ein Berufsfeld und Schlüsselbegriff eines neuen Forschungsfeldes. Nicht zuletzt aufgrund dieser Tatsache taucht sie im deutschsprachigen Kontext gleich dreifach auf: Einmal als Sammelbegriff mit Bezug auf das Forschungsfeld – einfach nur Wissenschaftskommunikation. Wissenschaftskommunikation ist alles. Zum anderen wird der Ausdruck als Fachbegriff verwendet, der sich auf den kommunikativen Austausch zwischen Wissenschaft und Gesellschaft bezieht: externe Wissenschaftskommunikation. Und er bezieht sich auf die wissenschaftliche Binnenkommunikation: interne Wissenschaftskommunikation.

An dieser Stelle dreht es sich um die externe Wissenschaftskommunikation. Eine breite, integrativ anglegte Definition liefern Burns, O‘Connor und Stocklmayer: “SCIENCE COMMUNICATION (SciCom) may be defined as the use of appropriate skills, media, activities, and dialogue to produce one or more of the following personal responses to science (…): Awareness (…), Enjoyment (…), Interest (…), Opinion (…), Understanding”.5 Mit dieser Begriffsbestimmung wird dreierlei erreicht. Frühere Definitionen werden gebündelt, deren Schwächen überwunden und drittens ähnliche Begrifflichkeiten wie PAS, PUS, SL oder SC6 integriert. Im Zuge dieser Neubestimmung changiert nun aber der Status des Begriffs und pendelt zwischen einem Fach- und Ordnungsbegriff. In das als Fachbegriff verstandene Konzept gehen diejenigen Begrifflichkeiten ein, die sich auf die Kommunikationsvarianten zwischen Wissenschaft und Gesellschaft beziehen. Externe Wissenschaftskommunikation avanciert dadurch aber zu einem analytischen Konzept, das sich durch Abstraktheit, Formalität und Geschichtslosigkeit auszeichnet; es dient als Ordnungsschema für empirische Befunde und Forschungsfragen. Eine derartige konzeptuelle Klammer ist nicht an ein Kommunikationsmodell gebunden. Je nach Problemstellung wird das eine oder andere Modell nützlich und somit werden jeweils andere analytische Bezugsrahmen an die zu erforschenden Phänomene angelegt.

4. Fazit

Aus der Zusammenschau der drei Begrifflichkeiten, die sich unter dem Dachbegriff Wissenschaftskommunikation wieder finden, ergibt sich dieses Tableau:

Tableau: Synopse zentraler Begrifflichkeiten der Außenkommunikation

KATEGORIEN WISSENSCHAFTS-
POPULARISIERUNG
ÖFFENTLICHE
WISSENSCHAFT
EXTERNE WISSENSCHAFTS-KOMMUNIKATION
Definitionen traditionelles Verständnis
transmission of scientific knowledge from scientists to the lay public for purposes of edification, legitimation and training.moderns Verständnis
transmission of intellectual products from the context of their production to other contexts (…) term needs to be broadened to include all communication to non-specialists which involves transformation
frühes Verständnis
Naturwissenschaften und die Anwendung ihrer Ergebnisse auf unser Schicksal eine Sache der Öffentlichkeit neueres Verständnis
dialogbasierte (ext.) WissKom
aktuelles Verständnis
the use of appropriate skills, media, activities, and dialogue to produce one or more of the following personal responses to science (…): Awareness, Enjoyment, Interest, Opinion, Understanding
Disziplin Wissenschaftsgeschichte Sozial-, Medien-, Kommunikations-, Kulturwissenschaften WissKomWissenschaft
Öffentlichkeits-begriff breit angelegt, undifferenziert, atomisiert, passiv selektiv angelegt
(Bezug: Leitinstanzen der Öffentlichkeit)multipel angelegt
variabel (je nach Kommunikationsmodell)
Wissenschafts-

verständnis

Science (i.S.v. Naturwissenschaften und Mathematik. z.T. Medizin) Science (i. S. v. Natur-, Technik-, Sozial- und Geisteswissenschaften) Science (i. S. v. Science, Technology
and Humanities and Art)
Kommunikations-verständnis Defizitmodell der Kommunikation
(Modell der Massenkommunikation)
anfänglich: Defizitmodell
später: Dialog- und Partizipationsmodell (interpersonale Kommunikation)
abhängigvon Problemstellung (Nebeneinander verschiedener Kommunikationsmodelle)
Leistung Diffusion Beteiligung , Teilnahme, Teilhabe
(PES, PEST7, Citizen Science, Expository Science)
Bündelung von: SL, SC, PAS, PUS (o. a.: PUST, PUSTE, PUSH) bzw. dt. Initiative WiD8
Differenzierungen traditionelles vs. modernes Verständnis älteres vs. jüngeres Verständnis Dach-, Fach- und Ordnungsbegriff
Art des Begriffs Fachbegriff Fachbegriff Dachbegriff (WissKom)

Fachbegriffe (int., ext.WissKom)

Ordnungsbegriff (ext. WissKom: Bündelung)

Quelle: Eigene Darstellung.

Diese Überlegungen sind nicht End-, sondern können nur Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung der terminologischen Fundierung des Forschungsbereichs externer Wissenschaftskommunikation sein. Lassen sie sich zu einem wissenschaftskommunikationswissenschaftlichen Begriffssystem verbinden? Diese Frage führt direkt zur nächsten nach einer Wissenschaftskommunikationswissenschaft (SciComology).


Die Inhalte dieses Artikels basieren auf einem Beitrag Öffentliche Wissenschaft, Wissenschaftskommunikation & Co. Zur Kartierung zentraler Begriffe in der Wissenschaftskommunikationswissenschaft, der jüngst im Sammelband Öffentliche Gesellschaftswissenschaften, herausgegeben von Stefan Selke und Annette Treibel, bei Springer VS publiziert worden ist.

Gastbeiträge spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung unserer Redaktion wider.